An der Kurbel des Butterfasses zu drehen, war früher Kinderarbeit und die reinste Strafe. Monika Laufenberg zeigt, wie es geht. Foto: Fotos: Steinmetz

Kulturtankstelle: Einzelne Gegenstände spiegeln die Lebens- und Arbeitswelt in Börstingen wider

"Wir gehen viel in Museen", sagen Monika und Reinhold Schanz. Doch in Börstingen standen sie am Sonntag zunächst vor verschlossener Tür. Zum Glück hatte Monika Laufenberg, Vorsitzende des Fördervereins Heimat und Kultur, ihre Telefonnummer an der Eingangstür der Kulturtankstelle hinterlassen. Die beiden Besucher bekamen eine exklusive Führung.

Starzach-Börstingen. Wegen des schlechten Wetters am Sonntag musste die Außenbewirtung abgesagt werden. Monika Laufenberg hat für das aus Nagold angereiste Ehepaar dennoch gern das Museum geöffnet. Die beiden zeigen sich im Gespräch mit unserer Zeitung höchst beeindruckt, wie in den Ausstellungsräumen das dörfliche Leben dargestellt wird. "Die Jungen wissen heute nicht mehr, wie die Großväter gearbeitet haben. Ich selbst habe noch mit der Sense das Gras gemäht", erzählt Reinhold Schanz. "Es ist schön, dass im Dorf die Kultur gewahrt wird", ergänzt seine Frau.

Das Börstinger Dorfmuseum ist 2006 auf Initiative von Rolf Schorp aus Bieringen, von dem auch viele Austellungsobjekte stammen, eröffnet worden. 2007 wurde die "Kulturtankstelle" bei einem Festakt in Hagnau am Bodensee als "vorbildliches Heimatmuseum" im Regierungsbezirk Tübingen ausgezeichnet. Studentinnen der empirischen Kulturwissenschaften an der Universität Tübingen haben unter der Leitung von Eckart Frahm das Ausstellungskonzept entwickelt. Unter dem Motto: "Weniger ist mehr." Einzelne Gegenstände wie der Krauthobel, der Wäschestampfer, die Sense oder das Waffeleisen spiegeln die Lebens- und Arbeitswelt in Börstingen wider. Die Studentinnen hatten Dorfbewohner interviewt und aus den Gesprächen einzelne Zitate den Exponaten zugeordnet. "Das waren ja Plumpsklos." So sind die die Toiletten in den alten Bauernhäusern genannt worden. Nur: Was hatte dies mit der Dochtschere zu tun? Monika Laufenberg kann es erklären. Die Schere, mit der man den Docht einer Kerze abschnitt, wurde nämlich zum nächtlichen Gang aufs Klo mitgenommen.

"Sonst hatte sie keine Zeit" – die Mutter, die im Haushalt und im Feld viel beschäftigt und ständig unterwegs war. Nur beim Wäschestampfen konnte sie nicht weglaufen und hatte deshalb Zeit, mit den Kindern zu reden. Die Museumsbesucher erfahren, dass das Kraut "immer barfuß" mit den Füßen gestampft wurde oder die Hausfrau morgens, bevor es mit der Sense hinaus zum Mähen ging, "für sieben Leute gekocht" hatte. In einem eigenen Raum wird die Geschichte der Kohlensäureförderung dokumentiert. In Börstingen hatten sich gleich mehrere Firmen angesiedelt und sich gegenseitig Konkurrenz gemacht. Sie beschäftigten zeitweise bis zu 100 Menschen. Kohlendioxid ist noch bis 1995 in Börstingen gefördert und industriell genutzt worden.

Geschmiedete Glocke

Eine Besonderheit ist im zweiten Obergeschoss des Hauses zu sehen: die "Pumpelschelle", um die sich Geschichten und Legenden ranken. Gezeigt wird allerdings nur eine Nachbildung. Der Förderverein hatte die Kopie bei einem Schmied in Horb-Dießen in Auftrag gegeben. "Das ist richtig gute Handwerkskunst", lobt die Vorsitzende, "das Original haben wir gut verstaut". Die geschmiedete Glocke gehört der katholischen Kirchengemeinde Börstingen. Ein Sachverständiger schätzte aufgrund der Machart, dass sie bereits im 9. Jahrhundert hergestellt worden war. Sie wäre damit die älteste Glocke Baden-Württembergs. Der Förderverein wollte es genau wissen, doch eine meatallurgische Untersuchung konnte das hohe Alter der Pumpelschelle weder bestätigen noch ausschließen. Monika Laufenberg hat vor kurzem bei der Hauptversammlung dieses wenig befriedigende Untersuchungsergebnis bekanntgegeben. "Von dieser Art Glocke gibt es nur drei Stück", weiß sie. Neben dem Exemplar in Börstingen sind es der "Saufang" in Köln und noch eine weitere geschmiedete Glocke in Murnau in Bayern. Diese seien aber nicht auf ihr Alter wissenschaftlich untersucht worden.

Von einer Sau gefunden

Der Erzählung nach wurde die Pumpelschelle von einer Sau auf der Wilhelmshöhe in Börstingen gefunden, wie übrigens auch der Kölner "Saufang". Laufenberg wundert sich über die Parallelen nicht: Schweine seien früher zur Nahrungssuche in den Wald getrieben worden. Jedenfalls hat schon der berüchtigte Räuberhauptmann Hannikel, der 1787 in Sulz hingerichtet wurde, von der Pumpelschelle gewusst. Bevor er gehängt wurde, soll er folgenden Fluch ausgestoßen haben: "Wenn die drei gefeiten, ausgegrabenen Glocken nicht wären, die Pumpelschelle zu Börstingen, das Silberglöcklein in Bieringen und das zu Kalkweil, dann wolle er ein Wetter das Neckartal hinabfahren lassen, dass sich die Leute darob verwundern sollten." Ob er das tatsächlich so gesagt hat, ist nicht erwiesen. Die Sulzer kennen jedenfalls eine andere Version. Demnach hat Hannikel das traditionelle Kinderfest verflucht. Wenn es verregnete, was nicht selten der Fall war, machten die Sulzer jedesmal Hannikel dafür verantwortlich.

Börstingen ist erstmals 1274 urkundlich erwähnt worden, die Siedlungsgeschichte reicht aber Resten einer "villa rustica" zufolge bis in die Römerzeit zurück. Im Museum sind auch Grabfunde aus der Allamannenzeit ausgestellt.

Laufenberg ist Kölnerin, lebt inzwischen aber seit 20 Jahren in Börstingen. Die Dorfgeschichte fasziniert sie ebenso wie die Landschaft im Neckartal. Dort bietet sie auch Führungen an und "erklärt den Menschen, warum es hier so schön ist". So sehr sie sich als Rheinländerin eingelebt hat, sich für das Museum und im Förderverein im Ort engagiert: "Schwäbisch werde ich nicht mehr anfangen zu reden."

Hinweis: Die "Kulturtankstelle" in der Ortsmitte wird künftig nur noch bei gutem Wetter und auf Anfrage unter Telefon 01520/700919 geöffnet.