"Mord unterbrach Olympische Spiele", titelte unsere Zeitung am 6. September 1972. Bei Traudel Bothor und Dieter Binner weckte der Blick in den alten Zeitungsband bei ihrem Besuch in der Redaktion viele Erinnerungen. Foto: Herbert Schabel

50 Jahre sind eine lange Zeit, doch bei Traudel Bothor und Dieter Binner ist die Erinnerung an den 5. September 1972 – der Tag des Olympia-Attentats – sehr lebendig. Beide waren damals in München, Bothor hat sogar einen der Terroristen gesehen.

Lahr/München – Zum Gespräch in der LZ-Redaktion hat Bothor Erinnerungsstücke an die Spiele von München mitgebracht: Eintrittskarten, ein Schwarz-Weiß-Foto vom vollen Olympiastadion, das ihr Mann damals machte, außerdem eine 50 Jahre alte Postkarte, auf der das olympische Dorf zu sehen ist. Bothor zeigt auf dem Bild, wo sie sich befand, als die Geiselnahme israelischer Sportler durch palästinensische Attentäter die Spiele stillstehen ließ.

Die Lahrerin war damals 40 Jahre alt, Lehrerin am Max-Planck-Gymnasium und bereits Abteilungsleiterin der Ryhthmischen Sportgymnastik beim TV Lahr. Auf Olympia im eigenen Land habe sie sich sehr gefreut, erzählt sie.

Freude und Leichtigkeit waren plötzlich vorbei

Zehn Tage lang hatte München seit dem 26. August 1972 die Welt begeistert mit Olympischen Sommerspielen, wie es sie ähnlich offen und fröhlich zuvor nicht gegeben hatte. Doch dann waren, am frühen Morgen jenes Dienstags, 5. September 1972, die Freude und Leichtigkeit auf einen Schlag vorbei.

Erst am Tag vor dem Attentat sei sie in München angekommen, erzählt Bothor. Als sie die Nachricht "Anschlag im Olympischen Dorf!" gehört habe, sei sie hingefahren, um sich zu informieren. Ein Attentäter habe sich – vermummt mit einer Sturmmaske – auf einem Balkon gezeigt, "der war gut zu sehen", so Bothor. Polizisten habe sie nicht ausmachen können.

Tatsächlich waren die sichtbaren Sicherheitsvorkehrungen so weit wie möglich reduziert worden. Die Bundesrepublik hatte sich als ziviles Land präsentieren wollen. Keine Polizeiuniform sollte im olympischen Dorf zu sehen sein. Ein ziviler, unbewaffneter Ordnungsdienst sollte für Ruhe sorgen.

In München herrschte eine wunderbare Stimmung

Im Verlauf des Tages seien dann aber immer mehr Polizisten und gepanzerte Fahrzeuge aufgetaucht, so Bothor.

Dieter Binner, damals 32 Jahre alt und Stadtoberinspektor bei der Stadt Lahr sowie Leichtathletik-Abteilungsleiter beim TV Lahr, war bereits einige Tage zuvor angereist und hatte schon einige Wettkämpfe gesehen. Es sei eine wunderbare Stimmung in der Stadt gewesen.

Über das Attentat sagt Binner, dass zunächst niemand dieses Geschehen richtig habe begreifen können. Bothor stimmt zu, sagt, dass ihr zehnjähriger Sohn Peter, der damals in München dabei war, das Wort Terrorist zuvor gar nicht gekannt habe.

"Fest des Friedens" konnte nicht zerstört werden

Als tags darauf die volle Dimension des Schreckens bekannt wurde – am Ende hatten die Terrorristen elf Israelis ermordet, außerdem starb ein deutscher Polizist – seien sie bestürzt und traurig gewesen, so Bothor und Binner. Doch beide betonen, dass es richtig gewesen sei, die Spiele fortzusetzen, "die Sportler konnten ja nichts dafür".

Sie heben hervor, dass es dem Terrorkommando nicht gelungen sei, die als Fest des Friedens gedachte Veranstaltung zu zerstören. Sowohl Bothor als auch Binner sahen danach noch mehrere Wettkämpfe, erlebten legendäre Erfolge deutscher Sportler.