In vielen Behörden gehört das sogenannte Gendern schon zum Alltag, in anderen gibt es noch keine festen Vorgaben. Foto: Archiv/LZ-Grafik Meurer

Sprache: Behörden und Einrichtungen in Lahr und Umgebung schildern, wie sie mit sogenannter gendergerechter Sprache umgehen

Lahr - Überall tauchen sie auf, die Gender*sternchen & Co., mit denen Sprache möglichst geschlechtsneutral wirken soll. Aber wie gehen Behörden und Firmen mit dem Gendern um? Die LZ hat dazu große Einrichtungen und Ämter in der Region befragt.

Wie können alle Personen angesprochen werden? 

Schülerinnen und Schüler, Bürger*innen oder Studierende: An der Frage, ob und wie alle Personengruppen angesprochen werden können, scheiden sich die Geister. Kritiker sagen, das sogenannte Gendern, sei nicht effizient und hindere den Lesefluss. Gender-Befürworter hingegen bewegen sich in einem ganz anderen Fahrwasser. Sie sehen im Gendern oft einen sensibleren Umgang mit Sprache und die Hoffnung auf eine gleichberechtigte Gessellschaft. Wie handhaben öffentliche Behörden in Lahr dieses Thema? Die LZ hat sich umgehört.

 Stadt Lahr formuliert jedes Schreiben individuell 

Im Schriftverkehr verwendet Lahr eine geschlechtsneutrale Sprache, heißt es auf LZ-Anfrage. Im Intranet der Stadtverwaltung gebe es Hinweise zu den Möglichkeiten für Formulierungen, die niemanden ausschließen sollen. Hier könnten sich "Kolleg*innen für den beruflichen sowie privaten Kontext inspirieren lassen". Jedes Schreiben wird laut Rathaus nach Einzelfall formuliert. Oft nutze die Stadtverwaltung weibliche und männliche Personenbezeichnungen, aber auch Doppelformen oder neutrale Bezeichnungen wie etwa "Leitende“ statt "Leiterinnen und Leiter"

Madeleine Bohnet als Beauftragte für Chancengleichheit der Stadt Lahr: "Immer häufiger sehe ich auch das Gendersternchen." Noch höre sie es beim Sprechen selten, wie etwa im Radio, wenn Moderatoren eine kurze Pause machen und dann ein "-innen" anhängen. "Einen kompletten Überblick habe ich nicht, da es keine allgemeinen Vorgaben gibt, die für die gesamte Kommunikation der Stadtverwaltung Lahr gelten."

Dass gendergerechte Sprache teilweise so hitzig diskutiert werde, liege laut Bohnet wahrscheinlich daran, dass die Auseinandersetzung mit der eigenen Sprache viele anfänglich irritiere. "Es ist anstrengend, ungewohnte Formulierungen zu nutzen und beim Sprechen oder Schreiben neu zu denken. Das ist ein Prozess und natürlich nicht von heute auf morgen ausgereift – muss es auch gar nicht. Meist gelingt gendergerechte Sprache mit etwas Übung ganz gut", so Bohnet.

Empfehlungen im Leitfaden beim Landratsamt 

"Wir verwenden gendergerechte Sprache. Ein Leitfaden gibt Empfehlungen und Anregungen aus der Praxis, wie eine sprachliche Gleichbehandlung umgesetzt werden kann, ohne dabei auf gute Lesbarkeit und Verständlichkeit der Texte zu verzichten", sagt Pressesprecherin Gabriele Schindler. Weil die Sprache als wichtigstes Verständigungsmittel das Bewusstsein der Menschen beeinflusse, sei es notwendig, gendergerechte Sprache einzusetzen.

Das ermögliche dem Landratsamt, Einfluss zu nehmen. Sprache solle demnach die vielfältigen Perspektiven einer Gesellschaft angemessen widerspiegeln. "Natürlich wird eine gendergerechte Sprache allein nicht die Gleichstellung der Geschlechter voranbringen, aber sie ist ein wichtiger Mosaikstein hierzu und trägt zur Überwindung von sprachlichen Klischees und Ungleichheiten bei", so Schindler.

Ein häufig genannter Grund von Gender-Kritikern sei die möglicherweise sperrige Wirkung gendergerechter Sprache. "Um dies zu vermeiden, verwenden wir beispielsweise geschlechtsneutrale Formulierungen wie "Amtsleitung statt Amtsleiter", Kollektiv- und Institutionsbezeichnungen wie "die Delegation" statt "die Delegierten" oder geschlechtsumfassende Begriffe wie "alle Auszubildenden" statt "jeder Auszubildende".

 E-Werk Mittelbaden kurz und knapp

Klare Ansage beim Energieriesen: Auf die LZ-Nachfrage, wie das Thema gendergerechte Sprache beim E-Werk gehandhabt wird, antwortete Vorstand Ulrich Kleine kurz und knapp: "Wir sprechen Badisch und Hochdeutsch."  

IHK Südlicher Oberrhein nennt Frauen zuerst 

Interne oder externe Texte wie Pressemeldungen oder Anschreiben formuliere die IHK vor allem mit der weiblichen Form an erster Stelle, also "liebe Kolleginnen und Kollegen" oder "liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer", informiert Pressesprecherin Natalie Butz.

Wenn zu wenig Platz sei, verwende die IHK das sogenannte Binnen-I wie beispielsweise "UnternehmerIn", teilt Butz mit. Es könne aber auch vorkommen, dass ein Sternchen zum Einsatz komme. In Stellenanzeigen wähle die IHK die Formulierung "m/w/d" für "männlich, weiblich und divers".

