Der Kultur- und Museumsverein lud mit Blick auf das von der Stadt geplante Lotzer-Jahr 2025 zu einem Vortrag ins Kloster. Basierend auf eigenen Quellenstudien sprach der Historiker Clemens Regenbogen im voll besetzten Theatersaal über die Leibeigenschaft, ihre Organisation und sich daraus ergebende Konflikte. Foto: Joachim Lipp

Der Historiker Clemens Regenbogen referierte über die Lebenswelten von Bauern im Spätmittelalter.

Auf Einladung des Kultur- und Museumsvereins hielt der Historiker Clemens Regenbogen einen Vortrag zum Thema Leibeigenschaft, deren Abschaffung Sebastian Lotzer in den Zwölf Artikeln forderte. Ehrenvorsitzender Joachim Lipp freute sich über einen voll besetzten Theatersaal im Kloster, als er den Referenten vorstellte.

 

Teile der Bevölkerung bis ins 18. Jahrhundert leibeigen Regenbogen verwies zu Beginn seines Vortrags darauf, dass ein bekannter Mediävist das Mittelalter verlängert hat, weil ein überwiegender Teil der Bevölkerung noch bis ins 18. Jahrhundert als leibeigen galt. Adlige, Klöster, Stifte oder auch Spitäler und Bürger einer Stadt verfügten über verschiedene Rechte an ihren „Eigenleuten“. Ein „Leibherr“ konnte mit dem Grundherrn zusammenfallen, musste es aber nicht.

Ansprüche des Grundherrn auf Dienste und Zinsen

Leibherrschaft entstand ab dem 13. Jahrhundert Entstanden ist die Leibherrschaft im Verlaufe des 13. und 14. Jahrhunderts, als Grund- und Gerichtsherrschaft zunehmend auseinanderfielen. Waren die Bauern bislang an die Scholle gebunden, erwuchsen daraus Ansprüche des Grundherrn auf Dienste und Zinsen. Der Wandel zur Leibherrschaft bestand darin, dass die Ansprüche des Herrn im Falle der Abwanderung einer Person an deren Leib haften blieben.

Leibhennen mussten an der Fassnacht abgeliefert werden

Klassische Abgaben, die Leibeigene ihren Herren darzureichen hatten, waren etwa die jährlich meist an der Fastnacht abzuliefernden Leibhennen. Darüber hinaus unterlagen die Leibeigenen auch dem sogenannten Fall, dessen Abschaffung Sebastian Lotzer im elften Artikel forderte. Starb ein leibeigener Mann, so hatten seine Erben dem Leibherrn in der Regel das beste Stück Vieh zu übergeben. Starb eine leibeigene Frau, so war das sogenannte Bestkleid fällig. Bei ledigen Leibeigenen beiderlei Geschlechts konnte die gesamte Fahrhabe an den Leibherren gelangen. Die gesteigerte Form des Falls war der sogenannte Lass, also der gesamte Nachlass von erbenlosen Leibeigenen. Den Leibeigenen war die freie Verfügung über ihr Eigentum verwehrt.

Leibeigenen war die Freizügigkeit verwehrt Zu Lebzeiten waren die Leibeigenen verschiedenen Restriktionen ihrer persönlichen Freiheiten unterworfen. So war ihnen der Wegzug aus ihrem angestammten Ort verboten oder allenfalls gegen Zahlung einer Gebühr zu realisieren. Den Leibeigenen war die Freizügigkeit verwehrt und bei Rechtshandlungen waren sie häufig auf die Zustimmung ihrer Herren angewiesen. Leibeigene konnten in verschiedener Hinsicht als Verfügungsmasse ihrer Herren dienen. Sie konnten nämlich verschenkt, verkauft, getauscht oder sogar geteilt werden.

Das Heiratsverhalten war besonders sanktioniert Besonders rigide wurde das Heiratsverhalten der Leibeigenen durch ihre Leibherren sanktioniert, da keiner ein Interesse daran hatte, Leibeigene zu verlieren oder keinen Zugriff mehr auf die kommenden Generationen zu haben. Die Heirat von Eigenleuten mit fremden, sogenannten ungenössischen Leuten war nicht gut gelitten. Auch Heiraten zwischen einem leibeigenen und einem nicht leibeigenen Partner bedurften der besonderen Zustimmung der Herren. Wenn die Mutter frei war, waren es die ehelichen Kinder ebenso, da sich der Rechtsstatus der Mutter auf die Kinder übertrug. Leibeigenen war die Ehefreiheit verwehrt.

Schutz vor äußeren Bedrohungen Leibeigene besaßen aber trotz Einschränkungen ihrer Freiheit Rechte, die sie fundamental von Sklaven unterschieden. An erster Stelle ist der Schutz vor äußeren Bedrohungen zu nennen, den ihnen ihre Herren zu gewähren hatten. Es war Leibeigenen gestattet, Gerichte anzurufen und abgesehen von Fall und Lass Testamente über persönliche Habseligkeiten aufzusetzen. Auch materiell waren ihnen vereinzelt verschiedene zweckdienliche Vergünstigungen vergönnt.

Auseinandersetzungen um die Höhe von Abgaben

Das Zusammenleben der bäuerlichen Bewohner eines Dorfes erforderte mit der Einführung der zelgengebundenen Dreifelderwirtschaft Regeln und musste organisiert werden. Die Vertretung gemeinsamer Interessen gegenüber den Grund-, Leib- oder Ortsherren begünstigte die Entstehung bäuerlicher Vereinigungen. Die Bauernschaften waren um die Mitte des 15. Jahrhunderts als klagebefugte Vereinigungen anerkannt und etabliert, als die Auseinandersetzungen um die Höhe von Abgaben oder den Umfang von Frondiensten die Quelle für soziale Unruhen einschließlich der Anwendung von Gewalt bildeten.

Gewaltsamen Aufbäumen der Bauernschaft Die Verweigerung von Zehnten und Zinsen, Beschwerden über Fronen und geänderte Gewohnheiten sowie gerichtliche Willkür, ließen, begleitet von einem grundsätzlichen Infragestellen der Rechtsgrundlagen von Abgaben und Diensten, im Vorfeld des sogenannten Bauernkriegs ein Konfliktpotenzial entstehen, das 1524/25 zu einem gewaltsamen Aufbäumen der Bauernschaft gegen ihre Herren führen sollte.