"Wir sind auf einem Weg - und zwar auf einem beschwerlichen. Was nicht heißt, dass wir nicht das Optimale herausholen wollen", sagt VfB-Trainer Bruno Labbadia. Foto: dapd

VfB-Trainer Labbadia über den Entwicklungsstand der Spieler und die bisherige Vorrundenbilanz.

Stuttgart - Zuletzt machte das Team des VfB Stuttgart eher Rück- denn Fortschritte. Am Samstag (18.30 Uhr) soll sich gegen den 1. FC Köln das Blatt wieder wenden. Die Mannschaft ist gefordert - aber auch der Trainer in seinem Spannungsfeld zwischen Anspruch und Realität. Bruno Labbadia sagt: "Wir wollen auch mehr."

Herr Labbadia, Ihr Team hatte in dieser Saison richtig gute Phasen, zuletzt aber eine eher schwache. Nun geht es mal wieder um diesen nächsten Schritt, von dem Sie immer sprechen, der aber noch nicht gelungen ist.
Ich finde, wir sind noch immer in einer Situation, in der die Mannschaft den nächsten Schritt machen könnte - ihn aber nicht machen muss.

Also alles halb so schlimm?
Nein, denn natürlich waren wir nach dem Spiel gegen Bremen sauer, dass wir diesen Schritt nicht gemacht haben. Gleichzeitig sind wir aber auch realistisch, und es gilt nach wie vor: Wir sind auf einem Weg - und zwar auf einem beschwerlichen. Was nicht heißt, dass wir nicht das Optimale herausholen wollen.

Da war zuletzt aber Luft nach oben.
Keine Frage, in den letzten zwei, drei Wochen wäre es sicherlich optimaler gegangen, aber wir haben noch nicht diese Selbstverständlichkeit.

Ihr Team hatte ja schon richtig starke Auftritte diese Saison. Also fragen wir uns: Wieso klappt das plötzlich nicht mehr?
Mir geht das immer ein bisschen zu schnell. Nach der Niederlage in Mainz hieß es gleich: Dreimal nicht mehr gewonnen. Hätten wir dort aber gewonnen, wären es sieben Spiele ohne Niederlage gewesen. In Mainz hatte ich übrigens das erste Mal wirklich das Gefühl, dass wir diesen Schritt gehen können. Aber da hat man dann eben auch gesehen, was im Fußball so alles passieren kann.

Eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters.
Da hat man keinen Einfluss drauf.

Man muss deswegen aber nicht verlieren.
Stimmt, aber im Moment bringen uns solche Dinge eben noch zu leicht aus dem Konzept. Allerdings: Das nächste Spiel gegen Augsburg haben wir dann wieder gewonnen - was auch nicht selbstverständlich war.

Also sind Sie zufrieden mit der bisherigen Ausbeute in der Vorrunde?
Wir spielen das, was wir uns vorgenommen haben - eine stabile Saison. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wir können mit jedem Gegner mithalten, haben unterm Strich aber drei, vier Punkte zu wenig.

"Die Gegner haben Respekt vor uns"

Zu Saisonbeginn trat Ihr Team dominanter auf als zuletzt. Nun wirkt es manchmal fast zaghaft und beinahe übervorsichtig.
Wir kämpfen gerade einfach mit dem Fluch der guten Tat. Die Gegner haben Respekt vor uns, das beste Beispiel ist Werder Bremen: Die spielen immer offensiv, dann treten sie gegen uns an und stellen sich an die Mittellinie. Aber das hat Gründe.

Welche?
Wir haben im Umschaltspiel einfach auch viel Gutes gezeigt, und unsere Gegner reagieren jetzt darauf.

Was also tun?
Die Organisation und das gute Umschaltspiel beibehalten, zusätzlich aber den nächsten Level erreichen: Auch gegen tief stehende Mannschaften geduldig und sauber spielen. Das machen wir leider noch nicht gut.

Warum setzen Sie die Gegner nicht noch früher und schneller unter Druck? Kommt solch ein Spiel für Ihr Team noch zu früh?
Natürlich wollen wir noch mehr agieren. Aber auch wir als Trainerteam sind im Laufe der letzten Monate schon Schritte zurückgegangen, weil eben immer mal wieder ein Puzzleteil fehlt, damit etwas hundertprozentig funktioniert. Was nicht heißt, dass wir nicht fordern. Wir wollen auch mehr - müssen aber realistisch und geduldig sein.

Also geht es derzeit nicht besser?
Doch. Auch jetzt sind wir prinzipiell schon in der Lage, diesen Sprung nach vorn zu machen. Das kann ganz schnell gehen - es kann aber auch dauern. Deshalb bin ich Realist und frage mich immer wieder: Wohin kann ich meine Mannschaft treiben? Ich kann Ihnen das an einem Beispiel aus der vergangenen Saison erklären.

