Vernissage: Ausstellung des Kunstvereins thematisiert Höhen und Tiefen des Lebens / Wochenends geöffnet
Wer hoch hinaus will, sollte beim Blick in die Abgründe, die sich vor ihm auftun, schwindelfrei sein, heißt es. "Von Gipfeln, Seilschaften und Abstürzen" erzählt die neue Ausstellung im Weißen Häusle und in der Villa Eugenia.
Hechingen. Den Versuch, der Werkschau auf den Grund, pardon, Abgrund zu gehen, kann man in der Tat mit einer Bergwanderung vergleichen. Man muss etwas dafür tun. Mal schnell locker und leicht ans Ziel – das ist nicht drin. Und, so erfuhren am Sonntag die Vernissagebesucher: Ungesichert geht das schon mal gar nicht. Da ist guter Rat teuer. Zumal der Weg vom Weißen Häusle zur Villa Eugenia irgendwie gemeistert werden muss Thomas Putze hat jedoch vorgesorgt und seine Kletterausrüstung mitgebracht. "Bedient Euch", ermuntert er Gäste, die am Anfang noch etwas ratlos dreinblicken.
Die Vorsitzende des Kunstvereins, Sabine Wilhelm-Stötzer, macht den Anfang und greift beherzt nach einem Karabiner. Und die anderen tun es ihr nach. "Einhängen nicht vergessen", gibt Putze den "Bergwanderern" noch mit auf den Weg und dann geht es auch schon los – im Gänsemarsch in Richtung Villa.
Nach anfänglichen Problemen am Ende der Seilschaft und einer kurzen Phase der Orientierungslosigkeit läuft es schließlich rund. Die Gruppe umrundet den kreisförmigen Weg, der Gipfel ist nahe. Dann tut sich jedoch ein scheinbar unüberwindbares Hindernis auf: die Mauern der ehemaligen Fürstenresidenz. So kurz vor dem Ziel mag Thomas Putze jedoch nicht aufgeben. Behände hüpft er auf den Fenstersims und demonstriert die besten Klettergriffe.
Die Blicke seiner "Mitwanderer" werden skeptischer. Da sollen wir rauf? Na gut, lenkt der "Bergführer" schließlich ein, später. Jetzt erst mal eine Rast und das Panorama genießen. Wie könnte man das besser als mit Musik, die die Künstler Andreas Welzenbach, Thomas Putze und Axel Brandt selbst beisteuern.
Bereits an diesem Punkt merkt der erfahrene Kunstinteressierte: Diese Vernissage ist anders als andere Ausstellungseröffnungen. Ob es die Werkschau auch ist? Jedenfalls entwirft sie, wie Kunsthistorikerin Katrin Burtschell in ihrer Einführungsrede erläutert, ein "vielseitiges Szenario", das gleich mehrere Fragen durchspielt. Kann man schwindelfrei durchs Leben gehen? Oder ist das Leben überhaupt schwindelfrei? Unvorhergesehene Situationen gibt es freilich immer. Das ist nicht anders als bei einer Bergwanderung. Und der Weg zum Gipfel ist natürlich stets ein individueller – ebenso wie es auch die Arbeiten von Andreas Welzenbach, Thomas Putze und Axel Brandt. Einige Dinge haben sie dennoch gemeinsam: "Sie mischen den Kunstbetrieb gehörig auf." Und: Sie entwerfen "Kunst, die zum Lachen bringt, aber auch nachdenklich stimmt." Die "nicht perfekt ist, es aber auch nicht sein will", vor provozierender Lebendigkeit sprüht und stets vor Augen führt: "Auf jeden Höhenflug folgt auch mal ein Absturz."
Eben das bringen die Skulpturen, Holzinstallationen und Tuschezeichnungen zum Ausdruck. Mit frischer Respektlosigkeit und tiefsinnigem Humor verteilen sie künstlerische Seitenhiebe und offenbaren "die Abgründe zwischen Künstlerdasein und Alltag."
So entlarven etwa Selfie-Posen, "dass wir nicht schwindelfrei sind." Traditionelle Holzskulpturen werden auf der "künstlerischen Spielwiese" uminterpretiert, sodass der "Oberforstinspektor" schon mal kurzfristig aus dem Tritt gerät oder der Mönch von Wein auf Bier umsteigt. "Knochentrockener Humor und die frische Respektlosigkeit" als kreative Kommentare zu einer Gesellschaft, die nur das zeigt, was sie eben zeigen will.
Von 14 bis 17 Uhr
"Berge sind stille Meister und machen schweigsame Schüler", sagte einst Goethe. Leise sind die drei Künstler, deren Arbeiten bis zum 10. Oktober, jeweils samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr im Weißen Häusle und in der Villa Eugenia zu sehen sind, allerdings nicht. Ihre Botschaft hallt vielmehr nach – wie das Echo im Gebirge.