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Bildung: Sozialarbeiterin Stefanie Augenstein spricht über ihre Arbeit

Seelbach - Der direkte Austausch mit Schülern war durch monatelangen Fernunterricht nur eingeschränkt möglich. Stefanie Augenstein berichtet, inwiefern die Pandemie ihre Arbeit als Schulsozialarbeiterin am Geroldsecker Bildungszentrum verändert hat.

"Die Schulsozialarbeit musste ich im vergangen Jahr täglich neu erfinden", erzählt Stefanie Augenstein. Für Schüler, Eltern, andere Erziehungsberechtigte und Lehrkräfte ist sie am Gerodlsecker Bildungszentrum in Seelbach unabhängige Ansprechpartnerin.

Wenn auch die meisten Schüler die Zeit mit Fernunterricht gut weggesteckt hätten, waren einzelne, kaum ging der Fernunterricht los, nicht mehr erreichbar. "Sie waren nicht im Online-Unterricht oder haben ihre Aufgaben nicht abgegeben", so die Sozialarbeiterin. Teilweise seien auch die Lehrer auf sie zugekommen, sobald die Abwesenheit eines Schülers auffiel.

Im Laufe des Jahres musste Augenstein immer wieder neu ansetzen und neue Strategien entwickeln, um auf die individuellen Bedürfnisse jener Schüler, die mit dem Fernunterricht nicht zurecht kamen, einzugehen. Gerade in der Pandemie-Zeit sei es darum gegangen, den Einzelnen ganz individuell zu begleiten, "zu analysieren, wo es gerade hapert", um dann Ideen für Unterstützung zu entwickeln.

Notbetreuung war eine wertvolle Hilfe

Gerade unter jenen Schülern, bei denen sich ein Familienmitglied mit Corona infizierte, gab es einige, die "psychisch auch wirklich gelitten haben". Ängste und Traumata seien dabei entstanden, berichtet Augenstein. Betroffene Schüler mussten teilweise auch an spezialisierte Beratungseinrichtungen weitervermittelt werden. Ganz genau hinzuschauen und "den Einzelnen wirklich im Blick haben" sei die große Herausforderung für Lehrer und Schulsozialarbeit in den vergangenen Monaten gewesen.

Um immer wieder neue Ansatzpunkte zu entwickeln, war Augenstein auch auf den Austausch mit Lehrern und Kollegen angewiesen. "Positiv war mit Sicherheit, dass man neue Wege finden musste und die Kooperationen untereinander, mit den anderen Agierenden an der Schule, ausbauen musste." Seit das Thema Fernunterricht Einzug in den Schulalltag gehalten hat, bindet auch Augenstein die digitale Welt – "gegen die sie sich vorher immer so ein bisschen gewehrt hat" – sehr viel mehr in ihre Arbeit mit ein. "Das war dann plötzlich notwendig, denn ich konnte gar nicht anders Kontakt zu den Schülern halten", erklärt sie. Gerade über die Plattform Teams sei der Austausch mit den Schülern relativ leicht umzusetzen.

Schüler, bei denen das Risiko bestand, den Anschluss an den Unterricht zu verlieren, bekamen die Möglichkeit, in die von der Schule eingerichtete Notbetreuung zu kommen: "Ihren Unterricht und ihre Aufgaben konnten sie dann hier erledigen, in einem speziell hierfür bereitgestellten Raum und immer mit einer Aufsicht."

Konflikte sind wichtig für die Entwicklung

Weniger kleine Konfliktfälle aus dem Schulalltag, die sonst in ihrem Büro gelandet wären, habe es im vergangenen Jahr gegeben. Auch die Einzelfallhilfe habe sich verändert. Im Vergleich zum Schuljahr 2019/2020 habe es weniger Einzelfallhilfen gegeben, "dafür waren sie aber intensiver".

Bis zum Beginn der Sommerferien, aber auch für das neue Schuljahr wünscht sich Augenstein, dass der Präsenzunterricht beibehalten werden kann. Gerade der soziale Kontakt sei wichtig – egal ob positiv oder negativ. Auch Reiberein und Konflikte im normalen Schulalltag, "die vielleicht stressig und nervig" für die Beteiligten sein mögen, brauche es für die Entwicklung der Jugendlichen. "Nur so werden sie auch konfliktfähig", so Augenstein.

"Es war ein sehr untypisches, im Grunde verrücktes Schuljahr", sagt Augenstein.

Zur Person

Seit 2017 arbeitet Stefanie Augenstein als Schulsozialarbeiterin am Geroldsecker Bildungszentrum in Seelbach. Dort ist sie für die Klassen fünf bis zehn der Real- und Werkrealschule zuständig, insgesamt ungefähr 500 Schüler. In ihrer täglichen Arbeit befasst sie sich mit Einzelfallhilfen (Beratung, Coaching), Konflikthilfe (Krisen- oder Mobbingintervention), sozialem Lernen (Interaktions- und Erlebnispädagogik) sowie Kinderschutz. Im Schuljahr 2019/2020 gab es 75 Einzelfall- und Konflikthilfen, die Augenstein geleitet hat. Dabei war festzustellen, dass mehr Mädchen von der Schulsozialarbeiterin begleitet wurden als Jungen. Die Zahlen für das aktuelle Schuljahr werden erst in den kommenden Wochen vorliegen, erklärt Augenstein.