Im Stuttgarter Landgerichtsgebäude wurde das Verfahren gegen Thomas Seitz in zweiter Instanz aufgerollt. Ein Urteil folgt erst in zwei Wochen.   Foto: Braun

Lahr/Stuttgart - Der Lahrer Bundestagsabgeordnete Thomas Seitz (AfD, 53) hat Hoffnung, seinen Status als Beamter und Pensionszahlungen behalten zu können. In zweiter Instanz klagte er vor dem Dienstgerichtshof für Richter in Stuttgart gegen seinen Rauswurf.

Der Fall zieht sich seit gut fünf Jahren schon – wie Kaugummi

Am Donnerstag gab es nach kurzer Sitzung in Stuttgart noch kein Urteil. Der Dienstgerichtshof behandelte den Streit zwischen dem Land Baden-Württemberg und Thomas Seitz in nur einer Stunde. Argumente wurden nochmals ausgetauscht, Meinungen bekräftigt, Stimmung gemacht. Nun wird die Kammer beratschlagen und das Urteil dann in zwei Wochen bekanntgeben.

Man muss sechs Jahre zurückblenden, um diesen Rechtsstreit zu verstehen, der sich wie ein Kaugummi zieht und zieht und zieht. Ende 2015 ist Thomas Seitz Staatsanwalt in Freiburg und dort zuständig für Verkehrsrecht. Zugleich ist er aktiver Politiker der AfD, zu der er bereits 2013 stieß.

AfD-Mann beruft  sich auf die Meinungsfreiheit

Seitz kandidiert für den Stuttgarter Landtag und macht lautstark Wahlkampf, vor allem im Internet. Auf seiner Homepage und auf Facebook ledert der Politiker kräftig ab. Es geht um rechte Hetze, Anfeindungen gegen Flüchtlinge, Angriffe auf andere Politiker, die Justiz und den Staat. Der AfD-Mann beruft sich auf Meinungsfreiheit. Bei der Landtagswahl schrammt er haarscharf am Einzug in den Landtag vorbei und bleibt Staatsanwalt.

Fast zwei Dutzend Strafverteidiger aus dem Raum Freiburg protestieren im März 2016 gegen Seitz bei der Staatsanwaltschaft. Der AfD-Mann sei als Anwalt des Staates nicht mehr unvoreingenommen. Die Behörde sieht ebenfalls Verstöße, sammelt reichlich Material und reicht dieses ans Stuttgarter Justizministerium weiter. Justizminister Guido Wolf (CDU) bringt 2017 eine Disziplinarklage gegen Seitz ins Rollen. Seitz habe sein Amt als Staatsanwalt in unerlaubter Weise mit politischen Äußerungen und Darstellungen verquickt, er sei nicht länger tragbar.

Seitz schafft es unterdessen, 2017 für die AfD in den Bundestag einzuziehen. Seine politischen Äußerungen und Online-Postings werden kaum milder, der Berufspolitiker wird vielmehr dem stramm rechten Bereich der AfD zugerechnet.

Richterdienstgericht in Karlsruhe entscheidet gegen Seitz 

2018 ergeht dann das erste Urteil. Es ist vernichtend. Das Richterdienstgericht in Karlsruhe watscht den Ex-Staatsanwalt regelrecht ab. Seitz habe seine Pflicht zur Verfassungstreue verletzt, auch seine beamtenrechtliche Pflicht zur Mäßigung. Durch seine Äußerungen sei das Vertrauen in die Staatsanwaltschaft als Garant für Rechtsstaatlichkeit erschüttert worden.

Für die Karlsruher Richter ist klar: Seitz wird sich nicht mäßigen, sondern so weitermachen wie in den vergangenen Jahren. Das sei für das Land als Dienstherrn nicht tragbar. Die Konsequenz: Seitz wird der Beamtenstatus entzogen, er verliert seine Ansprüche auf die üppige Beamtenpension im Ruhestand. Sollte der 53-Jährige aus dem Bundestag scheiden, könnte er nicht mehr zurück auf seinen Staatsanwaltssessel. Und die gestrichenen Altersbezüge täten schmerzlich weh. Da geht es um viel Geld, räumte Seitz gegenüber unserer Zeitung einst ein.

Seitz kämpft weiter, legt Berufung ein. Der Bundestag hebt 2020 seine Immunität auf, damit das Verfahren in nächster Instanz weitergehen kann, vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht, beim Dienstgerichtshof für Richter.

Das Verfahren gegen den Lahrer AfD-Mann wird an diesem Donnerstag in Saal 153 erneut aufgerollt. Zusammen kommt der Dienstgerichtshof beim Oberlandesgericht Stuttgart, mit dem Vorsitzenden Richter Richard Rudisile und vier Besitzern, allesamt Juristen. Kaum jemand weiß von diesem Termin, die Presseplätze bleiben bis auf einen leer.

Der erste Auftritt des AfD-Abgeordneten nach seinem Coronafall

Thomas Seitz erscheint überpünktlich vor dem Gerichtssaal, begleitet von seinem Anwalt Falk Rodig. Es ist einer seiner ersten öffentlichen Auftritte nach seiner lebensbedrohlichen Coronaerkrankung, die er über den Jahreswechsel durchlitt und dabei dem Tod nur knapp von der Schippe sprang, wie er nach seiner Entlassung aus dem Lahrer Krankenhaus wissen ließ. Eine Erholungszeit im Schwarzwald schloss sich an.

Seitz hat durch seine Erkrankung merklich abgenommen. Er wirkt hagerer, sein Sakko schlackert weit. Im Gerichtssaal herrscht Maskenpflicht und Seitz hält sich daran. Keine Debatten, wie voriges Jahr noch in der Sitzung des Bundestages. Begleitet wird er von seiner Frau.

Die Verhandlung läuft zack-zack. Kein Wunder: Die Argumente beider Seiten sind längst ausgetauscht, in ellenlangen Papieren. Das Land pocht darauf: Seitz hat sich rassistisch geäußert, ist und bleibt untragbar, es fordert erneut die Höchststrafe: den Rauswurf als Beamter.

Seitz betont: "Ich bin kein Rassist" 

Seitz hingegen betont: "Ich bin kein Rassist!" Er sei gar mit Migranten befreundet. Er sei auch kein Feind der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. In seiner Ehre fühle er sich angegriffen, wenn man ihm vorwerfe, als Staatsanwalt nicht neutral zu arbeiten. Tatsächlich sei Seitz disziplinarisch nicht vorbestraft, stellt der Vorsitzende Richter an diesem Donnerstag in Stuttgart fest.

Seitz’ Anwalt Falk Rodin erklärt scharf, das Justizministerium argumentiere "politisch und nicht juristisch". Was die Vertreter des Landes weit von sich weisen und darauf pochen, dass Seitz "wiederholt und beharrlich" gegen Beamtenrecht verstoßen habe und sein Amt deshalb nicht weiterführen könne.

Wer nun Recht bekommt? Bleibt weitere zwei Wochen offen. Thomas Seitz jedenfalls hofft auf ein milderes Urteil in dieser Instanz. "Härter kann es ja nicht werden", erklärt er auf Nachfrage gegenüber dem Reporter der Lahrer Zeitung.

So geht's jetzt weiter 

Der Dienstgerichtshof urteilt in den kommenden zwei Wochen. Einen ersten Tenor soll es etwa gegen Ostern geben. Die umfangreiche schriftliche Begründung werde dann weitere Zeit in Anspruch nehmen, kündigte der Richter an. Und Seitz hatte bereits erklärt, notfalls eine Instanz weiter zu ziehen, falls er auch in Stuttgart unterliege.