Flankiert von Frauen in farbenprächtigen Trachtenkleidern aus dem Norden Kurdistans: Referentin Gulistan Tanhan-Ates Foto: Kuhnert

Ein Abend im Ringhof über Geschichte, Kultur, Politik und Verfolgung in Kurdistan ging unter die Haut. Vier Flüchtlinge erzählten dabei auch von ihrem Leben in Deutschland.

Nachdenklich und betroffen verließen die meisten der Zuhörer einen stark besuchten Informationsabend des Freundeskreises Asyl im Gemeindehaus Ringhof. Unter der Überschrift „Kurdistan verstehen“ informierte das kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit mit Sitz in Reutlingen über Kultur, Politik und Verfolgung der Kurden.

 

In einem zweiten Teil des Abends stellten sich vier im Kreis Freudenstadt lebende kurdische Flüchtling den Fragen von Stefan Gohr, Sprecher des Freundeskreises Asyl. Die Realität und Nähe dieser Gespräche gingen unter die Haut.

Alle vier Flüchtlinge stehen in noch offenen Asylverfahren, eine Frau und zwei Männer sind politisch Verfolgte, haben in der Türkei langjährige Haft und Folter erlebt. Ihnen sind weitere Gefängnisstrafen sicher, wenn sie zurückkehren müssen. Eine Mutter mehrerer Kinder wird aus religiösen Gründen verfolgt, hat Angst um ihr Leben.

Gohr spricht Klartext

In Deutschland leben rund 1,5 Millionen Kurden, etwa 150 000 in Baden-Württemberg. Sie erleben „große Hürden“, stoßen auf Unverständnis, fühlen sich kriminalisiert und spüren antikurdischen Rassismus. Dieser könne auch auf historisch gewachsenen Vorurteile beruhen, die Kurden durch die Bank als „gefährlich“ einstufen. Dies hatte zuvor Referentin Gulistan Tanhan-Ates ausgeführt.

Viele Kurden seien enttäuscht über die Haltung der Bundesregierungen, die nichts bis wenig gegen die Generalverurteilung der Kurden in Deutschland tue. Gohr ging noch weiter: „Offensichtlich soll das Wohlwollen des Erdogan-Regimes nicht verspielt werden. Das scheint wohl wichtiger als die Wahrung der Menschenrechte“.

Den zusammen mit der kurdischen Gemeinde Freudenstadts veranstalteten Abend hatte Gulistan Tanhan-Ates mit einem einstündigen Informationsblock eröffnet. Sie hat 26 ihrer 28 Lebensjahre in Deutschland verbracht, ist ausgebildete Kauffrau, studiert Jura in Tübingen und ist Sprecherin der als PKK-nahe geltenden Föderation der Kurdischen Gesellschaft in Bayern und Baden-Württemberg.

Sie führte ein in die komplexe Geschichte des „Volks aus der bergischen Landschaft, das größte staatenlosen Volk“. Die etwa 60 Millionen Kurden in mehreren religiösen Gruppen leben im Grenzland von Syrien, Irak, Iran sowie als weitaus größte Gruppe in der Türkei.

Kampf um Freiheit

Die Geschichte eines der ältesten Völker der Erde mit Jahrtausende alten Bräuchen, Liedern und Tänzen schilderte die Rednerin als einen bis heute andauernden Kampf um Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung und kulturelle Rechte.

In der Türkei mündete der Kampf der Kurdischen Arbeiter Partei (PKK) nach jahrelangen gewalttätigen Auseinandersetzungen mit türkischen Regierungen in der Selbstauflösung der Partei und 2024 im spektakulären Verbrennen der Waffen, „um den guten Willen zu zeigen“, wie Tanhan-Ates sagte.

Der Weg zur Normalisierung und Aussöhnung gehe den Kurden heute zu langsam und werde nur halbherzig gegangen. „Frieden“, so die engagierte Kurdin, „ist das einzig Richtige und Langfristige“.