Theater: Neu-Inszenierung von "Figaros Hochzeit" stellt aktuelle Bezüge her / Klamauk erstickt die Botschaft
Lahr - Es geht um Machtstrukturen, Abhängigkeit, Freiheit und den Mut, sich aus festen Strukturen zu lösen. Die Neu-Inszenierung von Beaumarchais’ "Figaros Hochzeit" war im Parktheater zu sehen.
Die Theaterbedingungen wurden an Corona-Zeiten angepasst
Das "Neue Globe Theater Potsdam" präsentierte am Mittwoch im Parktheater das Stück "Der tollste Tag oder Figaros Hochzeit". Das Theater landete mit Peter Turrinis Bearbeitung von Beaumarchais Komödie viel zu oft im Klamauk. Etwas mehr Zurückhaltung und Wortwitz hätte der Vorstellung im Parktheater gutgetan.
Keine Frage, das Ensemble spielte gut, engagiert und temperamentvoll, landete zwischendurch aber immer wieder im Dunstkreis einer spritzigen, frivolen Revue. Es kokettierte mit aktuellen Bezügen, insbesondere mit den Ansätzen des Hashtags "MeToo". Der Graf Almaviva wird in die Nähe von sex- und machtbesessenen alten Männern wie Harvey Weinstein gerückt, die Figur weist auch eine gewissen Nähe zu Donald Trump auf.
Es ging um viele Intrigen, um die Liebe und das adlige Recht der ersten Nacht. Ein inszenierter Gerichtsprozess, der als Farce endete, bei dem das Urteil vorher schon feststand.
Im Gegensatz zu Pierre-Augustin Caron Beaumarchais, der in seinem Stück im vorrevolutionären Frankreich des ausgehenden 18. Jahrhunderts gepfefferte Kritik übt, am Ende aber alles entwirrt und in Wohlgefallen auflöst, besiegelt die Bearbeitung von Peter Turrini mit einem tödlichen Schuss das Schicksal des sextollen Grafen mit der Reitgerte. Der Despot ist tot, das Ensemble stimmt als Abgesang ein revolutionär aufbereitetes Lied auf die Liebe an.
Die bereits im vergangenen Winter entwickelte Inszenierung von Kai Friedrich Schrickel und Andreas Erfurth, den beiden Gründervätern des Potsdamer Tourneetheaters, wurde im Frühsommer an die Theaterbedingungen in Zeiten von Corona angepasst.
Tänze und Lieder geben dem Stück Würze
Das Ensemble agiert mit Abstand in der kargen Kulisse eines variablen Himmelbetts. Es würzt sein überdrehtes, immer wieder in Klamauk abdriftendes Spiel mit Tanzeinlagen und Songs und hält das Tempo hoch.
Der von Peter Turrini eingearbeitete Geist der sexuellen Befreiung, die bereits zu Shakespeares Zeiten auf der Bühne gepflegte Vermischung der Geschlechterrollen, manifestieren sich in einer Verwechslungskomödie, in der sich im Grunde alles um Sex dreht und das hohe Lied der Liebe nur von Figaro (Laurenz Wiegand) und seiner Braut Susanne (Magdalena Thalmann) mit Inbrunst gesungen wird.
Kai Friedrich Schrickel schlüpft in die Rolle des sexbesessenen Grafen, Andreas Erfurth mimt die alternde Schlossbewohnerin Marcelline, die Figaro in eine Ehe mit ihr zwingen will. Die liebestolle Gräfin Almaviva wird von Rike Joening verkörpert. Martin Radecke, Maxim Agné und Marius Mik als Cherubin vervollständigen die Schauspieltruppe.
Die von Beaumarchais formulierte, von Turrini erneuerte Gesellschaftskritik ist durchaus erkennbar und gegenwärtig. Sie verblasst aber viel zu oft hinter schräger Situationskomik, einer Mischung aus Klamauk und Volkstheater, die den schnellen Lacher befeuert, viel zu oft den szenischen Tumult und das Vordergründige der Posse befördert. Etwas weniger wäre mehr gewesen, auch wenn das Lahrer Publikum wieder einmal reichlich zu lachen hatte.
Als Fortsetzung des "Barbiers von Sevilla" schreibt Beaumarchais 1778 seinen Figaro in fünf Akten, die Mozart als Vorlage für seine Oper diente. Die Liebeswirren um Figaro, der die Zofe Susanne heiraten möchte, die wiederum von dem Grafen begehrt wird, bilden die Konfrontation der Stände des "Ancien Régime" in der Zeit vor der französischen Revolution ab.