Mit Schiller in die Freiheit: Wolfram Weimer Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hat in Marbach das Schiller-Nationalmuseum wiedereröffnet – und eine programmatische Rede gehalten.

Man könnte, was in der neuen Dauerausstellung des Schiller-Nationalmuseums in Marbach zu sehen ist, zu den Kronjuwelen der deutschen Geistesgeschichte zählen, würde dort nicht gerade der politische Weltbürger gegen jedes nationalistische oder aristokratische Gepränge in Stellung gebracht. Und doch glänzt und funkelt der Name Schiller genug, so dass es sich der deutsche Kulturstaatsminister nicht nehmen lässt, höchstselbst die Schau zu eröffnen.

 

Auf der Frankfurter Buchmesse war kürzlich zu erleben, wie Wolfram Weimer die Literaturgrößen Rainer Maria Rilke und Thomas Mann als Gewährsleute des Widerstands gegen die künstlich intelligenten und antidemokratischen Herausforderungen unserer Tage rekrutiert hat. Nun also Schiller.

„Gralsburg der Identität“: Das Schiller-Nationalmuseum in Marbach Foto: DLA-Marbach, www.dla-marbach.de

Und weil sich zu Beginn der Amtszeit des obersten Kulturverantwortlichen noch nicht genau sagen lässt, wohin mit ihm die Reise zwischen Kunstfreiheit und konservativen Kulturkämpfen geht, hört man umso genauer darauf, welche Programmatik dieser Station zu entnehmen wäre.

In seiner Rede arbeitet der studierte Germanist Widersprüche ab, die schon anklingen, wenn er die Marbacher Schillerhöhe eine „Gralsburg der Identität“ nennt. Um was für eine Identität geht es? Die einer Nation oder die des Weltbürgers? Weimer skizziert eine klar universalistische Position auf der Grundlage der Ideen, die Schiller wie ewige Sterne am intellektuellen Firmament entfaltet habe: „Der Menschheit Würde ist in Eure Hand gegeben, bewahret Sie!“, zitiert er den Dichter, erinnert an den Kampf um Gerechtigkeit in „Wilhelm Tell“, an die weltumspannende Brüderlichkeit der Ode an die Freude und endet am Kulminationspunkt der Freiheit. In diesem Sinn sei Schiller tatsächlich eine wegweisende Nationalfigur als sein Blick über alles National hinausgehe – ein „Zeitgenosse aller Zeiten“.

Wolfram Weimer: „Freiheit ist kein Geschenk, sondern ein Auftrag“

Man erlebe gerade, wie im globalen Maßstab der Raum der Freiheit eingeschränkt werde und autokratische Bestrebungen das Fundament jener Werte bedrohten. Die Besinnung auf Schiller könne helfen, diesen Raum zu verteidigen. Aus dem Satz „Kunst ist eine Tochter der Freiheit“ leite er seinen programmatischen Auftrag ab: „Freiheit ist kein Geschenk, sondern ein Auftrag“, sagt Weimer. Die Politik bedürfe der „Kraft des Gegenwärtigen“ der Kunst. Aufgabe der Politik sei es wiederum, der Kultur diese Freiheit zu wahren.

Von solcher zeitlos ideellen Schiller-Flughöhe aus ist dem wenig entgegenzusetzen, zumal man in Marbach vor dem Hintergrund anstehender Erweiterungen das rückhaltlose Bekenntnis zu der „Gralsburg“ mit Wohlwollen vernommen haben dürfte. Die Frage wäre allerdings, was unter der Wahrung der Freiheit im Einzelnen zu verstehen ist: Geht es am Ende darum, die Kunst frei von Politik zu halten? Oder sie vor deren Zugriff zu schützen? Aber vielleicht hilft auch bei der Klärung dieser Fragen die Rückbesinnung auf Schiller. In Ihrem Grußwort hat die Direktorin des Deutschen Literaturarchivs, Sandra Richter, betont, wie mustergültig er den Konflikt zwischen Regierung und Literatur ausgetragen habe.