Ein Fahnenmeer in Schwarz-Rot-Gold: Die Fans in der Münchener Arena machen ordentlich Stimmung, als die deutsche Mannschaft einläuft. Während des Spiels war es aber oft zu ruhig. Foto: Lübke

LZ-CheckRedakteur Janosch Lübke schaut sich das EM-Spiel Deutschland gegen Frankreich an

Lahr/München - Die EM zu Gast in München: 13.000 Zuschauer waren am Mittwoch beim Spiel Deutschland gegen Frankreich im Stadion. Doch kann in Zeiten der Pandemie überhaupt ein EM-Fieber entstehen? Die LZ war vor Ort und hat es gecheckt.

Als die Kollegen von dem tollkühnen Plan erfahren, ist  der Neid vorprogrammiert: Die deutsche Mannschaft startet in München in die Fußball-Europameisterschaft und der Textautor ist live im Stadion – zum ersten Mal bei einem großen Nationen-Turnier. Schon am Nachmittag wird der Redaktion Tschüss gesagt, das frisch gekaufte Deutschland-Trikot sitzt perfekt.

Dass es überhaupt mit Tickets für dieses Spiel geklappt hat, hat eine Menge mit Glück und dem richtigen Freundeskreis zu tun. Eine ehemalige Kommilitonin arbeitet bei der Allianz Arena, die während des Turnier neutral »EM Arena München« heißt, sie ist wiederum befreundet mit einem guten Freund des Autors und gab ihm erst vor wenigen Tagen Bescheid, dass noch zwei Tickets zu vergeben wären. »Sitzt du?«, waren seine ersten Worte, als er dem Schreiber dieser Zeilen von der einmaligen Gelegenheit auf ein Ticket am Telefon erzählte. Wird das EM-Abenteuer auch so toll werden wie erwartet, trotz der Corona-Auflagen? Die Vorfreude ist jedenfalls da und der negative Corona-Test in der Tasche. Es kann losgehen.

Die Anfahrt: Um 14:29 Uhr fährt der ICE aus Offenburg ab. Diese Reise scheint zu dieser Zeit kein anderer Stadiongänger anzutreten, denn weder am Bahnsteig noch im Zug sind Deutschland- oder Frankreich-Anhänger zu sehen. Das ändert sich allerdings beim Umstieg in Mannheim. Zwei junge Franzosen steigen zu und im Bistro-Wagen sind auch zwei Deutschland-Fans bei ein paar Bier anzutreffen. Getrunken wird nur vor dem Anpfiff, denn im Stadion ist kein Alkohol erlaubt. »Wir haben schon 2019 unsere Tickets gekauft. Dann wurde das Turnier verschoben und wir haben erst kürzlich die Info bekommen, dass unsere Karten ihre Gültigkeit behalten«, erzählen Marcus und Daniel erleichtert.

Bis zur Ankunft in München steigen keine weiteren Fans hinzu. Erst in Stadtbahn zum Stadion ist viel Schwarz-Rot-Gold zu sehen, fast wie bei einem Spiel vor 70.000 anstelle von 13.000 Zuschauern.

An und im Stadion: Auf der  Esplanade vor der Allianz Arena wimmelt es von Volunteers der UEFA. Die vielen Helfer sind auch nötig, denn jeder Fan muss nun seinen negativen Corona-Test, den Genesenen-Nachweis oder den Beweis einer Impfung vorzeigen und erhält dafür ein gelbes Bändchen für das Handgelenk. Alles läuft reibungslos und schnell ab, denn es sind verhältnismäßig viele Helfer für eine überschaubare Anzahl an Zuschauern vor Ort. Auch die Polizei ist präsent, muss aber keine aufkommende Krawalle unterbinden. Für ein Fußballspiel ist es viel zu ruhig, nur die Franzosen stimmen hörbare Fangesänge an.

Die Tickets sind am Stadion hinterlegt – und tendenziell ein Stolperstein auf dem Weg zu einem gelungenen Fußball-Abend. Denn auf jeder Karte ist ein Zeitfenster vermerkt, wann man ins Stadion soll. Durch diese Regelung will die UEFA vermeiden, dass zu viele Menschen zur gleichen Zeit in die Arena drängen. Und auf unseren Tickets steht ein »Time Slot« von 18 bis 18:30 Uhr, was wir aber erst um 20 Uhr, als wir die Karten in der Hand haben, wissen. Wird man uns nun abweisen, weil wir gegen die Corona-Regeln verstoßen? Nein, der Zeitfenster-Verstoß ist kein Problem. Es geht auch so in den Bauch der Arena. Die Nationalhymne wird inbrünstig mitgesungen, es kann los gehen.

Das Spiel: Zugegebenermaßen war die Stimmung bei Deutschland-Spielen auch schon vor der Pandemie nicht immer die beste. Doch jetzt ist es im Stadion bis auf wenige Phasen, in denen der Fanblock »Steht auf, wenn ihr Deutsche« skandiert, äußerst ruhig. Teilweise sind sogar einzelne Zwischenrufe im ganzen Rund zu hören. »Jogi, wechseln. Bring den Sané rein«, fordert ein Fan lautstark. Seine Stimme durchbricht die Stille und vielleicht hat sie sogar Jogi Löw gehört, denn kurz darauf kommt Leroy Sané aufs Feld. Wie man auch mit wenigen Fans Stimmung machen kann, zeigen die mitgereisten Franzosen. Sie sind in der Unterzahl, aber lauter als die Heim-Fans.

Die Tickets sind einem Sitzplatz zugeordnet und zwischen den jeweils belegten Plätzen müssen mehrer Sitze, so will es die Abstandsregel, frei bleiben. Die deutschen Fans halten sich daran, bei den Gästen sieht das anders aus. Beim Eigentor von Mats Hummels drängen die Zuschauer zum Feiern zusammen und als der Abpfiff ertönt werden Abstandsregeln ebenfalls außer acht gelassen. Ein Regelverstoß, der sich in der Euphorie des Sieges wohl nicht verhindern lässt. Und es ist ja auch alles halb so schlimm, denn alle Zuschauer sind getestet, genesen oder geimpft. Ein Vorteil der wenigen Zuschauer: In der Halbzeit ist die Stadionwurst und das alkoholfreie Bier ohne lange Wartezeiten und Gedränge besorgt.

Nach dem Spiel: Deutschland hat verloren – Jubeltrauben gibt es dementsprechend nur im Gästeblock. Die Arena leert sich zügig und an dem Abend hat keiner Stress mit dem Nachhauseweg. Zuschauer, die schon fünf Minuten vor Abpfiff das Stadion verlassen, um dem Stau aus dem Weg zu gehen, gibt es heute nicht. Das ist schön, fühlt sich aber auch nicht normal an. Bis so ein Gefühl eintritt, müssen die Stadien schon wieder richtig voll sein. Der EM-Auftakt der Deutschen hat trotzdem einen Riesenspaß gemacht. Die Corona-Auflagen waren kein Problem – nur das Ergebnis passte nicht.

Nur mit einem der drei G's

Wie derzeit bei zahlreichen Kulturveranstaltungen gilt auch vor der Reise von Lahr nach München: Ohne einen negativen Corona-Test, einen Genesenen-Nachweis oder den Impfpass mit passendem Eintrag geht nichts. Ins Stadion darf bei der Europameisterschaft nur, wer einen der drei Nachweise vorlegen kann. Und: Die UEFA verlangt, dass ein negativer Test  in der Corona-Warn-App oder der Luca-App hinterlegt ist und vorgezeigt wird.