Das Kurtheater Schömberg wird 70 Jahre alt. Betreiber Florian Hammann feiert mit einem Festival – und lässt das Publikum entscheiden, was läuft.
Florian Hammanns zweites Wohnzimmer hat 153 Plätze: Die Sessel sind bequem, mit Samtbezug und in Rot gehalten. Der Raum hat Charme: Man sieht ihm sein Alter an, aber es steht ihm. Hammanns zweites Wohnzimmer ist das Kurtheater Schömberg, ein Kino auf dem Land, das in diesem Herbst sein 70-jähriges Bestehen feiert.
Seit Januar betreibt der Gechinger das Kurtheater. Ein Saal, dazu das Foyer und der Duft von Popcorn. Viel mehr gibt es nicht im Kurtheater. Aber wenn der Vorhang aufgeht, dann öffnet sich eine neue Welt. Für Hammann war es Anfang des Jahres ein berufliche Neubeginn. Als junger Mann hatte er bereits Kinos geleitet, dann der Branche aber den Rücken gekehrt. Die Rückkehr jetzt hat er nicht bereut. „Es macht mir total viel Spaß.“ Er gehe in seiner Arbeit auf.
Anspruchsvolles, gepaart mit Mut für Experimente
Dem Kurtheater hat er mit kleinen Veränderungen – hier ein neuer Anstrich, dort eine frischer Bezug und andere Bilder – schon seinen persönlichen Touch verliehen. „Mir ist wichtig, dass die Kinogänger sehen, dass sich etwas bewegt.“
Bewegt sind auch seine Erfahrungen. So sei im Mai und Juni, als das Wetter sehr gut war, kaum etwas losgewesen. Dafür war der September – dem neuen Streifen der Calwer Mania Pictures sei Dank – der bisher beste Monat für den neuen Kinobetreiber gewesen. „Ich bin zufrieden – zum Glück auch das Publikum.“
„Ich bin angetreten, um Kino für alle zu machen“, erzählt der James-Bond-Fan. Aber inzwischen hat er festgestellt: „Ich werde es nicht schaffen, Jugendliche und junge Erwachsene herzubekommen.“ Die gingen wohl lieber in den großen Städten ins Kino, wo sie nach der Vorstellung noch etwas unternehmen können.
Gerne Anspruchsvoll, aber auch oft Überraschend
Aber weil Hammann offen für Versuche ist, und Ausnahmen bekanntlich die Regel bestätigen, hat er gerade erst erlebt, dass Jugendgruppen aus der ganzen Umgebung gekommen sind, um „Real Life“, eine Doku über die letzten Lebensmonate des krebskranken Youtube-Stars Philipp Mickenbecker, zu sehen. Das hat ihn positiv überrascht, passt aber zugleich zu seinem Konzept: etwas anspruchsvollere Unterhaltung, am Wochenende Filme für Kinder, und dienstags und mittwochs – das sind eigentlich seine Schließtage – auch mal etwas Ungewöhnliches. So ist von Donnerstag bis Montag, 19. bis 23. Oktober, „Weißt du noch?“, eine Komödie mit Senta Berger und Günther Maria Halmer, zu sehen. Und am 24. Oktober die Dokumentation „Augenblicke: Gesichter einer Reise“ über die Fototour eines Street-Art-Künstlers und einer Regie-Ikone durch Frankreich. Die Vorstellung ist Teil der Filmreihe zum Schömberger Fotoherbst, eine Fotografie-Professorin aus Pforzheim gibt eine Einführung.
Aus jedem Jahrzehnt stehen Filme zur Auswahl
Ab November macht Florian Hammann den Filmfans dann anlässlich des 70. Geburtstags des Kurtheaters ein besonderes Geschenk: Er zeigt in einem Festival zum Jubiläum die besten Filme aus den sieben Jahrzehnten. Welche das sind? Das entscheidet das Publikum. Für jedes Jahrzehnt hat Hammann eine Vorauswahl getroffen. Im Rennen sind etwa „Das Fenster zum Hof“, „Frühstück bei Tiffany“, „Der weiße Hai“, „Zurück in die Zukunft“, „Forrest Gump“, „Der Herr der Ringe“ oder „Ziemlich beste Freunde“. Noch bis 27. Oktober kann abgestimmt werden unter kino-schoemberg.de/70-jahre.
Der Film für den Jubiläumsabend mit geladenen Gästen am 25. Oktober ist übrigens gesetzt: „Heide“ in Schwarz-Weiß – genau wie 1953, bei der allerersten Aufführung im Kurtheater Schömberg.
Die Geschichte des Kurtheaters Schömberg
Förderkreis
Seit 21 Jahren steht Jörg Trippe an der Spitze des Vereins Förderkreis Kurtheater Schömberg. Mit dem Kino verbindet ihn nicht nur sein Ehrenamt, sondern auch viele persönliche Erinnerungen.
Geschichte
Werner Trippe, der Vater von Jörg Trippe, hat das Kurtheater erbaut. Der Westfale war nach dem Zweiten Weltkrieg in Schömberg hängengeblieben – er heiratete Marga Bäuerle. Der Kaufmann begann 1947/48 damit, im „Ochsen“ Filme aufzuführen. Nach etwa fünf Monaten Bauzeit eröffnete im August 1953 das Kurtheater. Seinen Namen erhielt es, weil es zu Beginn eine Bühne vor der Leinwand gab, wo Kabarett oder Konzerte stattfanden. Erst ab 1957 gab es mit dem Kurhaus einen Veranstaltungsort dafür. Das Kurtheater wurde zum reinen Kino mit 220 Plätzen. Siebe Tage die Woche gab es Vorstellungen. „Es war meistens ausverkauft“, erzählt Trippe. Erst mit dem Aufkommen des Fernsehens änderte sich dies. Jörg Trippe erinnert sich auch an Außenspielstätten in Bad Herrenalb, Dobel, Enzklösterle, Höfen und Unterreichenbach. Er selbst war als junger Kerl eingespannt, musste die Filme dorthin fahren oder kassieren. Und er erinnert sich an einen Spleen seines Vaters: Der zeigte jedes Jahr die Faust-Verfilmung mit Gustaf Gründgens als Mephisto. Dabei kam gerade einmal ein zahlender Gast, ein Arzt. „Er wollte einfach gute Filme anbieten“, sagt Trippe über Vater Werner, Jahrgang 1916. Dieser betrieb das Kino bis 2001/02. Danach sicherten die Gründung des Förderkreises sowie die finanzielle Unterstützung des Vereins, der Gemeinde Schömberg und des Landes Baden-Württemberg das Überleben des Kurtheaters. Zumindest die Fixkosten sind so gedeckt. Der Rest liegt seit Januar in der Hand von Florian Hammann. „Ein Cineast“, wie Trippe lobt. „Das macht er super gut.“ Wenn es so weitergehe, komme das Kino dieses Jahr auf fast 7000 Besucher. Vor der Pandemie waren es in der Regel 5000. „Das liegt nicht nur an den Filmen, die er auswählt“, meint Jörg Trippe. Sondern auch daran, dass Hammann das Kurtheater mit Herzblut betreibe.