"Eine Stadt, in der es sich sehr gut leben lässt": OB Markus und die "Vision Lahr 2030"Foto: Braun Foto: Lahrer Zeitung

Ein-Jahres-Bilanz: Lahrs Oberbürgermeister spricht über Corona, Zukunftspläne und die Zusammenarbeit mit Gemeinderat und Bürgermeistern

Lahr -Markus Ibert sitzt seit dem 1. November 2019 auf dem Chefsessel des Lahrer Rathauses. Im Interview sagt der 53-Jährige, wie er sein erstes Jahr als OB erlebt hat, wie die Zusammenarbeit mit Gemeinderat und Verwaltung läuft, welche Pläne er mit der Stadt hat und warum er trotz Corona optimistisch in die Zukunft schaut.

Herr Ibert, ein Jahr Oberbürgermeister von Lahr – fühlen Sie sich in Ihrem Amt wohl?

Ja.

Das kam schnell und deutlich.

Weil es genau so ist. Es ist eine spannende, herausfordernde Aufgabe, die mir sehr viel Freude bereitet. Ich kenne die Verwaltung gut, war zwölf Jahre Abteilungsleiter bei der Stadt, bevor ich 2005 IGZ-Geschäftsführer wurde. Es gab bislang nichts, was ich komplett anders erwartet hätte.

Lässt Ihnen Ihre Arbeit noch ausreichend Zeit für Familie und Hobbys?

Tatsächlich, ja. Seit einiger Zeit fallen ja viele Termine aus, da bleibt dann am Wochenende mehr Raum für Privates als gedacht. Und ich jogge regelmäßig, so zwei, drei Mal die Woche. Den Weg von Wallburg nach Lahr kenne ich schon sehr gut.

Was machen die Umzugsplanungen?

Die laufen und ich hoffe, bald Vollzug melden zu können. Allerdings musste ich mit meiner Familie feststellen, dass es nicht so einfach ist, ein Haus oder einen Bauplatz in Lahr zu finden. Wir sind offen, sind nicht auf die Kernstadt oder einen Stadtteil festgelegt.

Da sind wir schon mitten in Ihren Kernthemen.

Richtig, bei einem von vielen. Es gibt nach der Konversion und der Landesgartenschau nicht das eine Lahrer Mega-Thema. Wir müssen keine Kehrtwende machen, sondern brauchen eine Leitplanke. Deshalb habe ich bei meiner Neujahrsrede bewusst ein breites Aufgabengebiet abgesteckt: Energie und Klima, Mobilität, Digitalisierung, Bildung und Soziales, und eben das Wohnen. Mir war es wichtig, im Gemeinderat einen Grundkonsens zu erzeugen.

Ist es Ihnen gelungen?

Es ist uns gemeinsam gelungen. Die Gemeinderatsklausur dazu vor zwei Wochen war ein Erfolg, in allen Bereichen konnten fraktionsübergreifend gemeinsame Leitplanken erarbeitet werden. Wir haben die Vision Lahr 2030 entwickelt – und ein Bild von einer Stadt gezeichnet, in der es sich auch in Zukunft sehr gut leben lässt, denke ich.

Wie bewerten Sie grundsätzlich die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat?

Die ist gut. Sie zielen aber wahrscheinlich darauf ab, dass wir viel diskutieren.

Richtig erkannt.

Grundsätzlich verfolge ich das Ziel, dass Entscheidungen von möglichst breiten Mehrheiten getragen werden. Mein Standpunkt dazu: Die Diskussionskultur ist wichtig, unser Austausch ist offen und transparent.

… und mitunter lang. Muss ein OB nicht auch mal auf den Tisch hauen?

Doch, aber nicht immer öffentlich. Ich denke, wir werden in Zukunft ein gutes Maß finden. Man muss dabei auch bedenken, dass es nach der Kommunalwahl zwei Fraktionen mehr im Gemeinderat gibt. An dieser Stelle will ich betonen, dass wir die wirklich wichtigen Entscheidungen in diesem Jahr mit klaren Mehrheiten beschlossen haben: die Parkplätze beim Haus am See und die Trassenwahl für die neue Kreisstraße. Bei beiden Beschlüssen gab es deutliche Voten für das jeweilige Vorhaben.

Wie sieht es in der Verwaltung aus?

Ich habe gleich nach meinem Amtsantritt alle Abteilungen, Ämter und Einrichtungen besucht, das waren bestimmt 30 Gespräche. Ich habe reingehört, wollte sehen, wie es läuft, wo der Schuh drückt. Auch in der Verwaltung, die übrigens auf einem sehr hohen Niveau arbeitet, war lange die LGS das bestimmende Thema.

Auch da findet jetzt eine Neuorientierung statt. Dabei stehen immer die Bürger im Mittelpunkt. Ein Stichwort ist die digitale Verwaltung. Wir sind auf einem guten Weg, aber natürlich ist die Strecke noch länger.

Gilt das auch beim Miteinander mit ihren Bürgermeistern Tilman Petters und Guido Schöneboom?

Wir sind in der Findungsphase, aber schon weit gekommen, wirklich sehr weit. Ich bin froh um die Kompetenz, die meine beiden Kollegen über die Jahre erworben haben und wäre schlecht beraten, würde ich mir ihren profunden Rat nicht holen. Ich denke, wir sind ein gutes Dreier-Team und ergänzen uns sehr gut in der Fach- und Gesamtverantwortung.

Ein Thema hat Ihr erstes Jahr als OB unfreiwillig dominiert: Corona. Macht Ihnen die Pandemie Angst?

