„Demokratie ohne Kultur – geht das?“ Diese und andere Fragen haben Walther-Groz-Schülerinnen und -Schüler fünf Vertretern der Kommunalpolitik gestellt. Einer davon war Erik Wille.
Dies geschah im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Kunstmuseum, die sich dessen Leiter Kai Hohenfeld ungefähr so vorgestellt hatte: Drei Oberstufenkurse der Walther-Groz-Schule hatten in den Vorwochen eingehend mit den Themen Demokratie und Kultur befasst und einen umfangreichen Fragenkatalog fürs Podium zusammengestellt; diese Fragen sollten sie im Rahmen eines Abends im Landenberger-Saal vorbringen und nach Möglichkeit von den Politikern beantwortet bekommen. Vier waren geladen, nämlich der Hechinger FDP-Gemeinderat Matthias Linckersdorff, die SPD-Kreisverbandsvorsitzende Katja Weiger-Schick, der Albstädter Gemeinderat Markus Ringle von den Grünen und als Vertreterin der CDU Nicole Hoffmeister-Kraut, Landtagsabgeordnete und Wirtschaftsministerin.
Das Programm
Im Großen und Ganzen wurde dieses Programm tatsächlich verwirklicht, allerdings mit einer Modifikation. Zwei Tage vor der Veranstaltung hatte der AfD-Kreistagsabgeordnete Erik Wille beim Regierungspräsidium Tübingen Beschwerde dagegen eingelegt, dass seine Partei nicht eingeladen worden sei – im März, argumentierte er, sei Landtagswahl; man befinde sich also im Wahlkampf, und da gehe es nicht an, dass bei einer Podiumsveranstaltung, hinter der letztlich die Stadt Albstadt stehe, eine Partei, die bei der letzten Bundestagswahl die zweithöchste Stimmenzahl im Landkreis erzielte, außen vor bleibe.
Die Entscheidung
Das Regierungspräsidium gab diese Beschwerde – ohne Weisung, wie es auf Anfrage des Schwarzwälder Boten versichert – an die Stadt Albstadt weiter, und die beauftragte Kai Hohenfeld, noch einen weiteren Stuhl für Herrn Wille aufs Podium zu stellen. Oberbürgermeister Roland Tralmer begründete diesen Schritt damit, dass eine demokratische Gesellschaft unterschiedliche Positionen aushalten müsse und dass es nichts nutze, einzelne politische Meinungen auszugrenzen. Richtig sei vielmehr, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und als falsch erkannte Argumente seinerseits argumentativ zu widerlegen.
Die Diskussion
Worauf argumentiert wurde. Die Oberstufenschüler, die auf dem Podium durch Heidi Baumann, Gizem Özmen, Patricia Schmidt, Aaron Steinkopf, Jada Stotz und Jiny-yi Truong vertreten waren, hatten sich ihre Gedanken gemacht und pointiert formuliert: Setzen in einer demokratischen Gesellschaft Freiheit und Sicherheit einander voraus – oder sind sie etwa Gegensätze? Werden die Forderungen von Frauen und jungen Leuten nach Chancengleichheit und Partizipation hierzulande ausreichend berücksichtigt? Was müssen junge Menschen tun, um mit ihren Anliegen Gehör zu finden? Die Podiumsgäste aus der Politik verwiesen auf die Möglichkeiten, sich entweder parteipolitisch oder aber in Bürgerinitiativen und nicht zuletzt in Vereinen zu engagieren: Demokratie, so Markus Ringle, lebe vom Mitmachen.
Die ARD – ein Sprachrohr der Regierenden?
Und von der freien Meinungsäußerung – am Thema Medien entzündete sich eine kontroverse Debatte: Während Katja Weiger-Schick und Matthias Linckersdorff dazu aufriefen, Quellen genau auf ihre Verlässlichkeit zu prüfen und darauf zu achten, wo Information und Meinung in unzulässiger Weise vermengt würden, erklärte Erik Wille, wenn es denn „Fake News“ gebe, dann doch in den Medien und zuvörderst den öffentlich-rechtlichen, die parteilich und tendenziös berichteten: Letztlich sei die ARD doch ein Sprachrohr der Regierenden. Woher denn er seine Informationen beziehe, wurde er gefragt. Die Antwort: „Twitter.“
Kultur – für Wille ausschließlich Privatsache
Auch in anderen Punkten ging er auf Konfrontationskurs. Das „Gender-Pay-Gap“ gebe es nicht; wenn Frauen weniger verdienten, dann deshalb, weil sie sich nicht auf die einträglichen technischen Berufe einließen – wobei Wille umgekehrt Männer im Kindergarten eher fehl am Platz findet. Den menschengemachten Klimawandel leugnet er; die zentrale Frage des Abends, ob Demokratie ohne Kultur auskomme, beantwortete er mit „Ja“: Kultur und Kunst seien Privatsache – und hätten daher auch keinen Anspruch auf öffentliche Förderung.
Die Kunst
Mit dieser Ansicht stand er recht allein da unter den zahlreichen Gästen, von denen sich ein guter Teil dem Kunstmuseum eng verbunden weiß. Sie sahen sich im Anschluss an die Diskussion mit Interesse die Plakate und Kunstwerke an, welche die Walther-Groß-Schüler ebenfalls im Unterricht geschaffen hatten und an diesem Abend ausstellen durften. Und kamen darin überein, dass Abende mit so interessierten und engagierten jungen Leuten sich unbedingt lohnten und öfter stattfinden sollten.