Der friedliche Blick auf Möttlingen bei der Anfahrt von Unterhaugstett her verrät heute nichts mehr über die grausame Zeit, in der vor 75 Jahren Kriegseinwirkungen Angst, Schrecken und Tod in die Gegend brachten. Foto: Schabert

Möttlingen stand kurz vor Kriegsende noch unter Beschuss. Mögliche Gefahren an Kreisverkehr-Baustelle.  

Bad Liebenzell-Möttlingen/-Unterhaugstett - Beim geplanten Bau des Kreisverkehrs an der L 343/Münklinger Straße in Möttlingen deuteten Luftbilder auf mögliche, von Kampfmitteln aus den letzten Kriegsjahren ausgehende Gefahren hin. Mancher fragt sich, wie das möglicherweise bis heute Todesgefahr und Zerstörung bringende Material dort hingekommen ist.

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Zwar hat das Bürgermeisteramt Möttlingen der damals selbstständigen Gemeinde bei einer Umfrage des Landes zu Kriegsfolgen über das Landratsamt Calw 1960 – so im Stuttgarter Hauptstaatsarchiv nachzulesen – kurz und bündig auf einer Antwortkarte gemeldet: "Fehlanzeige erstattet. Es bestehen keine Aufzeichnungen."

Krieg hinterlässt seine Spuren

Aber Peter Weidenbach hält in seinem 2008 erschienenen Buch "Du liebe Stadt" über Bad Liebenzell in Ergänzung der Ortschroniken in einem Abschnitt von Friedrich Walz und Hans Fricker fest: "Auch in Möttlingen hat der Krieg seine Spuren hinterlassen, sind doch durch Beschuss in den letzten Kriegstagen vier Häuser abgebrannt und weitere stark beschädigt worden. Mehrere Tote waren zu beklagen." Gräber auf dem Möttlinger Friedhof aus der Kriegszeit zeigen, dass es 1944 einen Fliegerangriff auf das Dorf gab. Dabei könnten jeweils Blindgänger an dem Platz gelandet sein, der jetzt zur Baustelle wurde. Auch Stammheim ist nicht weit, das am 20. April 1945 einen schweren Luftangriff erlebte.

Genauso ist es möglich, dass beim Vorrücken der Alliierten auf dem chaotischen Rückzug befindliche deutsche Wehrmachtssoldaten die Munition einfach - wie andernorts - irgendwo abgekippt und vergraben haben. Der Bericht des Bürgermeisteramts Unterhaugstett von 1960 hält fest, dass noch am 8. April 1945 "viele deutsche Truppen, bestehend aus Infanterie und Artillerie" in Unterhaugstett saßen. Weiter heißt es: "Die Infanterie verschanzte sich in Richtung Bad Liebenzell in kleine Schützenlöcher. Die Artillerie stellte ihre Geschütze an den Waldrändern bei Unterhaugstett auf. In der Luft war vom Feind eine rege Fliegertätigkeit."

Vielleicht fielen dabei einzelne Bomben oder es wurden Granaten abgeschossen, die teils als Blindgänger beim nahen Möttlingen niedergingen. Sechs Tage später belegt der Bericht einen Bombenangriff auf Unterhaugstett, bei dem kurz nach Mittag ein Haus in Flammen aufging. Die Darstellung fährt fort: "Von da ab kamen laufend Granaten in unseren Ort und Umgebung." Abwürfe schwerer Bomben am 15. Mai 1945 richteten kein Unheil an, denn "sie fielen in der Hauptsache auf Wiesen und Wälder nieder."

Gefallene Soldaten werden zuerst verscharrt

Die ganze Tragik des Fortgangs schildern folgende Passagen: "Montag, den 16.4.1945 setzte unsere Artillerie das Feuer auf die feindlichen Truppen westlich von Bad Liebenzell. Nachmittags um 2 Uhr wurde dies vom Feind erwidert. […] Die Wasserleitung erhielt durch den Beschuss einen Bruch, sodass das ganze Dorf an den Brunnen Wasser holen musste. Die Lichtleitungen und Telefon war alles zerstört. Leider kam die 20-jährige, ledige Landwirtstochter Emilie Kusterer, der es beide Füße weggerissen hat, ums Leben. Weiter wurde dem 57-jährigen Schreinermeister Gottlob Rau, jetziger Bürgermeister, der rechte Arm durch Granatsplitter weggerissen. Ein landwirtschaftl. Arbeiter (Ukrainer) erhielt einen Granatsplitter in den rechten Fuß. Zur gleichen Zeit ist der 26 Jahre alte Rudolf Kaminski aus Soest gefallen, weiter der Friedrich Röderer, Volkssturmmann, 40 Jahre alt, aus Lahr/Baden."

Weitere fünf benannte Soldaten aus verschiedenen Ecken Deutschlands im Alter von 19 bis 39 Jahren ließen in Unterhaugstett am nächsten Tag das Leben. "Die gefallenen Soldaten sind von ihren Kameraden auf unserem Gemeindefriedhof notdürftig verscharrt worden, welche dann später in Särge kamen, umgebettet worden sind und richtig begraben wurden", schließt der alte Bericht.