Die Gemeinde Oberreichenbach ist vom Land in das Pilotprojekt "Ländlicher Raum für Zukunft" aufgenommen worden. Foto: Fritsch

Gemeinde ist eine von sechs Pilotkommunen im Programm des Landes. Coronavirus sorgt für Unwägbarkeiten.

Der ländliche Raum wird oft als strukturschwach betitelt. In Oberreichenbach ist man jetzt schon wieder Teil eines Pilotprojekts des Landes, um genau dieses Image zu wandeln. Doch auch hier sorgt das Coronavirus für einige Unwägbarkeiten.

Oberreichenbach - Die Gemeinde Oberreichenbach ist in der Zeitung. Nicht nur im Schwarzwälder Boten, sondern im November auch in der Zeitschrift "die:gemeinde" des Gemeindetags Baden-Württemberg.

Denn gemeinsam mit fünf anderen Kommunen wurde Oberreichenbach als Pilotkommune für das Projekt "Der ländliche Raum für Zukunft" ausgewählt. "Mit ihrer Begeisterung für den ländlichen Raum, ihren vielfältigen Ideen und ihrer Offenheit für Bürgerbeteiligung haben die Gemeinden und Städte die Jury überzeugt", heißt es zur Auswahlbegründung aller Pilotkommunen. Oberreichenbach ist unter den sechs Kommunen mit seinen 2836 Einwohnern die kleinste, aber auch einer der umtriebigsten. Vor allem das Projekt "Marktplatz Oberreichenbach" hat es der Jury wohl angetan.

Gemeinde bekommt ein echtes Zentrum

Hier ist vor allem die Verzahnung aus digitaler und realer Welt hervorzuheben. Zum einen soll der Marktplatz virtuell als Austauschplattform für die Bürger entwickelt werden. Zum anderen auch real im Zuge der Rathaussanierung in den kommenden Jahren. Dann bekommt Oberreichenbach nämlich ein echtes Zentrum. Bisher war selbst der Ortskern durch die Bundesstraße in zwei Teile geschnitten. Mit dem Dorfmarkt gegenüber dem Rathaus und dem Pflegeheim, das entstehen soll, wird der Ortskern richtig greifbar. Bürgermeister Karlheinz Kistner freut sich natürlich über die Auswahl zur Pilotkommune: "Wir sind uns sicher, dass sich unsere Gemeinde dadurch noch weiter positiv entwickeln wird."

Geld fließt durch die Auswahl Oberreichenbachs als Pilotkommune nicht direkt, wie Kistner auf Nachfrage erklärt. Allerdings werden Moderatoren gestellt, die bis zu sechs Veranstaltungen abhalten sollen, bei denen die Bürger eingebunden sind. Doch das kann man sich inmitten der Corona-Pandemie wohl in die Haare schmieren. "Frühestens um Weihnachten rum oder Mitte Januar gibt es da eine Auftaktveranstaltung", erklärt Kistner. Und dann vermutlich auch eher digital anstatt mit einer Präsenzveranstaltung. Doch da ist wieder das Problem der Zugänglichkeit. Seine Sekretärin sage immer, ein Videokonferenztool müsse so einfach funktionieren wie ein Telefon, berichtet Kistner.

Tücken der Technik sind seit Lockdown bekannt

Dass dem oft nicht so ist, wissen die meisten Menschen spätestens seit dem Frühjahres-Lockdown, als Homeoffice und Videokonferenzen in vielen Branchen zum geschäftlichen Alltag zählten. Doch egal wann und wie das Format dann gewählt wird, ist die Frage nach den konkreten Inhalten entscheidend. Diese kann Kistner auch nicht beantworten: "Das legt ja der Bürger fest." Klar ist aber, dasss das Thema "Marktplatz Oberreichenbach" von Verwaltungsseite stark protegiert wird.

Nicht nur physisch soll der Marktplatz entstehen, auch digital. Hier schweben Kistner konkret zwei Sachen vor. Zum einen ein Videokonferenzsystem, wie es schon die Stadt Bühl erfolgreich implementiert hat. "Dort hat man beispielsweise Laptops in einem Pflegeheim verteilt, sodass die Bewohner mit ihren Angehörigen eine Videoschalte machen konnten", zeigt sich der Rathauschef beeindruckt. Eine weitere Möglichkeit ist die Einführung der Plattform "kaufinBW". Auch den Dorfmarkt könnte man da einbinden, überlegt Kistner. "Das wäre dann sowas wie das ›Amazon‹ von Oberreichenbach", meint er. In Verbindung mit "kaufinBW" könne man so auch bei Bedarf Linsen aus dem Heckengäu oder Whiskey aus Gechingen dort bestellen.

All das soll in der nächsten Zeit entwickelt werden. Wobei der Bürgermeister die Taktung von sechs Veranstaltungen binnen zwei Monaten für viel zu hektisch hält. "Die Themen kann man ja auch nicht so schnell bearbeiten und lösen", gibt Kistner zu bedenken. Abgesehen davon hält er einen zügigen Start ins Projekt im Hinblick auf die aktuelle Corona-Lage für nicht darstellbar, zumal die Bürger "um Weihnachten rum sicher anderes zu tun haben".

Für alte und junge Mitbürger etwas tun

Ein eher weiter entferntes Ziel, das auch im Rahmen des Projektes "Ländlicher Raum für Zukunft" erörtert werden könnte, ist das Thema junges Wohnen. "Wir verlieren bisher immer zwei Gruppen", holt Kistner etwas weiter aus, "das sind die Alten über 74 und die Jungen, die irgendwann zum Studieren weggehen." Die Frage sei bei Letzteren eben, ob die auch wiederkämen. Die älteren Mitbürger könne man jetzt mit dem neuen Pflegeheim sicher halten, die Jungen locke man damit natürlich nicht. In Österreich hätte er im Sommer ein Projekt vorgestellt bekommen, bei dem eine Stadt junge Studenten zunächst befragt und dann alte Gebäude zu Wohnraum für junge Leute umgemodelt hat – teils auch mittels Investoren. Doch das ist Zukunftsmusik, die in Oberreichenbach noch gar nicht komponiert ist. Zunächst konzentriert man sich auf die Dinge, die man schon geplant respektive im Ort hat.

Mitte Januar könnte es losgehen – ob wirklich vor Ort oder digital, das weiß auch Kistner nicht. Zur Not müsse man eben irgendwie improvisieren: "Dann drehen wir halt einen Film für YouTube."