Stuttgart - Dass die Spitzenkandidatur auf Nils Schmid zulaufen würde, war klar. Trotzdem überraschte er den Landtag mit der Art, wie er seinen Hut in den Ring warf: mit seiner Erwiderung auf die Regierungserklärung von Stefan Mappus.

Eigentlich wollte sich Nils Schmid ja erst am Samstag in einer Woche öffentlich erklären. An diesem Tag treffen sich in Stuttgart alle, die in der Südwest-SPD Rang und Namen haben, zu einer großen Konferenz - eine ideale Bühne, um den Hut in den Ring zu werfen. Doch dann kam die Regierungserklärung in Sichtweite, und Schmid entschloss sich zur Offensive.

Als er am Mittwoch im Landtag den Finger streckt, um Präsident Peter Straub seinen Redewunsch zu signalisieren, hebt der verwundert die Augenbrauen. Nein, nicht Claus Schmiedel, der kampferprobte Fraktionschef, zerpflückt die Regierungserklärung von Stefan Mappus, sondern dessen Stellvertreter, SPD-Landeschef Nils Schmid.

"Oh, habt ihr den Schmiedel entmachtet", sagt CDU-Vize Klaus Herrmann, denn er begreift sofort, was das heißt: Dies ist Schmids Bewerbungsrede als Spitzenkandidat. Unaufgeregt wie immer, aber durchaus angriffslustig skizziert der die SPD-Alternativen: mehr Unterstützung für den Mittelstand, bessere Bildungschancen ... eigentlich nichts, was Schmid nicht schon an anderer Stelle so oder ähnlich gesagt hätte. Doch diesmal wirken seine Worte anders.

"Das wäre nicht mehr zu vermitteln gewesen", meint auch der parlamentarische Geschäftsführer Reinhold Gall. Die Mitglieder hätten bei ihrer Abstimmung im September eben auch die Spitzenkandidatur im Hinterkopf gehabt. Und Schmid selbst sagt: "Auch Schmiedel kommt infrage, aber wir sind uns einig, dass es in der gegenwärtigen Konstellation besser ist, dass ich Spitzenkandidat werde."

Zwischenrufe, Fragen, Lachen und Lärm begleiten Schmids Rede. "Die sind voll drauf angesprungen", sagt er später gegenüber unserer Zeitung und freut sich über den gelungenen Überraschungseffekt: "Diese Rede ist das Signal in die Partei, dass ich die Aufgabe übernehmen will."

Ja, er sei bereit und habe Lust, die Südwest-SPD in die Landtagswahl 2011 zu führen. Jetzt sei die Partei am Zug, auf das Angebot zu reagieren. Dass sie das tun wird und den 36-Jährigen Nürtinger am 20. März im SPD-Landesvorstand und im Oktober auf einem Nominierungsparteitag auch offiziell nominieren wird, daran besteht kein Zweifel.

Denn sein großer Rivale, Fraktionschef Claus Schmiedel (59), erweist sich - jedenfalls bisher - als disziplinierter Parteisoldat und lässt ihm den Vortritt. Mit unbewegter Miene sitzt er während Schmids Rede in der ersten Reihe und spendet seinem Vize immer wieder kräftig Beifall.

Es ist kein Geheimnis, dass Schmiedel selbst gern die Rolle des Zugpferds übernommen hätte. Doch seit der Mitgliederbefragung vom vergangenen September zum Parteivorsitz, als der Fraktionschef noch hinter die zweitplatzierte Parteilinke Hilde Mattheis zurückfiel, musste ihm klar sein, dass er diese Hypothek niemals wieder los wird.

"Das wäre nicht mehr zu vermitteln gewesen", meint auch der parlamentarische Geschäftsführer Reinhold Gall. Die Mitglieder hätten bei ihrer Abstimmung im September eben auch die Spitzenkandidatur im Hinterkopf gehabt. Und Schmid selbst sagt: "Auch Schmiedel kommt infrage, aber wir sind uns einig, dass es in der gegenwärtigen Konstellation besser ist, dass ich Spitzenkandidat werde."

Will er wirklich?

In der Fraktion jedenfalls erntet er mit seiner Entscheidung viel Beifall. "Das ist ein gutes Signal", sagt etwa der Rastatter Abgeordnete Gunter Kaufmann. Und Gall ergänzt: "Wir waren uns einig, dass er es machen soll."

Aber will er auch wirklich? In den vergangenen Monaten waren immer wieder Zweifel daran laut geworden - schließlich ist der 36-Jährige gerade erst Vater geworden und sagt selbst, dass die fehlende Zeit für sein Kind ein "Manko" sei. Doch Schmid zerstreut gleichzeitig die Bedenken jener, die ihm Unentschlossenheit unterstellen: "Je mehr ich mich mit der Spitzenkandidatur auseinandersetze, desto mehr Lust bekomme ich darauf."

Den Einwand, dass er mit seiner ruhigen, nüchternen Art gegenüber seinem Widerpart Stefan Mappus den Kürzeren ziehen könnte, wischt Schmid selbstbewusst vom Tisch: "Die Menschen wollen Argumente, ich glaube, es gibt das Bedürfnis nach einer neuen Sachlichkeit."

Dass sich noch ein zweiter Bewerber für die Spitzenkandidatur findet, ist ziemlich ausgeschlossen. Der Ulmer OB Ivo Gönner, der für viele Genossen der Wunschkandidat gewesen wäre, hat unmissverständlich klargemacht, dass er seine Lebensaufgabe in Ulm sieht, nicht in Stuttgart. Bleibt also nur Schmid. Der wird seine Bereitschaft nun am 20. März offiziell dem Landesvorstand unterbreiten, ehe ein Parteitag im Oktober abschließend darüber befindet.