Anita Arbessers (Mitte) Leidenschaft ist das Rokoko-Tanzen. (Archivfoto) Foto: Breisinger

Ist die britische Monarchie noch zeitgemäß? Und ist es kulturelle Aneignung, sich in ein Barock-Kostüm zu werfen? Zu diese beiden Themen hat eine Rokoko-Tänzerin aus Balingen Stellung bezogen.

 
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Viel Tamtam wird derzeit um die britische Monarchie gemacht. Und auch der Wirbel um den Auftritt einer Tanzgruppe bei der Bundesgartenschau und die danach entbrannte Debatte um kulturelle Aneignung zeigen: Geschichte, Tradition und Kultur sind Themen, die viele Menschen umtreiben.

Anita Arbesser aus Balingen ist einer dieser Menschen. Sie beschäftigt sich intensiv mit Geschichte - und zwar mit einem bestimmten Teil: dem Rokoko. Mit ihrer Rokoko-Tanzgruppe lässt sie die Spätform des Barock wieder aufleben. „Es ist ein Eintauchen in eine andere Zeit“, beschreibt sie das Hobby. Dabei gehe es nicht nur ums Tanzen, sondern eben auch um das Erleben von Zeitgeschichte und um den Zeitgeist der Aufklärung. „Der Zeitgeist spiegelt sich im Tanzen wider“, erklärt die Tanzlehrerin. Durch die Aufklärung hätten alle Stände plötzlich miteinander tanzen dürfen - also neben den Adligen auch Bürgerliche und Handwerker in entsprechender Kleidung.

Für Deutschland „nicht vorstellbar“

Die britische Monarchie, die derzeit wegen der Krönung von König Charles III. in aller Munde ist, findet Arbesser noch immer zeitgemäß: „Sie ist für die Bevölkerung ein Stabilitätsfaktor.“ Die 59-Jährige sieht die britische Monarchie als eine jahrhundertelange Tradition, bei der es um „das Gefühl, jahrhundertelang von einer Leitfigur, von der Krone aus, geführt zu werden“ gehe. Für Deutschland sei eine vergleichbare Staats- und Regierungsform jedoch „nicht vorstellbar“, meint Arbesser.

Zurück zur Rokoko-Tanzgruppe: Zu ihr gehören zwölf Frauen, die sich alle zwei Wochen zum Proben im Edith-Stein-Zentrum in Balingen treffen. Angeleitet werden sie von Arbesser, die 2012 nebenberuflich eine Ausbildung zur Tanzleiterin absolviert hat. Während dieser Ausbildung sah die Balingerin zum ersten Mal eine Rokoko-Gruppe tanzen. „Das war bei mir Liebe auf den ersten Blick“, erinnert sie sich.

Bislang nur Frauen in der Gruppe

Die erste Tanzgruppe gründete die hauptberufliche Lehrerin für Geige, Bratsche und Klavier 2016 mit ihrem damaligen Partner. Das Projekt zerschlug sich jedoch schnell. Erst 2019 forcierte die 59-Jährige ihre Leidenschaft erneut und gründete die aktuelle Tanzgruppe mit dem Namen Etoile. Bislang gehören nur Frauen zur Gruppe. „Ich träume davon, dass eine Fußball- oder Handballmannschaft zum Rokoko-Tanz konvertiert“, sagt Arbesser und lacht.

Bislang besteht die Gruppe nur aus Frauen. Foto: Anita Arbesser

Die Balingerin hat sich viel mit der Epoche auseinandergesetzt und tut es weiterhin. Für sie gehört zum Rokoko-Tanzen auch das Wissen um der damaligen Etikette. „Ich lege Wert darauf, dass wir uns nicht verkleiden“, betont Arbesser. Zum Rokoko gehöre ein bestimmter Modestil. So tragen die Frauen Kleider in einem Mantelschnitt mit einem Hüftgestell. Einige der Roben sind handgenäht, Arbessers stammt aus einem Theaterfundus.

Aber ist dieses Hobby nicht auch eine Form der kulturellen Aneignung? „Nein, das würde ich nicht behaupten“, antwortet die Musiklehrerin. Die Tänzerinnen würden sich nichts aneignen, „sondern wir geben das, was in der Epoche erlebt wurde, im Tanzen weiter“. Es gehe um ein „Wiederbeleben“ und ein „Eintauchen in die Geschichte“, meint sie. Da das Rokoko eine europäische Stilrichtung ist, hat die Epoche einen direkten historischen Bezug zu Deutschland. Kulturelle Aneignung zielt hingegen auf die Übernahme fremder Kultur.

Nächster Auftritt

Der nächste Auftritt der Rokoko-Tanzgruppe Zollernalb Etoile ist am Samstag, 27. Mai, von 10 bis 12 Uhr, auf der Plaza-Bühne der Balinger Gartenschau.