Eine Tabakscheune aus dem 19. Jahrhundert im Ortenaukreis in Baden-Württemberg wird in ein Wohnhaus umgebaut und mit 300 000 Euro durchs das Land dabei unterstützt. Foto: Ministerium

Das Land Baden-Württemberg spendiert mehrere Millionen Euro für die Sanierung alter Ställe, Schlösser und Schulen. Ist das Steuergeld gut angelegt?

Einer der meist bestaunten Orte und Showrooms jüngst bei der Mailänder Möbelmesse war eine prächtige alte Wohnung mit zehn Zimmern, reich verzierte Stuckdecken, Fischgrätparkett und so – einst Wohntraum reicher Städter, heute temporärer Ausstellungsort für polnisches Design und Handwerk, das im alten Gemäuer seinen besonderen zeitgemäßen Charme entfaltete. So ein altes Gemäuer zu erhalten, ist aufwändig und teuer, erst recht, wenn es unter Denkmalschutz steht. Und nicht jede Schloss- und Burgenherrschaft kann sich das leisten. Ja, selbst ein uraltes Bauernhaus im Schwarzwald zu sanieren, kostet mitunter Millionen Euro.

 

Ist solch ein Gebäude aber vor Verfall und Abriss gerettet, hat auch die Allgemeinheit etwas davon. Die Passanten, die daran vorbei gehen und sich an der sanierten Bau- und Handwerkskunst erfreuen, die Touristen staunen über die alte Architektur und bleiben vielleicht länger in so einem Schwarzwalddörfchen, darüber freut sich dann auch das Tourismusamt und die Steuerbehörde, wenn die Übernachtungszahlen steigen.

Baden-Württemberg und die Baukultur

Folgerichtig stellt das baden-württembergische Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Geld für Kulturdenkmale zur Verfügung – in einer ersten Tranche rund 6,6 Millionen Euro für den Erhalt und die Sanierung von 56 Kulturdenkmalen. Davon entfallen 23 auf private Vorhaben wie etwa die Instandsetzung eines Bauernhauses in Tannheim und die Sanierung eines Dachstuhls eines Wohnhauses in Baden-Baden.

17 kommunale Projekte werden gefördert, darunter die Multihalle in Mannheim mit dem spektakulären Dach von Frei Otto und für die Generalsanierung der Wandelhalle im Kurpark in Bad Mergentheim (jeweils 500 000 Euro). 16 kirchliche Projekte stehen auf der Liste, weitere 500 000 Euro sind für die Steinsanierung am Freiburger Münster eingeplant.

Und weil mit dem Erhalt schützenswerter Baukultur auch Wohnraum geschaffen werden kann, wird das Sonderprogramm „Wohnen im Kulturdenkmal“ neu aufgelegt. Dies gab die Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, Nicole Razavi jüngst bekannt. Mit dem von der Landesdenkmalpflege konzipierten Programm unterstützt das Land die Eigentümer von denkmalgeschützten Gebäuden dabei, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen oder auch vorhandenen Wohnraum wieder nutzbar zu machen.

Wohnen in ehemaligen Fabriken

Mit dem Sonderprogramm „unterstützen wird bereits entsprechende Konzepte und fördern verstärkt die Umsetzung besonders spannender Projekte, die beispielhaft zeigen, was man aus einem Denkmal machen kann“, sagt die Ministerin. „Ich denke da zum Beispiel an leer stehende Gasthöfe, an alte Scheunen, an historische Bahnhöfe, ehemalige Rathäuser oder frühere Schulgebäude. Aber auch Gebäude, die früher gewerblich genutzt wurden, gehören für mich dazu – wie etwa ehemalige Lagerhäuser, Fabriken oder Werkstätten, die denkmalgeschützt sind.“

Förderanträge können bis zum 30. Juni beim Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (LAD) gestellt werden. Bis zu 20 000 Euro an Förderung in Form von Konzeptgutscheinen ist hier möglich. Zum anderen können mit dem Geld ein oder zwei weitere sogenannte Leuchtturmprojekte unterstützt werden – mit einer Summe von bis zu 300 000 Euro pro Projekt.

Denkmaleigentümer Andreas Hauser (li.) erläutert Ministerin Nicole Razavi (4. v. li.)die Umbaumaßnahmen in seinem ehemaligen Tabakschopf. Foto: Ministerium

„Ich freue mich, dass wir für dieses und das nächste Jahr insgesamt eine Million Euro für eine Neuauflage des Sonderprogramms bereitstellen können“, sagte Razavi bei einem Ortstermin in Neuried-Schutterzell im Ortenaukreis, gerade wird dort an einem von bislang neun geförderten Leuchtturmprojekten gearbeitet – dem Tabakschopf aus dem 19. Jahrhundert, das Land unterstützt die Umbaumaßnahmen mit 300 000 Euro.

Momentan ist das Kulturdenkmal mit ihren imposanten Dimensionen von 40 Metern Länge, 15 Metern Höhe und lediglich acht Metern Breite noch eine Baustelle, der Rohbau steht. Es soll zunächst ein Zuhause für fünf Menschen geschaffen werden, darüber hinaus könnte noch weiterer Wohnraum geschaffen werden.

Ministerin Razavi dankte den Besitzern des Tabakschopfes, Alexandra Lunow und Andreas Hauser, für ihren Einsatz. „Wohnen in Kulturdenkmalen ist möglich und hat einen einzigartigen Charme“, so Razavi. „Einem historischen Gebäude wieder Leben einzuhauchen ist nachhaltig im besten Sinne.“ In der Tat: Was Qualität hat und was man liebt, reißt man nicht ab.

Info

Denkmalschutz fürs Wohnen
Förderanträge fürs Sonderprogramm „Wohnen im Kulturdenkmal“ können bis zum 30. Juni 2025 beim Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (LAD) gestellt werden. Die Antragsunterlagen finden sich auf der Homepage des LAD (https://www.denkmalpflege-bw.de/geschichte-auftrag-struktur/bau-und-kunstdenkmalpflege/ausschreibung-wohnen-im-kulturdenkmal). Konkret gefördert werden können Konzepte zur denkmalverträglichen Wohnnutzung von Kulturdenkmalen (Instandsetzung, Umnutzung oder Ausbau). Bis zu 20 000 Euro an Förderung in Form von Konzeptgutscheinen ist möglich. Zudem können mit dem Geld ein oder zwei weitere sogenannte Leuchtturmprojekte unterstützt werden – mit einer Summe von bis zu 300 000 Euro pro Projekt.

Leuchtturmprojekte
Das erste Sonderprogramm „Wohnen im Kulturdenkmal“ war im Mai 2022 gestartet worden und erwies sich als erfolgreich: Innerhalb der fünfmonatigen Antragsfrist verzeichnete das LAD weit über 100 Anfragen und Anträge. Freigegeben wurden über einen Zeitraum von rund drei Jahren insgesamt 2,64 Millionen Euro für neun Leuchtturmprojekte und 33 Konzepte. Ausgewählt als Leuchtturmprojekte im erstes Sonderprogramm wurden das Bahnwärterhaus Lauffen am Neckar, die Tabakscheune Neuried-Schutterzell, die Schlossbrauerei Stockach-Espasingen, die Klosterscheune Tübingen-Bebenhausen, das Ehemalige Schulhaus Tübingen-Derendingen, die Scheune Tübingen-Weilheim, das Ehemalige Pfarrhaus Weinsberg.