Reaktionen auf den Ausgang der Landtagswahl. Mit 21,6 Prozent zweiter Platz hinter den Grünen.
Lahr - Die AfD als zweistärkste politische Kraft in der Stadt Lahr: Das hat bei den Kommunalpolitikern für Entsetzen gesorgt.
21,6 Prozent hat die AfD in der Gesamtstadt bei der Landtagswahl am Sonntag erreicht, das ist der zweite Platz hinter den Grünen, die mit 28,1 Prozent zur stärksten Kraft geworden sind. Besonders gut haben die Rechtspopulisten in Wohngebieten abgeschnitten, in denen viele Spätaussiedler leben. In Dinglingen-Ost haben durchschnittlich 32,9 Prozent der Wähler ihr Kreuz bei der AfD gemacht, bei einem Wahllokal waren es sogar 41,3 Prozent. In der gesamten Kernstadt lag der AfD-Anteil bei 25,1 Prozent. Wie berichtet, kam die Partei mit 30,5 Prozent in Langenwinkel, 28,9 Prozent in Kippenheimweiler, 27,8 Prozent in Mietersheim und 27 Prozent in Hugsweier in vier Stadtteilen auf den ersten Platz. In Kuhbach erhielt die AfD 17,5 Prozent, in Reichenbach 16,6 und in Sulz 12,9.
Oberbürgermeister Wolfgang G. Müller wies auf eine Statistik hin, wonach 75 Prozent der AfD-Wähler aus Protest dieser Partei ihre Stimme gegeben haben. Er warnte davor, die Spätaussiedler, die die AfD gewählt haben, als Rechtsradikale oder Rassisten zu verunglimpfen. "Das sind konservative Menschen, die in ihrer Mehrheit einen starken Ordnungsstaat möchten", so Müller. Wegen der Flüchtlinge gebe es bei der Bevölkerungsgruppe eine starke Unsicherheit. Das Votum für die AfD sei keine Absage an die Lahrer Stadtpolitik, "da wird von Bund und Land eine andere Ordnungspolitik gefordert", so der OB. "Wir müssen weiterhin mit den Spätaussiedlern im Gespräch bleiben", betonte Müller.
Ähnlich sieht das Eberhard Roth, der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler und frühere Ortsvorsteher von Kippenheimweiler. Das Ergebnis der AfD sei zwar erschreckend, es zeige aber auch, dass es eine große Unsicherheit wegen der Flüchtlinge gebe. "Diese Menschen haben eine andere Vorstellung von Recht und Ordnung", charakterisierte Roth die Spätaussiedler, "sie haben Angst davor, was auf sie zukommt". Das Problem sei, dass die AfD diese Ängste schüre. "Deshalb sind Bund und Land gefordert, Antworten zu geben", so Roth zum Thema Flüchtlingskrise. "Das ist kein Zeichen dafür, dass die Integration gescheitert ist", sagte er über das AfD-Ergebnis.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Roland Hirsch bezeichnete das Resultat der AfD als "furchtbares Ergebnis". "Mich betrübt, dass rechtspopulistische Äußerungen so verfangen haben, insbesondere bei den Spätaussiedlern", so Hirsch. Da sei bei der Integration etwas schiefgegangen. "Die Spätaussiedler identifizieren sich offensichtlich nicht mit unserem Gesellschaftssystem", sagte der SPD-Fraktionschef. Wichtig sei daher, "erst recht" auf diese Bevölkerungsgruppe zuzugehen.
Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Jörg Uffelmann ist der Meinung, dass das AfD-Ergebnis "ein Problem der Integration" ist. Er habe damit gerechnet, dass für diese Partei in Lahr viele Stimmen abgegeben werden. "Dass es so massiv wird, habe ich nicht erwartet", betonte Uffelmann. "Das Ergebnis gibt uns zu denken. Das muss man analysieren und Schlüsse daraus ziehen. Die nächsten Wahlen stehen vor der Tür", so Uffelmann mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr.
CDU-Fraktionschefin Ilona Rompel ist noch immer "einigermaßen erschrocken" vom Ergebnis. Mit so hohen Verlusten für ihre Partei habe sie nicht gerechnet. Der AfD sei es besonders in einigen Stadtteilen gelungen, die Wahlbeteiligung nach oben zu schrauben, und zwar mit dem bundespolitischen Thema Flüchtlinge. "Sie haben es geschafft, Ängste zu wecken und Antworten anzubieten. Was diese wert sind, sei dahingestellt." Besonders die Spätaussiedler seien mobilisiert worden, die Wahlbeteiligung habe sich teils mehr als verdoppelt. Sie seien aber nicht ausländerfeindlich, sondern hätten Angst. "Das zeigt: Die etablierten Parteien müssen wegkommen vom Lavieren, wir müssen greifbar sein und uns mit den Themen der AfD auseinandersetzen. Wir müssen sie demaskieren." So sehr sich Claus Vollmer, Fraktionsvorsitzender der Grünen, über das Ergebnis seiner Partei freut, so überrascht war er von dem Ergebnis der AfD. Er verfolgt einen optimistischen Ansatz: "Immerhin haben rund 80 Prozent nicht die Ziele der AfD unterstützt." Wenn das hohe Ergebnis tatsächlich mit den Spätaussiedlern zusammenhinge, so sei die politische Integration noch nicht erfolgt. Dies zeigen auch vergangene Kommunalwahlen. "Dieser Vorgang benötigt Zeit." Vollmer stellt aber auch klar: "Nicht alle Spätaussiedler haben die AfD gewählt, man sollte nicht alle über einen Kamm scheren, das wäre falsch." Die Grünen, denen das Wahlergebnis recht gebe, würden ihre fremdenfreundliche Politik weiter verfolgen. "Hektische Reaktionen bringen nichts."
Lukas Oßwald von der Linken Liste Lahr, Landtagskandidat im Wahlkreis für die Linke, nannte die Ergebnisse auch für ihn persönlich "bitter". Für ihn sei das unerklärlich. "Es ist mir nicht klar, gegen was die Wähler protestieren. Die Stimmen gingen an ein Sprachrohr, das keines ist." Die meisten seien nicht wirklich von Flüchtlingen betroffen. Die starke AfD in manchen Stadtteilen und das Wahlverhalten der Spätaussiedler sei "ein Zeichen, dass die Integration gescheitert ist", so Oßwald. Für Lahr sei es nun wichtig, dass die etablierten Parteien zu einer gemeinsamen Haltung kommen und dass die Gesellschaft ein klares Bekenntnis für die Menschlichkeit zeigt, zum Beispiel in Form einer Kundgebung.