Lange hat Sven Gnass am Termin für das traditionelle Neujahrskonzert in Sulz festgehalten. Doch letztendlich wurde das Konzert verschoben. Foto: Vollmer

Die Auswirkungen der Pandemie treffen alle – den Kultursektor, der von verlässlichen Planungen entwöhnt wurde, besonders schwer. Sven Gnass, der Leiter des Residenz-Orchesters Baden-Württemberg, musste das Neujahrskonzert verschieben.

Sulz - Sven Gnass ist ein Vollblutmusiker, den Musik seit seiner frühen Kindheit begleitet. Im Gespräch mit unserer Redaktion betonte er, dass er sich seither die kindliche Begeisterung bewahrt habe. In dem Kultur-Lockdown spüre er mehr denn je, wie tief in seiner Seele er mit dem Beruf als Musiker und Musikvermittler verwurzelt sei.

Nur mit viel Optimismus zu bewältigen

Gnass, der für zahlreiche Kulturveranstaltungen verantwortlich zeichnet, gesteht, dass all dies zurzeit nur mit viel Optimismus zu bewältigen sei. Seine positive Einstellung ließ ihn deshalb so lange an dem geplanten Termin für das Neujahrskonzert in Sulz festhalten. Er müsse verantwortungsvoll handeln und Kunstschaffende und Empfänger gleichermaßen fokussieren, hebt er hervor.

"Es stimmt mich traurig, unser Publikum in der für viele Menschen emotionalsten Zeit des Jahres nicht mit Musik begrüßen zu können, hatte ich doch gehofft, dass man ein Stück normales Kulturleben am Neujahrstag nicht einfach streichen kann. Denn Menschen brauchen gerade in Krisenzeiten Seelennahrung mit einem Gefühl der Gemeinschaft. Denn die Kraft der Musik schafft eine Atmosphäre, die verbindet", sagt Gnass.

"Verantwortung hat Priorität"

Bereits im Spätsommer war klar, dass es eine 2G-Veranstaltung wird. Verantwortung hat Priorität, sagten sich die Stadt Sulz und er, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Lage noch sehr entspannt war. "Letztendlich steht die Gesundheit über allem, auch wenn die Kunst im Gemeinwohl eine wichtige Bedeutung hat", sagt Gnass.

So wurde nun im Einvernehmen mit dem Landratsamt und der Stadt Sulz der Termin verschoben. Die Musiker des Residenz-Orchesters sind überwiegend im Staats- und öffentlichen Dienst, auf den Bühnen wird noch gespielt - unter harten Bedingungen von 2G-plus, berichtet Gnass. Finanziell haben festangestellte Musikerinnen und Musiker nicht die Sorgen der freiberuflichen Musikschaffenden. Für ein Opernensemble sei es trotzdem nicht schön, vor wenig Publikum oder online zu spielen, wie im vergangenen Jahr.

Ein leicht wirkendes Programm

Vor der Pandemie waren auf einer Theaterbühne inszenierte Filmproduktionen eher eine Seltenheit, sie wirkten mitunter ein wenig surreal. Sind die Musiker es doch gewohnt, Silvester und Neujahr festlich im Frack und Abendkleid mit dem Publikum zu verbringen. "Wir leben in einer Zeit der Verunsicherung, zu Corona gesellen sich viele andere gesellschaftlichen Probleme wie Klimawandel, Flüchtlingsschicksale…", führt Gnass aus. Da wollte der Horber Musikdirektor dem Publikum ein spannendes Konzertformat bieten, mit einem leicht wirkenden Programm, welches jedoch von einer Beliebigkeit in der Auswahl der Stücke weit entfernt ist.

Er braucht den Dialog mit seinem Publikum wie die Luft zum Atmen, das spürt man deutlich. Nicht nur als Künstler während einer Aufführung, sondern auch bei zufälligen Begegnungen im alltäglichen Leben, am Telefon oder per Mail. Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen geht es Gnass nicht nur um die Vermittlung künstlerischer Sujets, sondern auch darum, dem Gesamtbild des gesellschaftlichen Wandels Rechnung zu tragen.