Gerne.
Generell möchte ich ja, dass wir von hinten gepflegt rausspielen. Aber dann haben wir - Trainer und Mannschaft - gemerkt, dass dafür damals die Sicherheit fehlte. Also musste ich mich von eigenen Ansprüchen lösen, weil nur das nackte Ergebnis zählte.

Nun ist die Lage aber nicht mehr so prekär.
Ich möchte damit ja auch nur sagen: Manchmal musst du einen Schritt zurückgehen, um dann zwei Schritte nach vorn zu machen. Auch in dieser Vorrunde war das schon so. Um ein noch extremeres Pressing zu spielen, machen wir zum Beispiel noch zu viele einfache Fehler und laden so den Gegner zu Kontern ein. Also müssen wir erst einmal unsere Fehler abstellen, bevor wir die nächste Stufe erklimmen können.

Ist es aber nicht auch so, dass sich einzelne Spieler nicht mehr an den Plan halten, der zu Saisonstart noch klar erkennbar gewesen ist?
Das finde ich jetzt interessant.

"Es geht um Automatismen und Lösungsmöglichkeiten"

Wieso?
Weil es jetzt genau um das geht, was Sie fordern. Dringlichste Aufgabe war ja zunächst, Ordnung und taktische Disziplin reinzubekommen. Jetzt geht es um das Spiel mit dem Ball, das, zumal wenn es eng wird, noch viel anspruchsvoller ist. Da braucht man noch mehr Ballsicherheit, mehr Können, und man muss jederzeit die richtige Entscheidung treffen. Seit Monaten ist das einer unserer Schwerpunkte.

Was also machen Sie im Training?
Es geht um Automatismen und Lösungsmöglichkeiten - das bedarf unheimlich vieler Wiederholungen.

Und wie trainiert man die Geduld, die Sie einfordern?
Auch da geht es letztlich um Automatismen, entsprechende Spielzüge - und wieder um die richtige Entscheidung im richtigen Moment. Das erfordert viel Spielintelligenz und auch Erfahrung, was wiederum bedeutet: Es braucht sehr, sehr viel Zeit.

Wie haben Sie speziell in dieser Woche auf das Spiel in Bremen reagiert?
Wir haben das Spiel extrem aufgearbeitet. Es ging um das Laufverhalten, um die Passgenauigkeit, um viel Kopfarbeit und um die Umsetzung auf dem Platz. Dazu kamen Spielformen, Torabschlüsse und natürlich viele Dinge im taktischen Bereich.

Weil der 1. FC Köln wieder ein Gegner ist, der sehr kompakt steht und auf Konter lauert.
Gegen Köln erwartet uns sehr viel Arbeit. Wir müssen geduldig spielen, deshalb aber nicht mit weniger Tempo und Genauigkeit. Ich hoffe, dass die Mannschaft die Lösungsmöglichkeiten, die wir ihr aufzeigen, im Spiel besser umsetzen kann. Wichtig ist, dass wir viel Bewegung haben.

Um dann doch endlich diesen nächsten Schritt zu gehen?
Wenn man der Mannschaft Zeit lässt, kann sich viel entwickeln. Wir wollen die Spieler, die wir haben, fördern und fordern - und Puzzleteile, die uns womöglich noch fehlen, in den nächsten ein, zwei Jahren dazuholen.

Es ist ja gerade die Zeit, in der Wunschzettel geschrieben werden. Haben Sie Ihren schon bei Fredi Bobic abgegeben?
Fredi und ich brauchen keinen Wunschzettel, da wir die gleichen Wünsche haben. Wir wollen die Mannschaft weiterentwickeln, haben aber nicht vor, sie im Winter groß zu verändern. Wir haben Vertrauen in unser Team, werden aber immer die Augen offenhalten. Wenn es etwas gibt, was wir im Vorgriff machen können und was Sinn macht, werden wir uns Gedanken machen.

In Bernd Leno haben Sie jetzt ein großes Talent abgegeben. Wie denken Sie als Trainer über diesen Transfer?
Wir verlieren mit Bernd ein großes Torwarttalent, mussten aber auch die finanzielle Seite sehen. Gleichzeitig haben wir einen sehr, sehr guten Torwart, der auch noch sehr jung ist. Sven Ulreich ist ein Eigengewächs, das sich klar zum VfB bekennt.

Drei Bundesligaspiele und das Pokalspiel gegen den HSV stehen in diesem Jahr noch an. Was steht auf dem Wunschzettel, den Sie an die Mannschaft richten?
Da schließe ich mich ja mit ein. Und es gilt: Wir wollen noch möglichst viele Punkte sammeln und im Pokal weiterkommen.