Mehr Ruhe mit weniger Tempo Foto: dpa

Geht es nach Grün-Rot, darf das Land den Verkehr noch weiter drosseln, damit es entlang bestimmter Straßen leiser wird. Begründung: 280 000 Menschen leiden im Südwesten unter Dauerlärm.

Geht es nach Grün-Rot, darf das Land den Verkehr noch weiter drosseln, damit es entlang bestimmter Straßen leiser wird. Begründung: 280 000 Menschen leiden im Südwesten unter Dauerlärm.

Stuttgart - Die Landesregierung sieht sich in ihrem Bemühen, den Zivilisationslärm einzudämmen, ein deutliches Stück vorangekommen. So gebe es mehr Tempo-30-Regelungen in Ortsdurchfahrten, mehr Geld für Lärmdämmung entlang von Straßen und gesetzgeberische Vorstöße in Berlin für eine bessere Lärmsanierung, bilanzierte am Dienstag die Lärmschutzbeauftragte der Landesregierung, Gisela Splett.

Allein durch den Straßenverkehr seien im Südwesten 280 000 Menschen einem Pegel ausgesetzt, der gesundheitsgefährdend sei, sagte Splett, die auch Staatssekretärin im Stuttgarter Ministerium für Verkehr und Infrastruktur ist.

Deswegen schöpfe das Land die bundesrechtlich vorgegebenen Möglichkeiten für Tempolimits voll aus. Splett: „Seit Grün-Rot regiert, gibt es mehr Tempo 30 auf Ortsdurchfahrten.“

Beim Bau und bei der Sanierung von Straßen werde außerdem mehr Geld in den Schutz vor Autolärm investiert. Die Grünen-Politikerin nannte dabei die geänderten Förderbedingungen für innerörtliche kommunale Straßen. Seit Januar 2014 könnten dort auch Lärmschutzprojekte aus dem Topf für den kommunalen Straßenbau finanziert werden. So seien zum Beispiel den Städten Karlsruhe und Ulm zusammen mehr als drei Millionen Euro für diesen Zweck in Aussicht gestellt.

Noch keinen Erfolg hatte das Land allerdings mit seinem Vorstoß, den Ländern mehr Eingriffsmöglichkeiten in die Straßenverkehrsordnung zur Lenkung des Verkehrs zu verschaffen. Derzeit werde weiter sondiert, um im Bundesrat einen neuen Versuch zu wagen.

Gesamtbelastung in einem Gebiet berücksichtigen

Große Hoffnungen setzt Splett auch in den neuen Ansatz, Lärmschutz aus einem Guss zu bieten. Da Lärm hat selten nur eine Quelle habe, müsse die Gesamtbelastung aller Straßen und Schienenwege in einem Gebiet berücksichtigt werden. Das Problem sei jedoch, dass dies rechtlich noch nicht möglich sei. Bisher müssten die Maßnahmen immer getrennt nach Straße und Schiene betrachtet werden sowie danach, wer dafür die Kosten trage.

„Das wollen wir ändern“, sagte Splett und verwies auf ein Modellprojekt des Landes in Zusammenarbeit mit den Gemeinden Eislingen, Salach und Süßen. Dort soll eine solche „Lärmsanierung“ aus einem Guss erprobt werden.

Als Möglichkeit, die Geräuschentwicklung zu dämmen, nannte Splett auch den Einsatz von sogenanntem Flüsterasphalt – vor allem dort, wo keine Lärmschutzwände möglich sind. In welchem Umfang dieses Material im Land bereits eingesetzt wird, ließ sie allerdings offen.

Mit dem Engagement der Kommunen in Sachen Lärmschutz zeigt sich die Staatssekretärin noch nicht zufrieden. Von den 507 Gemeinden mit hoher Lärmbelastung durch Hauptverkehrsstraßen hätten bisher nur 137 Aktionspläne vorgelegt, sagte sie. Dabei seien sie rechtlich dazu verpflichtet.

Der Gemeindetag hatte jüngst Versäumnisse eingeräumt und als Entschuldigung angeführt, dass solche Pläne teuer und zeitaufwendig seien. Mit den Kosten lasse man die Gemeinden allein.

Fortschritte beim Lärmschutz reklamiert Grün-Rot auch beim Stuttgarter Flughafen für sich. Noch im ersten Halbjahr erwartet Splett die Fertigstellung des sogenannten Lärmaktionsplans, der Maßnahmen zur Lärmminderung festlegt.

Dazu gehört zum Beispiel, dass der Flughafen einen Antrag auf Änderung der luftrechtlichen Genehmigung stellt. Das Ziel: Flüge im Nachluftpostdienst sollen nur noch mit Flugzeugen zulässig sein, die besonders lärmarm sind. Auch laute Propellerflugzeuge sollen vom Nachtflug ausgeschlossen sein. Bereits seit 1. Januar 2014 richten sich die Start- und Landeentgelte nach der Geräuschentwicklung der Maschinen.

Seit einigen Jahren gibt es auf Initiative der EU landesweite Lärmkarten für die Hauptverkehrsstraßen. Wo es wie laut ist, kann man laut Ministerium von heute an auch mit Hilfe einer App für Smartphones ermitteln. Splett: „Smartphone-Nutzer können einfach und komfortabel prüfen, welchen Lärmpegeln sie im 24-Stunden-Schnitt odert nachts ausgesetzt sind.“ Die App ist laut Ministerium kostenlos erhältlich in den Stores für Apple-, Android- und Windows-Geräte.