RSV-Infektion oder nicht: Hat ein Kind im ersten Lebensjahr starken nächtlichen Husten, sollten die Eltern einen Arzt aufsuchen. Foto: Klose

Eine vor allem unter Kleinkindern wütende Infektionskrankheit hat in den vergangenen Wochen Kinderkliniken im Südwesten an den Rand eines Versorgungsengpasses gebracht. Verantwortlich für die Atemwegserkranung ist das sogenannte RS-Virus. Der Lahrer Kinder- und Jugendmediziner Christof Wettach erklärt im Gespräch mit unserer Zeitung, wieso die Zahl der Erkrankten so hoch ist, wie die Infektionslage im Kreis ist und wie Eltern reagieren sollten.

Ortenau -

Herr Wettach, was ist RSV überhaupt?

RSV ist die Abkürzung für Respiratorisches Syncytial-Virus. Es handelt sich um ein Virus, das wie die Influenza jedes Jahr zwischen September und April wiederkehrt. Das Virus bewirkt an Zellen des Atemtraktes eine Verschmelzung von Zellen. Dies führt zu einer Entzündungsreaktion, die den Sauerstofftransport ins Blut behindert.

Wer erkrankt für gewöhnlich?

Alle Menschen kommen jeden Winter in Kontakt mit dem RS-Virus. Wir Erwachsenen bekommen davon Schnupfen, bei sehr kleinen Frühgeborenen – unter 1000 Gramm Geburtsgewicht oder früher als 28. Schwangerschaftswoche – gibt es zum Teil sehr schwere Verläufe mit sehr starkem Husten, Atemnot und Sauerstoffmangel. Auch Kinder mit angeborenen Herzfehlern haben ein hohes Risiko. In der Regel sind die Kinder, die stationär betreut werden müssen, unter zwei Jahren, bei älteren Kindern gab es in den letzten Jahren kaum schwere Verläufe.

Warum ist das in diesem Jahr anders?

Schon im Frühjahr 2021 gab es Berichte aus Australien, dass gehäuft schwere RS-Virus-Infektionen bei größeren Kindern auftreten und es wurde vermutet, dass dies auch bei uns passieren könnte. Als Ursache werden die sozialen Kontaktbeschränkungen und verstärkten Hygienemaßnahmen der letzten 22 Monate angesehen. Dadurch sind praktisch zwei RS-Virus-Saisons ausgefallen.

Und wie wirkt sich das aus?

Durch die fehlende Immunstimulation – "Booster" – durch den jährlichen Viruskontakt sind in diesem Herbst auch Kinder im Kindergartenalter häufiger als üblich betroffen. Dies führte zur starken Belegung der Kinderkliniken im ganzen Land.

Auch in der Ortenau?

Für den Ortenaukreis lässt sich sagen, dass die Zahlen deutlich höher waren als in den Jahren vor Corona, dass aber bei keinem Kind eine Beatmung nötig war.

Wie gefährlich ist RSV?

Für die eigentlichen Risikogruppen Extremfrühgeborene und Kinder mit Herzfehlern ist die Erkrankung durchaus gefährlich und die Notwendigkeit einer Beatmung keine Seltenheit. Um das Risiko zu verkleinern, erhalten Kinder der Risikogruppen in der RSV-Saison alle vier Wochen RSV-Antikörper in den Oberschenkel gespritzt. Eine Impfung, die die körpereigene Abwehr zur Bildung von Antikörpern anregt, gibt es nicht.

Was sind die Behandlungsmöglichkeiten?

Eine ursächliche Behandlungsmöglichkeit gibt es, wie bei anderen Virusinfekten, auch bei RSV nicht. Es werden die Symptome behandelt: Sauerstoffgabe, Kortison, gegebenenfalls Atemhilfe oder Beatmung.

Wie erkennen Eltern, dass ihr Kind erkrankt ist?

Die Kinder haben starken Husten und offensichtlich Atemnot – stöhnende Atmung, Einziehungen der Muskeln am Brustkorb, Trinkschwäche, starken Husten in der Nacht.

Was sollten Eltern tun, die vermuten, ihr Kind sei erkrankt?

Im Säuglingsalter –  also im ersten Lebensjahr –  sollten alle Kinder, die starken nächtlichen Husten haben, immer dem betreuenden Kinder- und Jugendarzt oder Hausarzt vorgestellt werden. RS-Viren können vom Schnupfen bis zur schweren Atemnot alle Symptome von Luftwegsinfekten verursachen. Wichtig ist es, die schweren Fälle herauszufinden. Diese Kinder sind so offensichtlich schwerer krank als bei einem normalen Luftwegsinfekt, dass ich noch nie erlebt habe, dass Eltern übersehen, dass hier Handlungsbedarf besteht. Grundsätzlich gilt die Regel: "Alle Krankheiten, die anders verlaufen, als ich es mir als Eltern vorgestellt habe, müssen beim Arzt vorgestellt werden."

Können Sie sagen, wie die Situation in den Praxen aktuell ist?

In den letzten sieben Tagen scheint sich die Lage bezüglich RS-Virusinfektionen in den Praxen aber auch in der Kinderklinik zu beruhigen, wobei die Saison sicherlich bis April weitergehen wird. Ein Grund, weiter wachsam zu sein.