Das Stadtmühlenareal wie Wickertsheimer es gesehen hat... Foto: Lahrer Zeitung

Wickertsheimer-Weg: 1976 fiel im Gemeinderat der Beschluss, das Stadtmühlenensemble abzureißen

Der Wickertsheimer-Weg, mit dem der Schwarzwaldverein an den Lahrer Kunstmaler Wilhelm Wickertsheimer erinnern will, ist gestern eingeweiht worden. In einer Serie stellen wir einige Stationen des Wegs vor – heute das Stadtmühlenareal.

 

Lahr. Wer das Quartier "Bei der Stadtmühle" betritt, kommt in einen Bereich mit Aufenthaltsqualität, aber nach einer Mühle hält der Besucher vergeblich Ausschau. Vom Marktplatz kommend sollte man nach links blicken, dort verrät die Lücke zwischen der Bebauung den früheren Verlauf der Neuen Schutter oder der "Mühlenschutter", wie sie Winfried Knausenberger genannt hat.

Dieser schon im Mittelalter vorhandene Wasserweg wurde westlich der heutigen Herzklinik in der Geroldsecker Vorstadt von der Schutter abgezweigt, trat in der Nähe des Vogtstors (im Bereich Max-Planckstraße, Doler Platz, Spital) in die Altstadt ein, durchfloss sie und verließ sie westlich der Stadtmühle. Die Neue Schutter wurde an der Rossschwemme für das Reinigen und Tränken der Arbeitstiere Pferd und Ochse genutzt, ermöglichte Gerbern und Färbern das Handwerk, und trieb die Bischofsmühle, später Lohmühle, die Klostermühle und die Stadtmühle an.

Das noch 1976 stehende Stadtmühlenareal war zuletzt ein teilweise sehr heruntergekommener, aber ungewöhnlich markanter Teil der Altstadt. Zumindest die älteren Lahrer erinnern sich noch an den damals vorhandenen Gebäudekomplex, beispielsweise an das Fachwerkhaus mit der Außentreppe, das in Werken von Wilhelm Wickertsheimer und Hans Richter überliefert ist. Mühlen waren ein einträgliches Geschäft, deshalb hatte die Herrschaft stets ein Auge auf sie und vor allem auf die jährlichen Abgaben. Der Lahrer Stadtmüller wurde von der Herrschaft unter vertraglichen Bedingungen belehnt. Ein solcher Erblehensbrief existiert aus dem Jahr 1455. Die in den 1970er-Jahren noch bestehenden Gebäude des Mühlenbereichs stammten nicht aus dem Mittelalter, denn das Areal hatte, wie die übrige Altstadt auch, unter den Kriegszerstörungen zu leiden. Nach dem Dreißigjährigen Krieg und nach dem großen Stadtbrand bot sich dort ein Bild der Verwüstung. Ohne zum Wiederaufbau der Mühle beigetragen zu haben, bestand die Herrschaft auch im 18. Jahrhundert auf Aufrechterhaltung der Lehnspflicht.

Erst 1843 gelang es dem Stadtmüller Friedrich Mor-stadt, das Erblehen gegen einen Betrag von 1717 Gulden und 41 Kreuzer abzulösen. Carl August Meyer, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Stadtmühle erwarb, betrieb neben dem Mühlenhandwerk – wie später sein Sohn und sein Enkel – eine mechanische Werkstätte. Diese wurde 1965 geschlossen, und der Mühlenbetrieb 1969 eingestellt.

Am 14. Juni 1976 beschloss der Lahrer Gemeinderat nach zweieinhalbstündiger Debatte mit der knappen Mehrheit von 16:14 Stimmen, das Stadtmühlenensemble abzureißen. Hier ein Ausschnitt aus der Beschlussformulierung: "Der Gemeinderat ist mit einem Abbruch der Häusergruppe (Stadtmühle, Ökonomiegebäude der Stadtmühle und Haus Metzgerstraße 17) einverstanden, nachdem ihre Erhaltung wirtschaftlich nicht vertretbar und auch aus denkmalpflegerischen Gründen nicht zwingend geboten erscheint. Er geht dabei davon aus, dass die Consulting AG als zukünftiger Bauträger bemüht ist, die Vorstellungen des Denkmalschutzes in eine Neuplanung einzubringen."

Ausschlaggebend für das von Oberbürgermeister Philipp Brucker mitgetragene Mehrheitsvotum waren Berechnungen des Stadtkämmerers und von Bürgermeister Friedrich Dilger, wonach die Sanierung aller drei Häuser einen Zuschuss in Höhe von 500 000 Mark erforderlich gemacht hätte, um einen verträglichen Mietpreis für die künftigen Bewohner des Areals zu erzielen. Zuvor hatte sich eine "Interessensgemeinschaft Altstadt" mit dem Architekten Carl Langenbach an der Spitze gebildet, die unter anderem mit einer Unterschriftenaktion versucht hatte, den Abriss zu verhindern.

Der Gemeinderatsbeschluss spiegelt eine damals merkwürdige, ambivalente Haltung in Verwaltung und Teilen des Gemeinderats, die als Zeitgeist auch andernorts anzutreffen war: Einerseits verstärkte man das Bewusstsein für das historische Erbe der Stadt, andererseits wurden wertvolle Zeugnisse dieser Vergangenheit – Zehntscheuer, Neue Schutter und andere mehr – dem ökonomischen Fortschritt geopfert.

Wickertsheimers Bild verklärt den Zustand des Stadtmühlenareals, den er beim Malen des Bilds 1954 angetroffen hat. Man erkennt die Schönheit und Originalität des Überkommenen, zugleich aber Zeichen des Verfalls.