Das Kurtheater "D’Solspritz" bei seiner 30-Jahr-Feier 1949 mit dem Bühnenprogramm "Zirkus Salino". Bei den Laienspieler waren einige Bad Dürrheimer dabei, so beispielsweise ganz links der spätere Bankdirektor Arthur Grießhaber, der immer den jugendlichen Liebhaber spielte, oder Fünfter von links (stehend) Erna Hirt und Vierte von rechts Zitha Kaiser.Foto: Archiv Kauth Foto: Schwarzwälder Bote

Historie: Arzt Paul Harraß, Ehefrau Edith und Gustav Holderbach gründen 1919 das Kur-Theater

Das Bad Dürrheimer Kur-Theater war eine Institution, die heute kaum jemand mehr kennt. Es existierte zwischen 1919 und 1953 und entstand unter den Fittichen des Arztes Paul Harraß, seiner Frau Edith Harraß und des Lehrers Gustav Holderbach.

Bad Dürrheim. Zunächst waren es Soldaten des Reservelazarettes, das im späteren Kurheim Sanatorium untergebracht war, die sich in ihrer Genesungszeit mit dem Theaterspielen auseinandersetzten. Nach Auflösung des Lazaretts 1921 entstand dann nach einer Verschnaufpause das eigentliche Kur-Theater, denn das Ehepaar Harraß konnte nicht mehr von seinem Theater lassen und auch die Bevölkerung und frühere Gäste fragten immer wieder danach.

Stühle aus Kino

Die Kulissen, Dekorationen und Kostüme hatte man 1921 alle verkauft und den Erlös der Witwe und den fünf Kindern eines verstorbenen Lazarett-Kameraden gespendet. So begann man wieder bei Null. Alle Mitwirkenden packten mit an, und Harraß organisierte Stühle aus einem aufgegebenen Kino.

Harraß war Chirurg und aus gesundheitlichen Gründen später als Allgemeinmediziner und Badearzt in Bad Dürrheim tätig. Er führte hier Regie und schrieb auch Theaterstücke selbst. Seine Frau war gelernte Schauspielerin und Tänzerin, die in Berlin Großstadterfahrung am Theater gemacht hatte. Sie spielte in aller Regel die weibliche Hauptrolle. Beide führten Künstlernamen: Edith Morgan und Jules Arco. Auch einige Dürrheimer beteiligten sich damals an den Aufführungen. Herausragend unter den Spielern, obwohl ohne professionelle Ausbildung, wird Fritz Senk beschrieben, der als ehemaliger Lazarettinsasse eine Dürrheimerin geheiratet hatte und von Anfang bis Ende beim Ensemble blieb.

Kritiker aus ganz Deutschland lobten das "provinzielle" Laientheater und stellten es oft gleich mit teuer finanzierten Theatern in Nobelkurorten. Harraß schätzte es sehr, dass viele Dürrheimer als Schauspieler mitmachten – nur der hiesige Dialekt war für ihn "nicht für die große Weltbühne geschaffen". Daher wurde kurzerhand eine "Sprachschule" für Hochdeutsch im Probelokal Gasthaus Rössle eingerichtet.

Partys im Hause Harraß

Verdient haben die Schauspieler nur ein paar Mark. Entlohnung gab es bei den diversen Nachfeiern in hiesigen Gaststätten oder direkt beim Ehepaar Harraß daheim. Bei vielen Festen waren dort 30 bis 40 Gäste im Hause – von der Kellerbar bis unters Dach. Dabei kamen die Gäste aus allen sozialen Schichten der Gemeinde und erfreuten sich an der herzlichen Art der Gastgeberin. In Dürrheim erregte die elegante Großstädterin großes Aufsehen, denn sie setzte sich gerne in Szene – als Profi-Schauspielerin und Grande Dame.

Schmunzeln verursacht die Tatsache, dass Edith Harraß oft ihr halbes privates Wohnzimmer mit Möbeln, Teppichen und Gemälden als Bühnenbild zur Verfügung stellte. 1933 passierte auf einer Tournee-Fahrt ein Unglück, bei dem ein weibliches Ensemblemitglied, Helene Spretke, ums Leben kam. Danach kam es aufgrund dieses Schocks zu einer Pause im Betrieb, auch weil das Kurheim-Sanatorium, in dem die Theatergruppe auftrat, die ehemalige Remise (Wandelhalle) als Spielort aufkündigte. Diese stand rechts von der heutigen Luisenpassage.

Bei Kurgästen beliebt

In den Jahren 1940 bis 45 sorgten die Schauspieler dann wieder für andere Gedanken bei den Fronturlaubern und den Lazarettinsassen durch Schattenspiele und bunte Abende. 1947 stieg Paul Harraß wieder kurz bei der Gruppe ein und machte mit seinem Theater auch viele Tourneen durch die Provinz. Das Ensemble hieß seit 1938 Kurkabarett "D’Solspritz", und die Kurgäste rissen sich um die Plätze bei den Aufführungen. Eine der jungen Schauspielerinnen – Hilde Ernst – entwickelte damals ein erstaunliches schauspielerisches Talent. Als sie dann heiraten wollte, packte die ganze Truppe mit an: Man fuhr in den Kaiserstuhl und spielte dort in Bischoffingen und Ihringen nicht für Geld, sondern für Wein. So konnte die Hochzeitsfeier wenigstens mit einem guten Tropfen stattfinden.

Mangels Französischkenntnissen führte man die vorhandenen Theaterstücke wie die Schattenspiele ohne Worte auf – und hatte bei den französischen Besatzungssoldaten hier den gleichen Lacherfolg wie vorher bei den deutschen Gästen. Das aufkommende Kino- und Fernsehzeitalter trug dann 1953 zum baldigen Ende des Bad Dürrheimer Kurtheaters bei.