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Die Landesregierung sollte das Angebot der CDU, einen Pakt für Ganztagsschulen zu bilden, annehmen, fordert der Vorsitzende des Landes­elternbeirats, Theo Keck im Interview.

Stuttgart - Die grün-rote Landesregierung sollte das Angebot der CDU, einen Pakt für Ganztagsschulen zu bilden, annehmen, fordert der Vorsitzende des Landeselternbeirats, Theo Keck.

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Herr Keck, seit 20 Monaten ist die grün-rote Landesregierung für die Schulpolitik verantwortlich. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Wir freuen uns, dass Grün-Rot einige langjährige Forderungen des Landeselternbeirats erfüllt hat. So wurde die verbindliche Grundschulempfehlung abgeschafft, alle Werkrealschüler können die zehnte Klasse besuchen, die Gemeinschaftsschule wurde eingeführt, neunjährige Gymnasialzüge wurden wieder eingerichtet. Allerdings wird der Elternwille nicht in allen Fragen respektiert. 80 Prozent der Eltern würden ihre Kinder lieber auf ein neunjähriges Gymnasium schicken. Die Begrenzung auf 44 Gymnasien ist sachfremd und steht im Widerspruch zu den Wahlversprechen beider Parteien.

Wäre es nicht sinnvoller, die Bildungspläne zu überarbeiten?
Die Ankündigung, die Bildungspläne zu entrümpeln, gab es zuhauf – schon vor der Schulzeitverkürzung 2004. Doch diese Entrümpelung hat vielerorts bis heute nicht stattgefunden. Deshalb lässt sich der Druck für die Schüler nur verringern, wenn man ihnen mehr Zeit lässt.

Den neunjährigen Weg zum Abitur könnten doch auch die neuen Gemeinschaftsschulen bieten.
Der Verweis auf die Gemeinschaftsschule wird der Sache nicht gerecht. Zum einen gibt es noch nicht genügend Gemeinschaftsschulen, zum anderen können voraussichtlich nur zehn Prozent eine eigene gymnasiale Oberstufe anbieten. Auch gibt es noch viele Vorbehalte gegen die neue Schulart – dazu trägt auch die teilweise undifferenzierte Polemik derer bei, die sie nicht wollen.

Welche Baustellen muss der künftige Kultusminister, Andreas Stoch, als Erstes angehen?
Die regionale Schulentwicklung muss endlich vorankommen. Es war ein handwerklicher Fehler, nicht gleich bei der Genehmigung der ersten Gemeinschaftsschulen damit und mit der Änderung der Schulbau-Förderrichtlinien zu beginnen. Vor allem aber ist uns wichtig, dass die Bildungspolitik wieder im Kultusministerium gemacht wird, nicht im Staats- oder im Finanzministerium. Der Kultusminister muss die Standfestigkeit und die Hausmacht haben, die zentralen Anliegen umzusetzen.

Sind Einsparungen bei den Lehrerstellen für Sie absolut tabu?
Nein, aber man kann nicht sagen, 20 Prozent weniger Schüler sparen 20 Prozent Lehrer. Für den Ausbau von Ganztagsschulen, die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen, die individuelle Förderung in allen Schularten oder die Inklusion werden zusätzliche Lehrerstunden gebraucht. Und der Unterrichtsausfall in allen Schulen muss genauso reduziert werden wie die strukturelle Unterversorgung der beruflichen Schulen.

Am Wochenende haben sich SPD und CDU beim Thema Ganztagsschule fast übertroffen. Was erwarten Sie?
Mich hat geärgert, dass Finanzminister Nils Schmid den ausgestreckten Arm der CDU zurückgewiesen hat. Regierung und Opposition sollten bei der Bildungspolitik zusammenarbeiten, damit es endlich vorangeht, das gilt auch für die regionale Schulentwicklung. Eltern müssen sicher sein, dass die Kinder in der Ganztagsschule gut aufgehoben sind. Dort müssen auch die Hausaufgaben erledigt und Förderangebote gemacht werden. Auch sollte nicht der Unterricht vormittags zusammengepresst und nachmittags nur noch freie Betreuung oder Fußball auf dem Schulhof angeboten werden. Der Tag muss rhythmisiert sein, Unterricht und Phasen der Erholung und der Bewegung sollten sich abwechseln.

Das ist nur bei einer gebundenen Ganztagsschule möglich. Nicht alle Eltern möchten, dass ihre Kinder nachmittags in der Schule sind.
Es ist uns klar, dass die gebundene Ganztagsschule die besseren pädagogischen Ergebnisse bringt, nicht nur von den Noten und den Fördermöglichkeiten her. Die Schüler profitieren auch sozial und emotional davon, mit anderen zu lernen und zu spielen und - sie haben die Hausaufgaben gemacht! Dafür muss geworben werden, denn dieses Wissen ist noch nicht bei allen Eltern vorhanden. Das gilt auch für die Gemeinschaftsschule, die als Ganztagsschule konzipiert ist. Wir wissen aber aus der Erfahrung mit dem achtjährigen Gymnasium, dass Zwang von oben mehr Ärger als Nutzen bringt – etwas mehr Flexibilität könnte da nicht schaden.

Eine große Baustelle ist auch der gemeinsame Unterricht von Kindern ohne und mit Behinderung. Welche Schritte sind nötig?
Wir brauchen Klarheit, wie die Erfahrungen aus den Modellregionen in der Fläche umgesetzt werden. Mir fehlt auch das klare Bekenntnis dazu, dass Inklusion nicht ohne Mehrkosten und Stellen geht und dass die Sonderschulen erhalten werden. Wir wollen, dass Eltern ein Wahlrecht haben, ob sie ihr Kind zur Sonder- oder zur Regelschule schicken.