Mit seinem Straßenklavier ist Pianist Sebastian Schnitzer mobil. Begonnen als Corona-Projekt, kann er mit dem umgebauten Instrument jetzt auch einmal mitten in der Natur in die Tasten greifen. Foto: Ackermann

Sebastian Schnitzer ist einer derjenigen, bei denen man unweigerlich zum Eindruck kommt, dass ein Tag 36 oder mehr Stunden haben muss. 

Donaueschingen/VS-Villingen - Der Donaueschinger ist Berufsmusiker, Pianist, und vermeintlich nebenher spielt er Theater, fotografiert, filmt, gibt Klavierunterricht, ist Kolumnist und auch sein eigener Manager. Vor Corona hatte der Musiker viel zu tun. "Manchmal sogar fast zu viel", denkt er heute zurück.

 

Dann kam im vergangenen Jahr die Pandemie, und von einer Woche auf die andere wurde es ruhig. Auftritte wurden abgesagt, seine Klavierschüler mussten auf den Unterricht verzichten und Schnitzer hatte viel Zeit – auch zum Nachdenken. "In dem einen Jahr nichts machen habe ich viel gelernt", sagt der Pianist heute.

Im Juni dieses Jahres traten nach einem zweiten Lockdown für Künstler und Kulturschaffende Lockerungen in Kraft. Dann geschah das, wovon Schnitzer eigentlich nur träumen konnte: Binnen kürzester Zeit war sein Kalender wieder voll. "Das ging wieder von Null auf 180 innerhalb kürzester Zeit", sagt er und ergänzt: "Wir haben jetzt offensichtlich eine gute Zeit für Kultur. Jetzt sieht man, dass die Zeit vor Corona etwas gebracht hat. Ich spiele gerade sehr viel. Ich bin glücklich."

Mit 16 schon ein klarer Fall

Begonnen hatte Schnitzers Karriere mit 16. Da spielte er in seiner ersten Band. Schnell war dem Villinger klar, dass die Musik sein Leben begleiten oder sogar bestimmen werde. Er wollte die Musik zum Beruf machen. Es folgte das Studium an der Jazz- und Rock-Schule in Freiburg. Mittlerweile verdient Schnitzer sein Geld seit über 20 Jahren mit seiner Musik.

Schaut man auf seiner Homepage die Liste seiner Projekte an, so zeigt diese eine große Vielfalt, aber auch eine Verbundenheit zur Region. Er sagt: "Ich lebe gerne hier. Für Musiker ist das ein gutes Gäu. Hier gibt es ein kulturelles Publikum." Mit "Gäu" meint er den Bereich von Villingen-Schwenningen bis Rottweil und der Baar, mit seiner jetzigen Heimat Donaueschingen. Diese Verbundenheit zur Heimat mit einem großen Netzwerk an Freunden, Bekannten und beruflichen Verbindungen war es wohl auch, die ihn die Pandemie trotz aller Ängste um die Zukunft gut überstehen ließ.

Das waren zum einen die Städte Donaueschingen und Villingen-Schwenningen, die Künstler wie ihn auch während der vergangenen Monate nicht vergaßen. Von beiden Kommunen habe er Engagements erhalten, wofür Schnitzer dankbar ist. In VS organisierte die Stadt beispielsweise in diesem Jahr den Kultursommer auf der Möglingshöhe. In Donaueschingen gab es 2020 und 2021 mehrere von der Stadt organisierte Pop-Up-Konzerte mit Straßenmusik. Bei diesen kam ein elektrisches Klavier zum Einsatz, das Schnitzer – als eines seiner Projekte während der Lockdowns – selbst umbaute. Jetzt steht es auf Rollen und kann den Pianisten zu verschiedenen Auftrittsorten begleiten.

Außerdem intensivierte der Musiker während der Pandemie sein großes Hobby: die Fotografie. Für das Donaueschinger Museum "Art.Plus" stellte er die ausgestellte zeitgenössische Kunst in Bild und Film vor.

Nach einer "Schockstarre", wie er selbst sagt, war Kreativität gefragt – Ideen, wie letztlich auch wieder Geld in die Kasse kommt. Und auch wenn Schnitzers Kalender jetzt wieder voll und seine Musik sehr gefragt ist, war der schon früher zur Seite gelegte Notgroschen in den Pandemiemonaten wichtig. "Jeder Künstler sollte für den Notfall etwas zur Seite legen!" Anträge auf staatliche Unterstützung stehen für ihn an zweiter Stelle.

Marco und Seppi

Mit Marco Gässler widmete sich Schnitzer in den Monaten der Pandemie einem weiteren, schon seit 2009 bestehenden und zwischenzeitlich etwas ruhiger gewordenen Projekt: "Marco und Seppi von der Elfenbande". In kleinen Filmen im Internet vermitteln die beiden Kindern im Kindergartenalter Umweltbewusstsein. In Zukunft, wenn Kontakte wieder problemlos möglich sind und wenn – Schnitzer augenzwinkernd – ein Sponsor gefunden ist, wollen die beiden mit diesem Projekt auch direkt in Kindergärten gehen und dort Livekonzerte spielen.

Die Liste der Aktionen, die Sebastian Schnitzer während der Pandemie stemmte, ist noch lang. So baute er sein eigenes Studio in einer kleinen Wohnung aus und gab, sobald das wieder zulässig war, vermehrt Klavierunterricht. Außerdem übernahm er die Rolle des Romeo im Theaterstück "Es war die Lerche!", das am 17. September auf der Bühne des Kulturzentrums Klosterhof in Villingen Premiere feiern wird.

Wie viele andere Musiker auch, spielte Schnitzer außerdem aus dem heimischen Wohnzimmer Online-Konzerte – Bezahlung auf Spendenbasis. Damit wollte er im Gespräch bleiben. Aber die Online-Konzerte bescherten Schnitzer eine begeisternde Erfahrung. Viele Menschen überwiesen kleine Spenden. "Das ist für mich Solidarität, wenn der Staat dafür nicht einspringen muss. Das zeigt auch, dass wir vor der Pandemie vieles richtig gemacht haben", freut er sich.

Informationen zu Sebastian Schnitzer

Sebastian Schnitzer, aufgewachsen in Villingen, absolvierte nach seinem Abitur im Jahr 2002 sein Studium in Freiburg. In der Region ist er bekannt unter anderem durch die Band "Billy Bob & the Buzzers", die "Black Forest Allstars", als Schauspieler im Theater am Turm, im Brennpunkt-Theater und im Klosterhof. Wohnhaft ist er in Donaueschingen.