Eine Meisterleistung brachte das Ensemble mit dem Stück “Extrawurst“ auf die Bühne des Kurtheaters. Foto: Gerhard Keck

Im Kurtheater von Freudenstadt ging die Dramödie „Extrawurst“ um einen Tennisclub mit großem Einsatz des Schauspieler-Quintetts über die Bühne. Im Spiegel des Schauspiels vermochten sich Besucher gewiss selbst zu erkennen.

„Extrawurst“ ist eine Produktion von Euro-Studio Landgraf unter der Regie von Frank Matthus. Die preisgekrönten Autoren Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob führen ihr Werk unter der literarischen Form „Dramödie“, einer Mischform aus Drama und Komödie. Diese Nichteindeutigkeit signalisiert, was hinter dem Schauspiel steckt: einerseits Elemente des Tragisch-Dramatischen, andererseits solche, die durchaus das Komödiantische bedienen.

So planscht das Publikum fortwährend in einem Wechselbad der Gefühle: hier als Ertappte in der Pflege von eigenen Vorurteilen, dort im befreiten Lachen, weil einen der ganze Hickhack angeblich doch nicht zu betreffen vermag.

Grill wird zum Streitpunkt

Der Begriff „Extrawurst“ trägt im allgemeinen Sprachgebrauch den Geruch des Abseitigen. In der Dramödie ist er Anlass für Zerwürfnisse, scheinbar unüberbrückbare Differenzen, für alte Rechnungen, die der eine dem anderen unerwartet aufmacht. Was steckt dahinter?

Auf der Mitgliederversammlung eines Tennisclubs herrscht eitel Genugtuung darüber, dass der Präsident einstimmig wiedergewählt worden ist. Dieser Frohsinn verliert sich, als unter dem Punkt „Sonstiges“ ein Mitglied noch eine Anregung äußert: Ein neuer Grill soll beschafft werden. Das müsste gar keine große Sache sein, wenn sie nicht einen Haken hätte: Plötzlich taucht der Vorschlag auf, für Erol, den einzigen türkischen Spieler, einen Extragrill zu beschaffen, da er aus Glaubensgründen seine Würstchen nicht auf demselben Rost wie Würstchen aus Schweinefleisch braten dürfe.

Jetzt wird aus einer gewöhnlichen Bratwurst ein Zankapfel – mit ähnlicher Wirkung wie jener aus der griechischen Mythologie. Eine Art Glaubenskrieg wird losgetreten, in dem das Quintett aus Gerd Silberbauer (Vorsitzender), Daniel Pietzuch (zweiter Vorsitzender), Matthias Happach (Erol), Susanne Theil (Melanie) und Hans Machowiak in der Rolle ihres Ehemanns Torsten zu großer Form aufläuft.

Da prallen Gegensätze aufeinander, in denen die Protagonisten ihr Innerstes nach außen kehren wie von Erol: „Egal, was ich mache oder sage, es ist immer falsch! Türken stören eben!“ So geht es im Verlauf der Auseinandersetzungen auch ums Grundsätzliche: „Kommt das Wort ‚Grillwurst‘ im Koran überhaupt vor?“ oder „Im Tennisclub geht’s um Tennis, nicht um Glauben!“ Eifersucht macht sich breit. Torsten zu Melanie nach einem Sieg: „Du hast Erol eineinhalb Minuten lang umarmt!“ Bei genauer Betrachtung waren es aber nur vier Sekunden.

Auf Worte folgt Gewalt

In diesem Hin und Her der Gefühlsausbrüche sind keine Kompromisse möglich, es zählt nur noch die eigene, häufig beschränkte Sicht. Vereinsämter werden zur Disposition gestellt, Mitgliedschaften gekündigt, körperliche Gewalt steht am Ende der verbalen Exzesse.

Auf geradezu tragische Weise erfüllt sich das Verdikt des Philosophen Montaigne, wonach Disputanten, wenn Argumente nicht mehr ziehen, auf den Menschen selbst losgehen. Nebenschauplätze gewinnen unvermutet Bedeutung: Was ist mit den Vegetariern unter den Vereinsmitgliedern? Und überhaupt: Weshalb darf man seine Meinung nicht sagen, ohne gleich als Nazi abgestempelt zu werden?

„Extrawurst“ als Kammerspiel ist eine Parabel auf die verheerende Wirkung von Egoismus und Intoleranz. Am Ende der glänzenden Aufführung steht Ernüchterung: Wenn die Alten mit ihrer betonierten Überzeugung nicht mehr flexibel sind, müssen eben die Jungen ran. Das Publikum dankte dem Ensemble mit lebhaftem Beifall.