Lahr - Es sind ungeheuerlich klingende Vorwürfe, die das Erzbischöfliche Ordinariat Freiburg in einem mehrseitigen Papier am Mittwoch veröffentlicht: Ein Geistlicher aus der Erzdiözese Freiburg soll wegen zahlreicher mutmaßlichen Straftaten zur Rechenschaft gezogen werden. Es geht um den Verdacht des Betrugs, um Untreue und persönliche Bereicherung in noch unbekannter Höhe.

Bislang gehen die Ermittler von einem sechsstelligen Betrag aus, der aus Kassen von Kirchengemeinde, Caritasverband und einer Ordensgemeinschaft verschwunden ist. Kurz bevor die Bombe öffentlich platzt, wird der Geistliche festgenommen und in Untersuchungshaft gesteckt. Es habe Verdunklungs- und Fluchtgefahr bestanden, heißt es. Nach Informationen unserer Zeitung stammt der Geistliche (53) aus Lahr im Ortenaukreis. Er ist bereits seit September krankheitsbedingt von seinen kirchlichen Aufgaben entbunden.

Schon vor zwei Jahren wurde die Erzdiözese Freiburg hellhörig, schreibt ihr Sprecher Michael Hertl in der detaillierten Zusammenfassung zu dem heftigen Fall. "Hinweise auf Fehlverhalten" seien seinerzeit eingegangen, und es habe der Verdacht bestanden, dass sich der Geistliche möglicherweise persönlich an Kirchengeldern bereichert habe. Der Rechnungshof der Erzdiözese hatte das Dekanat und weitere Rechtsträger anschließend überprüft, um diesem möglichen Fehlverhalten auf die Spur zu kommen. Die Prüfung begann Anfang 2016.

Gespräche zwischen Kirchenleitung und Verdächtigem scheiterten

Offenbar hatte die Kirchenleitung zuvor schon versucht, mit dem Mann zu reden. Doch diese Gespräche seien gescheitert, berichtet die Erzdiözese. "Daraufhin wurde dem ehemaligen Dekan formal ein Verweis erteilt und die Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeiten unter Strafandrohung verboten", schildert die Erzdiözese. Um welche Art von Tätigkeiten es sich bei diesen Geschäften handelte, blieb zunächst offen. Der Rechnungshof der Erzdiözese untersuchte den Fall eingehend. Noch bevor der Abschlussbericht dieser Untersuchung auf dem Tisch lag, wurde den Prüfern die Brisanz dieses Falls deutlich. Schon die ersten Ergebnisse, die vom Freiburger Rechnungshof als Entwurf Ende Oktober zusammengestellt wurden, machten aus Sicht der Kirchenoberen ein schnelles Handeln nötig.

Im November beauftragte Erzbischof Stephan Burger eine Einsatzgruppe damit, den Fall weiter aufzuklären und darüber hinaus mit der Staatsanwaltschaft zu kooperieren. "Diese Taskforce besteht aus Juristen und Risikomanagern und wird von Beratern einer unabhängigen, international tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unterstützt", berichtet die Kirchenverwaltung in ihrer Mitteilung.

Dann wurden die Verdachtsmomente offenbar so erdrückend, dass die Erzdiözese nicht mehr darum herumkam, ihr Schäfchen selbst anzuzeigen. Die Staatsanwaltschaft Mannheim, im Land zuständig für die Aufklärung von Wirtschaftsstraftaten, übernahm den Fall. Sie ließ am Dienstag dieser Woche unter anderem die Diensträume des Beschuldigten von Ermittlern durchsuchen. Dabei wurde laut Staatsanwaltschaft Beweismaterial sichergestellt. Das Amtsgericht Mannheim erließ noch am Mittwoch gegen den Mann Haftbefehl wegen Verdunkelungs- und Fluchtgefahr. Polizisten nahmen den Mann fest; er sitzt jetzt in Untersuchungshaft.

Die staatlichen Ermittler rollen den Fall nun auf und ermitteln weiter, kündigt die Staatsanwaltschaft an. Sie dürften einiges zu tun haben. Denn was die Erzdiözese auflistet, liest sich schon jetzt wie ein Wirtschaftskrimi.

Beschuldigter soll Kontrollstrukturen umgangen haben

"Nach bisherigen Erkenntnissen der internen Untersuchungen hat der Beschuldigte vermutlich zu seinem eigenen Vorteil gehandelt. Es wird vermutet, dass er zu diesem Zweck die vorhandenen Kontrollstrukturen beeinflusst beziehungsweise umgangen hat. Das Erzbistum hat Hinweise darauf, dass er dies offenbar nutzte, um Scheinrechnungen sowie potenziell unrechtmäßige Honorare für Beratungstätigkeiten zu stellen, Rechnungen für eine eigene Firma weiterzuleiten und begleichen zu lassen, Belege falsch oder gar nicht zuzuordnen, sowie persönliche Einrichtungsgegenstände von kirchlichen Stellen bezahlen zu lassen.
Es bestehen demnach "starke Anhaltspunkte für Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, Betrug und Steuerhinterziehung", bilanziert die Kirchenverwaltung in ihrer Presse-Erklärung.

Dadurch, so Freiburg weiter, seien "kirchlichen Einrichtungen, darunter dem Caritasverband, einem Ordenskonvent, der Sozialstation und der Kirchengemeinde, finanzielle Schäden entstanden". Die Schäden könnten aktuell noch nicht beziffert werden. Die Staatsanwaltschaft geht allerdings von einem sechsstelligen Betrag aus.

Erzbischof Burger hat alle Kirchenstellen angewiesen, "konsequent und transparent vorzugehen und bedingungslos mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten", heißt es. "Ich bin erschüttert über das Maß an krimineller Energie, das sich hier abzeichnet, und es tut mir in der Seele weh, dass ein Priester mutmaßlich kirchliche Institutionen geschädigt hat", sagt der Freiburger Erzbischof. Daher greife er "mit harter Hand durch".

Info: Erzbistum Freiburg hat reichlich Sorgen

Der Fall eines mutmaßlich hochgradig kriminellen Geistlichen bringt die Erzdiözese Freiburg erneut ins Schwitzen. Sie kämpft derzeit bereits mit erheblichen finanziellen Problemen, weil sie Sozialabgaben über Jahre hinweg nicht ordnungsgemäß abgeführt haben soll. Nun droht der Kirchenverwaltung eine enorme Nachzahlung. Vorsorglich hat das Bistum 160 Millionen Euro für mögliche Forderungen eingeplant.

Erzbischof Stephan Burger geht offen mit beiden Fällen um. Seit seinem Amtsantritt drängt er darauf, dass die Kirchen-Insitutionen ihre Prüf- und Kontrollaufgaben konsequent wahrnehmen. Burger, in dessen Freiburger Bistum rund 1,9 Millionen Katholiken leben, will seine Kirchenverwaltung nach modernen Management-Prinzipien lenken. Er arbeitet deshalb an einer Neuausrichtung der kirchlichen Organisation und ihrer Strukturen.