Täter stehlen im Regierungspräsidium AKW-Katastrophenschutzplan und schicken ihn per Post zurück.

Stuttgart - Wie gehen Behörden vor, wenn es im Atomkraftwerk (AKW) Neckarwestheim zu einem schweren Störfall kommt? Vermutlich mehrere Einbrecher wissen das jetzt ganz genau. Sie haben im Regierungspräsidium Stuttgart (RP) den Katastrophenschutzplan für das AKW gestohlen - und den prall gefüllten DIN-A4-Ordner wenig später per Post ans RP zurückgeschickt.

Wollen Sie wissen, wie die Evakuierung im Ernstfall abläuft, wer den Einsatz koordiniert und wo Sammelstellen eingerichtet werden? Kein Problem. Sie müssen dafür keine Straftat begehen. "Jeder interessierte Bürger kann sich den Katastrophenschutzplan im Regierungspräsidium anschauen", sagt Behördensprecher Clemens Homoth-Kuhs. Freilich hält sich der Ansturm auf das sogenannte Offenlegungsexemplar in engen Grenzen. Im Jahr 2010 begehrte nur eine Frau aus Tübingen Einsicht - und jetzt, wenige Tage vor dem Einbruch, ein Mann.

Wie erst jetzt bekannt wurde, ist in der Nacht vom 21. auf den 22. März das Büro des Sachgebietsleiters Katastrophenschutz im Regierungspräsidium aufgebrochen worden. Die Täter, mutmaßt die Polizei, haben sich am Montagabend in der weitläufigen Behördenzentrale in Vaihingen einschließen lassen. Sie verschwanden mit ihrer Beute - dem rund 300 Seiten starken Ordner - vermutlich mit dem Eintreffen der ersten Beschäftigten am Dienstagmorgen. Tags darauf war der persönliche Katastrophenschutzplan des Sachgebietsleiters aber schon wieder da. Er kam als Päckchen ins Haus. Ohne Absender, versteht sich.

Ist der Mann in den Einbruch verwickelt, der wenige Tage zuvor im Büro des Katastrophenschutzleiters gesessen war? Er kam unangemeldet, sah sich den Papierstapel an, wollte ihn mitnehmen, um Kopien zu machen. Das wurde ihm, so Homoth-Kuhs, untersagt. Der Besucher sei empört und erbost abgezogen. Seinen Namen gab er nicht preis. Nur so viel: "Bürger aus Hamburg".

Anonym geblieben ist er freilich nicht. "Wir wissen, wer die Unterlagen angeschaut hat", so der Stuttgarter Polizeisprecher Stefan Keilbach am Donnerstag. Der Mann werde in dem Fall als Zeuge befragt. Noch weiß die Polizei aber nicht, wer im RP eingebrochen ist: "Der Ordner ist beim Landeskriminalamt und wird auf Finger- und DNA-Spuren untersucht", so Keilbach. Bei dem "Bürger aus Hamburg" handelt es sich nach Informationen unserer Zeitung um ein Mitglied von Greenpeace.

Haben die Täter im Ordner des Sachgebietsleiters etwas gefunden, was im Offenlegungsexemplar ausgespart wird? Gibt es darin Hinweise auf einen Skandal? "Es ist nichts Brisantes drin", sagt der RP-Sprecher. Ein paar handschriftliche Anmerkungen des Eigentümers - und eine Adressenliste. Darin enthalten: Landrats- und Bürgermeisterämter, Feuerwehren, Polizei, DRK, Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen oder Trinkwasserversorger im Umkreis des Atomkraftwerks. "Es sind keine Politiker drin und keine privaten Nummern", versichert Homoth-Kuhs.

Eine abgespeckte Version des Katastrophenschutzplans - eine 26 Seiten starke Broschüre - befindet sich auf der Internetseite des Regierungspräsidiums Stuttgart.