Ist für seine Parteikollegen im Wahlkreis Lahr eingesprungen: Der 74-jährige Reinhard Neudorfer von Die Linke. Foto: Sadowski

Wahlkampf: Reinhard Neudorfer (Die Linke) will mehr Arbeitsschutz für Pädagogen / Weniger Fleisch-Verzehr gefordert

Lahr - Als Aushilfskandidat tritt Reinhard Neudorfer (74) Mitte März bei der Landtagswahl für Die Linke an. Doch das heißt nicht, dass der Rentner nicht kämpfen will. Er fordert weniger Fleisch-Konsum und bessere Arbeitsbedingungen für Lehrer.

Fleischkonsum muss abnehmen

Von einem typischen Lahrer ist Reinhard Neudorfer doch ein ganzes Stück entfernt. Der 74-Jährige ist in München geboren und lebt seit vielen Jahren in Waiblingen. Und dennoch tritt er für seine Partei Die Linke bei der Landtagswahl am 14. März im Wahlkreis Lahr an.

Es sei per se nicht ganz unüblich, dass Leute von woanders kandidieren, erklärt Neudorfer im Gespräch mit unserer Redaktion. In seinem Fall habe vor allem seine Frau die entscheidende Rolle gespielt. Die ist nämlich Lahrerin und die beiden schauen hin und wieder in Lahr vorbei.

Ende vergangenen Jahres habe sich abgezeichnet, dass Neudorfers Parteikollegen Rausan Öger und Lukas Oßwald vor Ort zu stark eingespannt seien. Irgendwann kam dann die Frage, ob der emeritierte Neudorfer nicht die Kandidatur für den Wahlbezirk Lahr übernehmen könnte. Er kann.

Das Prädikat "Notkandidat" merkt man dem Diplomverwaltungswirt aber nicht an. Er brennt für die Inhalte des Parteiprogramms. Den Aufschlag macht er beim Thema Schlachthof in Wittelbach. Das sei eine der aktuellsten Debatten, die er aus der Ferne bereits mitbekommen habe. Mitte November vergangenen Jahres wurde bekannt, dass der Schlachthof der Erzeugergemeinschaft "Weideland" zwischen Wittelbach und Schuttertal einen Anbau bekommen soll.

Ein Unding, findet Neudorfer. "Ich kann nicht nachvollziehen, dass irgendein Schlachthof irgendwo in Deutschland seine Kapazitäten erweitert", echauffiert sich der überzeugte Vegetarier. Zumal auch diese allgemeine Erkenntnis in der Gesellschaft mittlerweile sei: Der Fleischkonsum muss abnehmen. Der Politiker fordert daher "ordentliche Abnahmepreise für die Bauern" sowie eine grundlegende Umstellung der Ernährung. Ein Mehr sei nicht immer besser.

Gleiches gelte auch etwa für die "superbillige Textilindustrie". Klamotten kosteten heutzutage häufig nur noch ein paar Euro und würden nach kurzer Zeit weggeworfen. Das müsse aufhören, ärgert sich Neudorfer.

Auch über Autos, das Statussymbol vieler Deutscher, spricht er mit kritischen Worten. Jedes dritte verkaufte Wagen ist laut Neudorfer heuzutagein Geländewagen. Für diese Form von Mobilität hat der Linken-Kandidat kein Verständnis. Deshalb plädiert er für eine zusätzliche Besteuerung von schweren und PS-starken Fahrzeugen, wie er an einem Beispiel festmacht: In autofreien Städten sollten Autofahrer mit Gebühren belegt werden, sofern sie trotzdem mit dem Auto unterwegs sind. Ein besserer ÖPNV solle diese Entwicklung zusätzlich verstärken.

Dass er mit so einem "aggressiv" geführten Thema keine Stimmen gewinnt, ist dem erfahrenen Politiker klar. Aber das sei auch eben nicht sein primäres Ziel. Sein eigener Anspruch wie auch der seiner Parteikollegen sei ein Denken über Wahlperioden hinaus. Dafür brauche es Mut und klare Ansagen.

Nachholbedarf im Bildungssektor

Klartext spricht Neudorfer auch beim Thema Bildung, seiner nächsten Kritik am Land und an der Bundesregierung. "Ich finde es unglaublich, dass potenzielle Lehrer im Sommer beurlaubt werden, um dann im September wieder eingestellt zu werden", kritisiert der 74-Jährige.

Im nächsten Atemzug präsentiert er direkt die Lösung: Lehramtsstudenten mit attraktiver Bezahlung häufiger einsetzen. Das werde zwar vereinzelt bereits umgesetzt, der 74-Jährige fordert aber eine Intensivierung der Maßnahme. Gerade in Corona-Zeiten könnte das für eine Entlastung des Kollegiums führen.

Obendrein wünsche er sich das G 9-Abitur zurück sowie eine abschließende Schüler-Jahresbewertung in Textform. Dadurch könnten Schüler zukünftig ihren Leistungsstand besser nachvollziehen und einordnen, glaubt Neudorfer.

Auch beim Thema Inklusion sieht der Diplomverwaltungswirt noch viel Luft nach oben. In erster Linie seien für eine erfolgreiche Inklusion von Schülern mit einer Behinderung Klassen mit deutlich weniger Schülern erforderlich. Momentan sei die Zahl noch deutlich zu hoch.

Überhaupt sieht der Politiker im Bildungssektor erheblichen Nachholbedarf. Das zeige sich auch jetzt während der Pandemie. Wieso könne nicht in jedem Klassenzimmer einer der neuen Luftfiltergeräte eingesetzt werden?, fragt der 74-Jährige.

Um das Infektionsgeschehen zu reduzieren, hat er einen kuriosen Vorschlag: Man könne die Schüler doch in den derzeit leeren Sporthallen unterrichten. Dort sei ausreichend Platz, um sämtlichen Hygienestandards zu entsprechen. Natürlich sei das mit dem einmaligen Aufwand verbunden, Stühle und Tische zu organisieren, aber auch das sei machbar, ist Neudorfer überzeugt.

Reinhard Neudorfer ist gebürtiger Münchner und wohnt seit mehr als 30 Jahren in Waiblingen. Da seine Frau aus Lahr kommt, hat der 74-Jährige sich bereit erklärt, bei der Landtagswahl als Kandidat für den Wahlkreis Lahr anzutreten. Der Vegetarier ist Diplomverwaltungswirt und arbeitete vor seinem Ruhestand als Berater für berufliche Rehabilitation von Jugendlichen mit Behinderung.