Günter Neidingers Lesung wird vom Stadtgarten in die Stadtkirche verlegt. Foto: Ziechaus

"Kultur im Stadtgarten": Günter Neidinger erinnert sich an seine Kindheit und Ferien in Schramberg

Was wäre eine Kindheit ohne Oma und Opa? Mit dieser Frage hat Günter Neidinger seine Lesung bei der Veranstaltungsreihe »Kultur im Stadtgarten« eröffnet – auch wenn diese in die evangelische Stadtkirche umziehen musste.

Schiltach. Weil die Arbeiten an der Friedenslinde im Stadtgarten noch nicht angeschlossen waren, wie Stadtarchivar Andreas Morgenstern erklärte, las der Autor seine Anekdoten aus der Kindheit nicht dort, sondern »im Kirchenasyl« vor.

Sogar heute hätte er zur Lesung nach Schiltach – wie in seiner Kindheit – von Bühl mit der Eisenbahn kommen können, erklärte Neidinger. In Schiltach musste er damals umsteigen in den Zug nach Schramberg, wo ihn Oma und Opa am Bahnhof abholten. Das war vor 60 Jahren so gewesen, als er in den Sommerferien zu seinen Großeltern nach Schramberg in die Landenberger Straße gereist war.

Zwetschgen an der Tanne?

Der Vater seines Vaters war bei Junghans beschäftigt und wanderte sonntags mit seinem Enkel rund um Schramberg, immer mit einer Einkehr am jeweiligen Ziel, manches Mal am Fohrenbühl. Der Opa war »mit schnellem Schritt immer vorneraus« und einmal fanden sein Enkel Günter und die Oma blaue Zwetschgen an einer Fichte. Als Bühler, wo bekanntlich ein großes Zwetschgenfest gefeiert wird, kannte Günter das Obst und wollte nicht glauben, dass es im Schwarzwald an Tannenbäumen wächst. Der lachende Opa hinter einer Tanne bestätigte die kindlichen Zweifel.

Günter und seine fünf Geschwister hatten sogar das Glück einer zweiten Oma, die als Witwe auf einem Bauernhof im Nachbarort von Bühl wohnte. Für Kinder war ein Bauernhof mit Kühen und Hühnern ein wahrer Abenteuerspielplatz und auch das bescheidene Leben in einem Dorf barg jeden Tag neue Erlebnisse. Der Stolz von Oma war ein Leiterwagen mit Gummirädern, der vor dem Hof stand. Die Kurbel zum Bremsen hatte der Knirps auch schon bemerkt und mit ein paar Drehungen brachte er den Wagen ins Rollen. Zum Glück wurde die Bewegung schon am Lattenzaun vom Nachbarn jäh abgebremst und das Kleinholz heizte im Winter die Stube.

Mit der »roten Hilde« aus der Nachbarschaft schmeckten die schönen roten Erdbeeren besonders gut. Aber das freche Luder hatte sich an denen aus Nachbars Garten gütlich getan und war schnell abgehauen, als dieser schimpfend aufkreuzte.

Im Laden vom »Fellmoser« ein paar Straßen weiter gab es vom Mehl bis zum Hosenknopf einfach alles, auch die hübschen Himbeergutsle, die Günter manchmal nach dem Einkauf aus dem großen Glas fischen durfte. Die Ferientage bei Oma und Opa boten immer wieder neue Überraschungen für die Enkel und die Frage »Was tun mit Omas Zehner?« – gleichzeitig Titel seines Werks mit badische Kindheitsgeschichten aus den 1950er-Jahren – bereitete auch keine schlaflose Nacht.