Angst ist ein schlechter Berater. Ich setze auf Fakten und ein verantwortungsbewusstes, zielgerichtetes Handeln. Ich bin froh, dass wir in Deutschland leben. Wir haben im ganzen Land und speziell hier im Ortenaukreis die erste Welle gut gemeistert. Das macht mich in dieser jetzt erneut schwierigen Phase zuversichtlich, auch wenn die Belastung für uns alle sehr hoch ist.

Wir müssen auf unseren sozialen Kitt achtgeben – und die Orte der Begegnung für die Zeit nach der Pandemie stärken. Ich denke da an die Belastungen, die die vielen Vereine und kulturellen Orte zu tragen haben. Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich um jeden Tag froh bin, an dem es im Kreis der Familie und Freunde und auch in der Verwaltung keinen Corona-Fall gibt.

Rechnen Sie mit einer Pleitewelle?

Wir tun als Stadt, was wir können, unsere Betriebe zu unterstützen, etwa mit einer großzügigen Genehmigungspraxis und dem Handlungspaket Innenstadt. Doch unser Spielraum ist begrenzt, wir können nicht einfach die Schatulle aufmachen. Noch kann sich der absolute Großteil der Unternehmen über Wasser halten, die Probleme werden aber wohl kommen, wenn Kurzarbeit, Bundes- und Landeshilfen auslaufen.

Umso mehr müssen wir künftig in Lahr unser großes wirtschaftliches Potenzial nutzen, etwa auf dem Flughafen-Gelände. Dort gibt es Firmen, die nach wie vor hohe Gewerbesteuern zahlen. Wie sich die zweite Welle auswirkt, kann keiner von uns seriös abschätzen.

Jedenfalls trägt die Krise kaum zur Konsolidierung des Stadtetats bei. Sind Projekte gefährdet?

Schon bei meinem Amtsantritt, also vor Corona, war der Rücklagenspeicher weitgehend geräumt. Eine der größten Herausforderungen ist die Eigenfinanzierung. Bedeutet: Wie schaffen wir es, aus dem normalen Betrieb so viele Mittel zu erwirtschaften, um die Investitionen selbst zu stemmen.

Dabei kommt es nicht nur darauf an, Ausgaben zu reduzieren, sondern auch die Einnahmensituation zu verbessern. Das geht nur durch wirtschaftliche Prosperität, durch Wertschöpfung vor Ort, also über Arbeitsplätze. 

Zur Person

Markus Ibert (parteilos) setzte sich bei der Lahrer OB-Wahl im vergangenen Jahr im zweiten Wahlgang mit 55 Prozent der Stimmen gegen Christine Buchheit (Grüne) durch. Nach seinem Studium zum Verwaltungswirt in Kehl war er von 1993 bis 2004 zunächst Abteilungsleiter bei der Stadtkämmerei Lahr, bevor er 2005 Verbandsdirektor des interkommunalen Zweckverbands IGP und Geschäftsführer der IGZ Raum Lahr GmbH wurde. Ibert, Jahrgang 1967, lebt mit seiner Frau Marion und seinen drei Kindern (13, 18, 21) in seinem Heimatort Wallburg.

Für seine Schwerpunkt-Themen hat Lahrs Oberbürgermeister Markus Ibert einige Ziele gesetzt – und sich Wege überlegt, diese zu erreichen. Freilich stehen demnächst auch wichtige Pflichtaufgaben an.

Das ist die OB-Agenda

LGS-Abrechnung: "Die Schlussabrechnung liegt uns bereits vor", sagt Ibert. Nach einigen Kostensteigerungen in der Vergangenheit würden "keine bösen Überraschungen" dazukommen. Nichtöffentlich soll die Bilanz am kommenden Montag im Haupt- und Personalausschuss vorberaten werden, am 16. November dann dem Gemeinderat vorgelegt werden. Zudem rechnet Ibert "in Kürze mit dem Beweissicherungsgutachten", das zeigen soll, worin die Ursache für das Leck im LGS-See liegt.

Flugplatz: Größere Ansiedlungen sind laut Ibert derzeit nicht in Aussicht: "Während Corona waren die Nachfragen sehr überschaubar." Man sei in dieser Zeit "schon froh, keine schlechten Nachrichten" der Bestandsfirmen zu erhalten.

Klinikum: Der geplante Aus- und Umbau des Lahrer Krankenhauses soll künftig nicht nur von einer Baukommission, sondern auch von einem Projektgremium vor Ort begleitet werden. "Darin sollen neben Klinikum und Stadtverwaltung zum Beispiel auch Anwohner sitzen", sagt Ibert.

Fünf-Minuten-Quartiere: Bis zum Jahr 2025 sollen laut Ibert mehr als 1700 neue Wohneinheiten in der Stadt entstehen, "eine enorme Zahl". Künftig schweben dem OB "Fünf-Minuten-Quartiere" vor, gerne auch CO2-neutral. "Innerhalb von fünf Minuten müssen zu Fuß oder mit dem Rad die Nahversorgung beziehungsweise der ÖPNV zu erreichen sein." Potenzial für solche Wohngebiete sieht Ibert in Mietersheim und in der Flugplatzstraße.

Fachkonferenzen: Zukunftsthemen der Stadt sollen auch außerhalb des Sitzungsturnus des Gemeinderats behandelt werden. Ibert schweben Fachkonferenzen vor, wie er sagt, "um frei und ohne Entscheidungsdruck über einzelne Punkte diskutieren zu können".

Das sei auch für den Gemeinderat wichtig, dem die Kommunalwahl im vergangenen Jahr ein frisches Gesicht gegeben hat. 2021 soll dieses neue Format für die Themen Wirtschaft, Kultur und Innenstadt genutzt werden.