Nachbarstaaten von Deutschland wie Frankreich, Österreich oder die Schweiz zählen zu den Gewinnern der deutschen Energiewende. Die Strompreise steigen dort deutlich langsamer als hierzulande – oder sie sinken sogar. Foto: dpa

Ausländische Stromkunden sind die eigentlichen Nutznießer der deutschen Energiewende. Durch den Ausbau von Solar- und Windkraft sinken die Preise in vielen Nachbarländern. Die deutschen Haushalte dagegen müssen saftig draufzahlen.

Frankfurt/Stuttgart - Die Energiewende ist um eine Kuriosität reicher: Weil Deutschland den Ausbau von Ökoenergien wie Wind- und Solarkraft vorantreibt, sinken in Europa die Strompreise tendenziell – in Deutschland nicht.

„Die Verbraucher in anderen Ländern profitieren“, sagte Tobias Federico, Geschäftsführer der Berliner Energieberatung Energy-Brainpool, unserer Zeitung. In Deutschland dagegen steigen die Stromtarife unaufhörlich, weil das Land auf Grün umschaltet. Mehr als die Hälfte der Energieversorger hat zum Jahreswechsel Tariferhöhungen um durchschnittlich zwölf Prozent angekündigt. Deutlich über tausend Euro im Jahr zahlt eine Durchschnittsfamilie mittlerweile allein für Strom. Die Preissprünge gehen dabei hauptsächlich auf die Kosten zur Finanzierung der Energiewende zurück. Mittlerweile ist Strom nur in Dänemark und Zypern teurer als in der Bundesrepublik.

Teurer Strom in Deutschland, günstige Tarife in den Nachbarländern. Und alles wegen der Energiewende? Die scheinbar paradoxe Situation entsteht, weil die sehr hohen Kosten des Jahrhundertprojekts hauptsächlich in Deutschland anfallen, die positiven Effekte aber gesamteuropäisch wirken.

Jedes Jahr eine Milliarden Euro Kosten

Der Ausbau von neuen Solaranlagen, Windrädern, Biogasanlagen und Leitungen kostet jedes Jahr Milliarden Euro. Nach Daten des Energie-Branchenverbands BdEW schlug die Ökoförderung für die deutschen Stromkunden allein 2012 mit 14,1 Milliarden Euro zu Buche. Das Geld wird über Steuern und Abgaben auf den Nettostrompreis aufgeschlagen und somit auf die deutschen Haushalte und Unternehmen umgelegt. Bei einem Endkundenpreis von etwa 26 Cent je Kilowattstunde beträgt der Staatsanteil – ein gut Teil davon geht auf die Ökoförderung zurück – derzeit rund 45 Prozent oder 11,7 Cent. Tendenz: stark steigend.

Die Energiewende verursacht aber nicht nur Kosten, sie wirkt auch preisdämpfend – vor allem an den Strombörsen, wo sich Energieversorger mit Energie eindecken können. Um bis zu 0,7 Cent je Kilowattstunde sind die Börsenpreise am maßgeblichen Handelsplatz, der Leipziger EEX, in den vergangenen Monaten gesunken – vor allem weil die günstig produzierenden Solaranlagen und Windräder alte Meiler mit hohen Betriebskosten aus dem Geschäft katapultieren. Bei durchschnittlichen Börsenpreisen von derzeit rund 4,3 Cent je gehandelter Kilowattstunde ist das ein erheblicher Abschlag von gut 16 Prozent.

Der Strompreis an den Börsen sinkt also, und anders als die steigende Steuer- und Abgabenlast auf Strom in Deutschland macht dieser Trend nicht an Ländergrenzen halt. Er kommt allen zugute – auch den Nachbarstaaten.

Hohe Abgabenlast überkompensiert die sinkenden Preise in Deutschland

Der Preisrückgang an den großen deutschen Stromhandelsplätzen schlägt mitunter sogar voll auf die Tarife in anderen Staaten durch. Österreich etwa bildet in Sachen Energie einen gemeinsamen Markt mit Deutschland. Die Börsenpreise dies- und jenseits der Grenze sind dieselben. Und auch in Frankreich und den Benelux-Staaten pendeln sich die Notierungen nach Angaben der europäischen Strombörse Epex Spot an rund 220 Tagen im Jahr auf deutschem Niveau ein. Ähnliches gilt für die Schweiz. „Erneuerbare Energien drücken die Börsenpreise europaweit“, sagt Patrick Adigbli, Analyst bei Epex Spot. Besonders, wenn Energie stark nachgefragt sei, etwa zur Mittagszeit, sei der Effekt ausgeprägt.

Das Problem in Deutschland: Die hohe Abgabenlast überkompensiert die sinkenden Preise – Strom wird so in Deutschland teurer.

Leistet sich Deutschland also eine kostspielige Energiewende, von der zuallererst das Ausland profitiert? Energiefachmann Federico sieht das differenzierter. Für die Haushalte und die Industrie im Ausland ergebe sich in den meisten Fällen tatsächlich ein Vorteil, sagt er. Anders sehe es bei der Energiewirtschaft aus, etwa den Kraftwerksbetreibern. Der Betrieb ihrer Meiler lohne sich durch die sinkenden Erlöse an den Strombörsen immer weniger.

Bei der österreichischen Regulierungsbehörde für den Energiesektor, E-Control, heißt es, das deutsche Großprojekt führe für die Alpenrepublik insgesamt zu Mehrkosten, etwa weil neue Netze und Stromspeicher aufgebaut werden müssten. In Summe koste die deutsche Energiewende einen österreichischen Haushalt 55 Euro im Jahr. Von dem Preisverfall von Strom – seit 2008 sind die Preise für die Energieversorger ähnlich wie in Deutschland immerhin um rund ein Fünftel zurückgegangen – profitierten die Kunden nur zum Teil. Der Grund ist allerdings ziemlich profan: Die meisten Energiekonzerne geben die Ersparnis schlicht nicht an ihre Kunden weiter.