Monira Al Qadiri ist eine der erfolgreichsten Künstlerinnen der Golfregion. Ihr Thema: Erdöl. Foto: Miro Kuzmanovic/Miro Kuzmanovic

Kunst ist häufig abgehoben. Monira Al Qadiri schafft köstlich schimmernde Skulpturen, die allerdings knallhart bewusst machen, wie es um die Welt steht.

Hier braucht man keine langatmigen Erklärungen, denn es ist unübersehbar: Diese Vögel sind tot. Die Möwen und Amseln, die Enten und Gänse, sie alle sind jämmerlich verreckt. Das Öl hat ihre Federn so verklebt, dass sie erstickt sein werden. Nun liegt das Federvieh in schwarzen Lachen mitten im Museum. Ein gruseliger Anblick.

Monira Al Qadiri weiß, wie sie Gefühle kitzelt. Die Künstlerin zielt gern direkt aufs Empfinden ihres Publikums ab – in jeder Hinsicht. Denn sie weiß auch, was gefällt: köstliche schimmernde Oberflächen, bunt schillernde Flächen. Doch kaum lässt man sich verführen von der Schönheit und dem ästhetischen Vergnügen, das die Künstlerin einem bereitet, schon schleicht sich Unbehagen ein. Denn kennt man diese tollen Farbspiele und Regenbogeneffekte nicht von Ölfilmen?

Es rattert und dröhnt

Im Kunsthaus Bregenz erwartet das Publikum derzeit ein Wechselbad der Gefühle in der neuen Soloschau von Monira Al Qadiri, die sich mit nur einem einzigen Thema befasst: Öl, Erdöl. Sie ist in Kuwait aufgewachsen und hat dort miterlebt, wie das Öl dem Nahen Osten einen rasanten Aufstieg ermöglichte. Das hat die vierzigjährige Künstlerin weltweit bekannt gemacht, denn an dem Thema kommt niemand vorbei. Ob in der Bodylotion, der Verpackung oder im Tank, Öl sei der Stoff, sagt sie, nach dem „wir in der modernen Welt so süchtig sind“.

Entsprechend rumpelt und rattert es im Kunsthaus Bregenz. Wie auf dem Jahrmarkt drehen sich eigenwillige Skulpturen. Sind es Fahrzeuge? Maschinen? Die Künstlerin weckt die Fantasie – und schon assoziiert man brutales Gerät, das sich mit Wucht in die Erde bohrt, um Öl zu gewinnen. Bei aller Schönheit ahnt man, wie martialisch Mutter Natur dabei zugesetzt wird.

Der Opa hat für die Perlentaucherinnen gesungen

Monira Al Qadiri wurde 1983 geboren. Ihr Opa war noch Sänger auf einem Perlentaucherschiff – bevor das Öl das traditionelle Perlentauchen verdrängte. Sie hat den Krieg und die brennenden Ölquellen miterlebt. Wochenlang habe eine Giftwolke über dem Land gehangen, Vögel und Fische seien massenweise gestorben, erinnert sie sich. Später beim Studium sei diese verheerende Umweltkatastrophe als Propaganda abgetan worden. Deshalb will Al Qadiri mit ihrer Kunst auch die falschen Erzählungen korrigieren.

Die Klagegesänge der Schnecken

Hierzu klopft die Künstlerin das Thema Öl aus verschiedensten Richtungen ab und fördert dabei allerhand interessante Details zutage. So würden Öltanker mit Tributylzinn behandelt, damit sich keine Algen, Seepocken und Schnecken am Schiffsrumpf festsetzen. Pech für die Purpurschnecken – denn der Stoff führt dazu, dass weibliche Tiere männliche Geschlechtsmerkmale ausbilden. Diese armen Tiere stimmen in der Kunsthalle Bregenz nun einen traurigen Klagegesang an. Al Qadiri hat zwei überdimensionierte Schneckenfiguren geschaffen, die erzählen, wie sie versucht hätten, „zu begreifen, was passiert ist“. Diese Monologe vermenschlichen die Tiere, um die Dimension dieses Eingriffs in die Natur bewusst zu machen und Empathie zu wecken für die kleinen Schnecken irgendwo im weiten Meer.

Schöne Bohrkronen werden in den Boden gerammt

So kann man allerhand lernen von Al Qadiris und sich zum Beispiel auch ein Bild von Benzol oder Propan machen. Die Künstlerin hat deren Molekülstrukturen riesenhaft vergrößert zu köstlich schimmernden Ballon-Skulpturen, die im Ausstellungsraum zu schweben scheinen. Auch ohne chemisches Grundwissen ziehen diese aufgeblasenen Objekte den Blick auf sich, weil sie so geheimnisvoll, so dominant und schön sind.

Auch an den Wänden hängen ansprechende Objekte, die ausschauen wie die Kronen von Charles und Camilla. Doch diese Kronen sind nicht für edle Häupter geschaffen, sondern greifen die Form von Bohrkronen auf. Die können mit ihren gleichmäßigen Rillen, den Haken und Furchten den Widerstand der Natur brechen und sich ins Erdreich oder den Meeresboden hineinfräsen.

Sie ist sicher: Nach dem Ölboom wird Kuwait kollabieren

Bei allem düsteren Hintersinn versteht es die Künstlerin, das Auge immer auch mit schönem Oberflächenreiz zu verführen. Diese Objekte besitzen eine perfekte und schillernde Außenhaut, die an teure Speziallackierungen von Autos erinnert. Denn bei Monira Al Qadiri erzählt auch das Material selbst von den süßen Verheißungen des Ölzeitalters. Sie habe wie viele zunächst geglaubt, dass die Ölphase nicht lange andauern werde, und ist sicher: „Irgendwann wird der Ölmarkt zusammenbrechen.“ Dann allerdings werde ihr Heimatland „mehr oder weniger kollabieren“. Sie müsste es nicht scheren, aber auch wenn sie längst in Berlin lebt, begleite sie stets „dieses Gefühl, verloren zu sein und in eine unbekannte Zukunft zu blicken“.

Ausflugsziel Bregenz

Kulturangebot
Bregenz hat ein vielfältiges Kulturangebot. Neben dem Kunsthaus lohnt sich ein Besuch des Vorarlberg-Museums, das die Geschichte der Region auf interessante Weise mit der Gegenwart verknüpft. Vom 19. Juli bis 20. August finden zudem die Bregenzer Festspiele statt. Auf der Seebühne wird Puccinis „Madame Butterfly“ aufgeführt.

Ausstellung
Die Ausstellung „Mutant Passages“ von Monira Al Qadiri ist bis 2. Juli zu sehen, geöffnet Di–So 10 bis 18 Uhr, Do bis 20 Uhr. adr