Noch die Ausnahme: Schüler mit und ohne Behinderung in einer Klasse. Foto: dpa

Die Landesregierung will im Februar Eckpunkte für den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung festlegen. Der Opposition dauert das zu lange.

Die Landesregierung will im Februar Eckpunkte für den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung festlegen. Der Opposition dauert das zu lange.

Stuttgart - Redner der Landtagsfraktionen haben die Liste der Unwörter um einen Ausdruck ergänzt: „inklusives Setting“. Mehrfach war in der Debatte über gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung davon die Rede. Gemeint sind die für den gemeinsamen Unterricht notwendigen Strukturen an allgemeinen Schulen. Sie fehlen vielfach noch. Darüber herrschte im Landtag Einigkeit. Nicht jedoch über das Vorgehen bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, die eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung verlangt, was Schulen und Kommunen vor große Herausforderungen stellt.

Die CDU-Sozialexpertin Monika Stolz warf der Landesregierung „Stillstand“ vor. Sie begründete dies mit der Verschiebung der geplanten Schulgesetzänderung durch Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Darin sollen Rahmenbedingungen für den gemeinsamen Unterricht festgelegt werden. Vorgesehen war, dass betroffene Eltern vom Schuljahr 2014/15 an ein Wahlrecht erhalten, verbunden mit dem Anspruch auf sonderpädagogische Förderung ihrer Kinder an Regelschulen. Die Verzögerung resultiert angeblich daraus, dass noch keine Einigkeit mit den Schulträgern darüber besteht, wer wie viel bezahlt. Der FDP-Bildungspolitiker Timm Kern forderte die Regierung auf, zügig einen Finanzierungsplan aufzustellen. Auch Stolz drängt auf mehr Tempo: Nirgendwo hinke Grün-Rot den eigenen Ansprüchen so weit hinterher wie bei der Inklusion. Die alte Regierung habe das Land bei dem Thema „in die Pole-Position gebracht. Jetzt stehen wir in der letzten Reihe.“

Ein Vorwurf, den die Regierungsparteien energisch zurückwiesen. Die von Schwarz-Gelb eingerichteten fünf Modellregionen seien unzulänglich ausgestattet gewesen. Sie hätten eher die „Exklusion“ gefördert, meinte Grünen-Sozialexperte Thomas Poreski. Er versicherte, man nehme sich des Themas intensiv an. Im Februar werde das Kabinett Eckpunkte der Inklusion beschließen. Dazu gehören nach den Worten des schulpolitischen Sprechers der SPD, Klaus Käppeler, ein qualifiziertes Elternwahlrecht und die Aufhebung der Sonderschulpflicht; die Sonderschulen bleiben jedoch bestehen: „Der Besuch der Regelschule soll der Normalfall, der Besuch der Sonderschule die Ausnahme sein.“

Aus Sicht des Kultusministers ist es mit einer Änderung des Schulgesetzes ohnehin nicht getan: „Wir brauchen eine Bewusstseinsveränderung in der gesamten Gesellschaft“, sagte Stoch. Von den Schulen gehe dabei „eine besondere Strahlkraft aus“.

Ein Erkenntnisgewinn der Debatte: Die Grün-Rot rechnet damit, dass erheblich mehr Kinder mit Behinderungen Regelschulen besuchen werden als in den bisherigen Modellregionen. Dort wählten 27 Prozent der betroffenen Eltern für ihr Kind eine allgemeine Schule. Poreski erwartet, dass es in der Fläche bis zu 70 Prozent sein werden.