Die Redaktion der IHK-Zeitschrift "Wirtschaft im Südwesten" informiert auf ihrer Editorial-Seite: "Wir versuchen unsere Texte geschlechtsneutral zu formulieren. Wenn uns dies aus Gründen der Lesbarkeit nicht möglich erscheint, verwenden wir zur Bezeichnung von Personengruppen die männliche Form. Sie gilt dann im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter und ist nicht wertend gemeint".

Ortenau-Klinikum gendert bei Stellenanzeigen 

Insbesondere in Stellenanzeigen verwende das Ortenauklinikum gendergerechte Sprache, teilt Pressesprecher Christian Eggersglüß auf LZ-Anfrage mit. Dabei würden "männliche/weibliche/diverse" Mitarbeiter gesucht.

In möglichst allen internen und externen Fließtexten, insbesondere auf den Webseiten, spreche der Klinikverbund, wo immer es relevant sei, Personengruppen stets in der weiblichen und männlichen Form, zum Beispiel mit "Patientinnen und Patienten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Bürgerinnen und Bürger" an.  

Polizei führt 2002 Gender-Mainstreaming ein

Der Ministerrat habe 2002 unter anderem für die Polizei Baden-Württemberg beschlossen, sogenanntes "Gender Mainstreaming" einzuführen, sagt Renato Gigliotti von der Pressestelle des Landesinnenministeriums. Die Polizei sei darauf bedacht, gesellschaftliche und sprachliche Entwicklungen in die Behördenkultur einfließen zu lassen.

"Gender-Mainstreaming", so Gigliotti, habe das Ziel, die Chancengleichheit von Männern und Frauen umzusetzen. Daher lege man auch polizeiintern schon lange großen Wert auf geschlechtergerechte Sprache, sowohl in polizeiinternen Briefen wie etwa Dienstanweisungen, als auch im externen Schriftverkehr wie Anschreiben und Pressemitteilungen.

Die Polizei verwende allgemein geschlechtsneutrale Formulierungen wie zum Beispiel "Revierleitungen" oder die sogenannte Paarformel oder Doppelnennung wie etwa Bürgerinnen und Bürger, informiert Gigliotti. Bei Stellenausschreibungen werde auch das dritte Geschlecht "divers" aufgeführt.

 Badenova gibt freiwillige Empfehlung 

In vielen Bereichen des Energieunternehmens werde gendergerechte Sprache verwendet, so Pressesprecherin Yvonne Schweickhardt. Der Vorstand habe eine freiwillige Empfehlung zur gendergerechten Kommunikation ausgesprochen.

Diese werde in weiten Unternehmensteilen umgesetzt. "Badenova hat als regionaler Energie- und Umweltdienstleister viele Kundenkontakte. Hierbei wurden und werden die Standardschreiben sukzessive angepasst. Auch im Online-Bereich sowie in der Werbung wird auf gendergerechte Sprache großen Wert gelegt", sagt Schweickhardt. Intern äußerten sich "Kollegen_innen sehr positiv

über das Neuschreiben so mancher Standardbriefe und sehen es als sehr wertschätzend an".

So macht's die Lahrer Zeitung 

Auch in der Redaktion der Lahrer Zeitung wird Gendern diskutiert, nicht zuletzt deshalb erscheint heute diese Themenseite. Mit kontroversen Ansätzen und vielen Meinungen.  

Seit jeher verwenden Zeitungsredaktionen klassisch die männliche Form – und denken  damit ausdrücklich immer auch die weibliche mit. Wenn wir nicht von »Polizistinnen und Polizisten», von »Lehrerinnen und Lehrern« schreiben, dann  einzig aus dem Grund der besseren Lesbarkeit der Texte.

Das sagen unsere Redaktionsmitglieder 

Pro von Annika Schubert

Gleichberechtigung fängt  beim Schreiben und beim Sprechen an.   Da ich Männer und Frauen und Menschen anderen Geschlechtes als gleichberechtigt ansehe, möchte ich dies nicht nur behaupten, sondern auch in meiner Sprache klar machen. Aus diesem Grund  gendere ich. Wenn Kritiker sagen, dass es nicht die  Funktion von  Sprache ist, Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, dann vergessen sie, dass  Sprache unser Denken beeinflusst.  

Will man beispielsweise Frauen motivieren, eine  Ausbildung  in einer männerdominierten Branche zu machen, reicht ein Schnupperpraktikum im Jugendlichenalter nicht aus. Vielmehr müssen Kinder von der Wiege an  durch unsere Sprache verstanden haben, dass es nicht nur Elektriker und Ingenieure gibt, sondern auch Elektrikerinnen und Ingenieurinnen. Um mit solch’  hinderlichen Gedankenmustern zu brechen und Wandel zu ermöglichen, ist eine gendergerechte  Sprache ein guter Anfang. 

Contra von Aline Fischer 

Der neumodische Gender-Trend wird sich in der Schrift wie auch in der Sprache hoffentlich nicht durchsetzen. Oder wollen Sie OB Ibert bald mit Bürgerinnen- und Bürgermeister ansprechen oder so von ihm in der Zeitung lesen? Wörter, die sowieso schon aus mehreren einzelnen Wörtern zusammengesetzt sind, werden so unzumutbar lang. Die deutsche Sprache hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert – sie ist einfacher geworden.

Besucherinnen und Besucher, Leserinnen und Leser, Bürgerinnen und Bürger – dieser unsinnige Trend wäre wieder ein unnötiger Rückschritt in die falsche Richtung. Jeder will gleich behandelt werden, aber wer diese Wörter verwendet, stärkt im Gegenteil die Differenzierung und verstärkt den Unterschied zwischen Mann und Frau noch weiter. Ich fühle mich auch als Bürger oder Leser genauso angesprochen und nicht ausgeschlossen. Ganz einfach! Wieso alles unnötig verkomplizieren?