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Wie Gäste die Chrysanthema erleben

Besuchergruppen, die einem Stadtführer in rotem Mantel folgen, prägen das Straßenbild während der Chrysanthema. Wir haben an einer Führung teilgenommen.

Lahr. Es ist halb eins. Auf dem Urteilsplatz, vor dem Café "Süßes Löchle", hat sich eine kleine Gruppe um Stadtführerin Annabelle Siefert versammelt. Es sind Christoph Kern aus Staufen und die Mitarbeitern seiner Klavierwerkstatt. Gerade erklärt die Stadtführerin die Bedeutung der Bambusstäbe in den Blumenbeeten, die nach dem Ikebana-Prinzip je nach Schräge die Jahreszeiten zeigen. Kern und seine Mitarbeiter hören interessiert zu, legen sich auch mal unter die weiße Blütenkugel, um sich davon zu überzeugen, dass die 50 Blüten – die Pflanze wurde halbiert – tatsächlich nur aus einer Pflanze wachsen.

Die Staufener haben ihren Betriebsausflug, den sie für gewöhnlich im Sommer machen, dieses Jahr auf Ende Oktober gelegt. Und da der Chef zwar schon öfter von der Chrysanthema gehört, sie aber noch nie gesehen hat, hat er kurzentschlossen den Ausflug nach Lahr verlegt und vor die Besichtigungstour noch einen Besuch im Schilder- und Lichtrekelamemuseum eingelegt.

Annabelle Siefert führt die Gruppe durch die Obststraße zum Chrysanthemen-Pilz, daraufhin zum Rosenbrunnen mit dem Eichhörnchen, das schon viele Eicheln gesammelt und die dazugehörigen Hütchen rund um den Brunnen verteilt hat. Natürlich wachsen aus diesen Hütchen Chrysanthemen.

Die Stadtführerin macht auf das dahinterliegende Haus aufmerksam, auf dem in Sütterlinschrift die ehemalige Bedeutung zu lesen ist: "Zigarren Schäfer", kann eine der Teilnehmerinnen noch die Schrift entziffern. Wie der aus Lahr stammende Ludwig Sütterlin auf die Idee gekommen ist, eine Schrift zu erfinden, kann Annabelle Siefert auch nicht sagen. Es ist aber die einzige Frage der Teilnehmer, die bei dieser Führung offen bleibt.

"Herbst-Poesie" lautet das Thema der diesjährigen Chrysanthema. Die Stadtführerin weist an allen markanten Punkten auf die Umsetzung des Mottos hin. Beispielsweise auf dem Schlossplatz, auf dem eine überdimensionale Schreibfeder farbige Kleckse hinterlassen hat, auf die Buntstifte und die Tafeln mit kurzen Versen. Und am Storchenturm, an dem sich ein Spruchband durch die Beete schlängelt. Was den Besuchern auffällt: Vieles ist in französischer Sprache geschrieben. Die Stadtführerin verweist auf die Partnerschaften in Frankreich, den Euro-Distrikt und die vielen Elsässer, die nicht nur zu Besuch nach Lahr kommen, sondern auch hier arbeiten. Insgesamt zehn Flächenbeete haben die städtischen Gärtner sowie Kollegen aus Dole, Erstein und Benfeld in der gesamten Innenstadt zum Motto "Herbst-Poesie" angelegt, erfahren die Teilnehmer.

Annabelle Siefert ist eine von 30 Stadtführerinnen. "Wir haben in diesem Jahr drei neue Gästeführer ausgebildet", sagt Martina Mundinger vom Stadtmarketing auf Anfrage unserer Zeitung. Dazu gehöre die Grundausbildung zum historischen Stadtführer in Lahr und zusätzlich eine Fortbildung vor der Chrysanthema, bei der den Führern Motto, Konzept und gärtnerische Neuheiten näher erläutert werden.

2015 zählte die Stadt 505 Gästeführungen, die auch in französischer Sprache angeboten werden, mit 29 000 Gästen. Die Gruppen reichen von Busgesellschaften bis hin zu privaten Kleingruppen wie der von Christoph Kern. Die Vorjahresbilanz von 505 Führungen wird in diesem Jahr, wie berichtet, übertroffen.