Auf die SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier kommen große Herausforderungen zu – es gibt erhebliche Meinungsunterschiede im Landesverband über die künftige Ausrichtung. Foto: dpa

An diesem Samstag will die SPD Baden-Württemberg einen weiteren Schritt aus dem tiefen Tal machen. Vor dem Landesparteitag in Donaueschingen rumort es jedoch. Es gibt Streit um die programmatische Aufstellung – und auch in der Fraktion kracht es.

Stuttgart - Gut 20 Monate liegt die katastrophale Pleite der SPD bei der Landtagswahl zurück. Die Führung ist ausgewechselt, aber sonst? „Die organisatorische und inhaltliche Neuaufstellung ist sehr wenig fortgeschritten“, rügt Juso-Landeschef Leon Hahn – nicht als einziger. Vor dem Parteitag an diesem Samstag in Donaueschingen ist Feuer unterm Dach.

Der Landeschefin Leni Breymaier droht die erste echte Bewährungsprobe. Zur Ungeduld von Hahn und anderen will sie erst auf dem Parteitag Stellung nehmen – nur soviel äußert sie im Vorfeld: „Wir sind im Zeitplan.“ In Donaueschingen würden die 320 Delegierten nun die inneren Strukturen der SPD und die Vorbereitung der Kommunalwahlen 2019 debattieren.

Konkret wird zum Beispiel der Leitantrag aus der Feder von Generalsekretärin Luisa Boos kritisiert, weil er eine zu starke Binnenorientierung habe und zu wenig inhaltliche Aufarbeitung der Wahlergebnisse enthalte. Die eigene Verantwortung werde nicht benannt. Somit haben jüngere Genossen wie Hahn und Frederick Brütting einen auf die Außenwirkung zielenden Alternativantrag erarbeitet. Er soll eine Debatte über die programmatischen Angebote anstoßen, damit die Menschen die SPD-Politik wieder mehr mit ihrer Lebenswelt identifizierten, wird argumentiert.

Hilde Mattheis will Abbau von Hierarchien

Landesvize Hilde Mattheis, die durchaus auf der Seite Breymaiers steht, stellt hingegen fest, dass inhaltlich schon einige Dinge angestoßen worden seien. Beispielhaft nennt sie Beschlüsse zur Rente mit einem geforderten Niveau von 50 Prozent sowie zur Pflege vom vorigen Parteitag. „Wir waren ja immer ein sehr konservativer und netzwerkorientierter Landesverband“, sagt die Parteilinke. Die Beschlüsse im Sommer seien ein „richtiger Perspektivenwechsel“ gewesen – „Hinweise, dass wir weggehen von einer sehr neoliberal angehauchten Politik des SPD-Landesverbandes unter dem vorigen Vorsitzenden“. Bei den Inhalten „haben wir die Basis schon massiv auf unserer Seite“.

Auf dem Parteitag müsse der Erneuerungsprozess auch strukturell angestoßen werden, was noch schwieriger werde. Dazu wird eine Kommission eingesetzt, die die Neuaufstellung des Landesverbandes vorbereiten soll. Es bestehe, so Mattheis, ein großes Bedürfnis der Mitglieder, sich stärker einbringen zu können. Dazu müssten die „sehr hierarchischen Strukturen“ abgebaut werden. So fordert die Landesvize mehr Beteiligung der Basis bei der Antragsberatung. „Das sind kleine Bausteine, die es ermöglichen, dass wir wieder zu einer Mitgliederpartei werden und relativ hierarchiefrei arbeiten können.“ Bisher würden die Entscheidungen meist in kleinen Strukturen getroffen, wo schon vorher klar sei, wie die Mehrheit ausfalle. Die Ortsvereine hätten das Gefühl, sie dürften die Beschlüsse nur nachvollziehen, rügt sie.

Fraktionsvorstand fordert Entschuldigung

Zu allem Überfluss kracht es auch in der Fraktion: Die SPD sieht sich in der Pflicht, der AfD den Vorsitz eines Landtagsausschusses zu überlassen, um ihrer Klage gegen das Land zuvorzukommen und ihr nicht die Opferrolle zu lassen. Drei Posten hat sie zu bieten: Soziales (Rainer Hinderer), Finanzen (Rainer Stickelberger) und Umwelt (Gabi Rolland) – die AfD hat den Wahlprüfungsausschuss. Getroffen hat es Rolland, die den Vorsitz aber nicht abgeben will, sondern sich mit harten Vorwürfen wehrt: Sie habe „von nichts gewusst“, sagte die Freiburgerin und warf Fraktionschef Andreas Stoch sowie dem Parlamentarischen Geschäftsführer Reinhold Gall ein „Old-Boys-Netzwerk“ vor.

Die Fraktion stellt die Lage anders dar: Demnach schwelt der Konflikt mit der AfD seit einem Jahr. In den vorigen zwei Wochen gab es Fraktionsbeschlüsse, wonach die SPD den Vorsitz im Umweltausschuss abgeben, Soziales und Finanzen aber behalten will. Rolland war wie alle Fraktionsmitglieder eingebunden. Stoch ist schwer verärgert: „Mein Fraktionsvorstand weist die Behauptungen von Gabi Rolland von sich und hält das Verhalten von ihr für nicht zielführend“, sagte der Fraktionschef dieser Zeitung. „Trotzdem werden wir uns jetzt bemühen, mit ihr diese Dinge auf der persönlichen Ebene auszuräumen.“ Da sei erst mal eine Richtigstellung der Falschbehauptungen von ihrer Seite notwendig. „Aber an der demokratischen Entscheidung, die da getroffen wurde, führt letztlich kein Weg vorbei“, so Stoch. Kurz gesagt: Damit müsste Landesverbands-Vize Rolland am Ende doch vom Vorsitz zurücktreten.