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Der 43-jährige Jurist Andreas Stoch ist bildungspolitisch unerfahren. Ein Nachteil? Unbefangenheit, sagt er, helfe bei der Analyse. Was wünschen Sie sich vom neuen Kultusminister? Schreiben Sie uns.

Stuttgart - Den 8. Januar 2013 hat sich Andreas Stoch wahrscheinlich dick im Kalender angestrichen. Nicht, weil der Tag irgendwas mit seinem Karrieresprung zu tun hätte. Nein, heute kommt das neue Album der Dropkick Murphys auf den Markt. Das ist eine irisch-amerikanische Folk-Punk-Band, und von der will der neue Kultusminister möglichst nichts verpassen. Ebenso wenig wie von Flogging Molly, einer anderen Folk-Punk-Band aus den USA. „Man wird ihn auf Konzerten sehen, wo man Regierungsmitglieder nicht unbedingt vermutet“, sagt eine Bekannte über die musikalischen Vorlieben des 43-Jährigen.

Das war’s dann aber schon mit den schillernden Seiten des gebürtigen Heidenheimers. Ansonsten liest sich seine Biografie eher wie der brave Karriereplan eines Musterschülers, der es schon immer zu etwas bringen wollte: Abitur in Giengen, Jurastudium in Tübingen und Heidelberg, Referendariat am Landgericht Ellwangen, Rechtsanwalt in Heidenheim mit Schwerpunkt Zivil- und Wirtschaftsrecht.

Parallel dazu die klassische Ochsentour durch die Partei: Juso-Ortsvereinsvorsitzender, SPD-Kreisvorsitzender, Mitglied im Kreistag, seit 2009 Abgeordneter im Landtag. Bleibt zu ergänzen: evangelisch, verheiratet, vier Kinder. Eine typische Politikerkarriere also. Doch was besagen solche Daten schon über die Qualitäten eines Menschen? Nicht viel.

Geplant hatte Stoch den Sprung ins Kultusministerium ohnehin nicht – zumal er mit Bildungspolitik bisher wenig in Kontakt kam. Seine Frau ist zwar Sonderschullehrerin, doch sie ist nur eine ausgewiesene Expertin von mindestens elf Millionen: Jeder Baden-Württemberger kann nämlich aus eigener oder familiärer Erfahrung etwas zum Thema Schule beitragen. Das macht dieses Politikfeld so anspruchsvoll.

„Wir werden zueinander finden“

Bildungspolitische Erfahrung könne nützen, aber auch den Blick für eine klare Analyse verstellen, sagt Stoch am Montagmittag, als er sich erstmals der Presse stellt. Details verrät er noch nicht. Nur so viel: Die Sicht des Kommunalpolitikers sei mindestens genauso wichtig für dieses Politikfeld wie die eines gelernten Pädagogen. „Wir werden zueinanderfinden“, sagt er mit Blick auf den als schwierig geltenden Apparat im Kultusministerium. Und: „Ich bin ein Teamplayer.“ Er wolle die Stärken des Mammutressorts, das kurz vor Weihnachten aus dem Neuen Schloss in die unweit gelegene Thouretstraße umgezogen ist, fördern und nutzen.

Bringt Stoch für die Herkulesaufgabe, wie er das neue Amt mehrfach nennt, überhaupt das nötige Gewicht auf die Waage? Die ihn kennen, meinen: Ja. Als Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion habe er Führungsqualität bewiesen. Er sei ein scharfer Analytiker, durchdringe leicht auch komplizierte Sachverhalte und habe die Gabe, seine Erkenntnisse rhetorisch klar zu vermitteln. Keine schlechte Voraussetzung auf einem Feld, wo dem Normalbürger vor lauter unterschiedlichen Schulkonzepten fast Hören und Sehen vergeht.

Wie es sich anhört, wenn Stoch Dingen auf den Grund geht, konnte die Öffentlichkeit zuletzt in zwei Untersuchungsausschüssen verfolgen. 2011 zum Beispiel versuchte er, die politischen Hintergründe des Wasserwerfereinsatzes am Schwarzen Donnerstag im Stuttgarter Schlossgarten zu ergründen. Dass Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus den Eklat wollte, hält er für belegt.

Im vergangenen Jahr dann trieb Stoch Mappus im Zusammenhang mit dem Verkauf der EnBW-Aktien vor sich her. Stets erlebte man einen geschliffen fragenden und nur selten mit einer Auskunft zufriedenen Abgeordneten. Doch nun muss Stoch nicht nur Fragen stellen, sondern Antworten geben. Und zwar innerhalb eines finanziellen Rahmens, der schon seiner Vorgängerin das Leben schwergemacht hat: „Bloß weil ein Ministerwechsel stattfindet, ist ja nicht mehr Geld im Haushalt“, warnt Schmid am Montag schon mal vorsorglich.

Am bildungspolitischen Grundkurs wird sich nichts ändern

Am bildungspolitischen Grundkurs, auch das bekräftigen Schmid, Stoch sowie Fraktionschef Claus Schmiedel, werde sich ohnehin nichts ändern. Soll heißen: Die Gemeinschaftsschule soll sich weiter ausbreiten, auch das Nebeneinander von acht- und neunjährigen Gymnasien soll bleiben.

Was wird sich also unter Stoch überhaupt ändern? Er soll die Reformen handwerklich besser umsetzen und kommunizieren, erwartet Schmiedel. Es gehe ja weniger um die Weichenstellungen an sich als um deren Umsetzung, ergänzt Parteichef Schmid. Vor allem deshalb sei der Rückhalt der scheidenden Ministerin Gabriele Warminski-Leitheußer zuletzt so dramatisch gesunken – und zwar nicht nur in der Landtagsfraktion, sondern auch in der Partei, bei Eltern, Lehrern und Kommunen.

Dass er seine eigenen vier Kinder nicht auf staatliche, sondern in Waldorfschulen schickt, was ihm die CDU am Montag prompt vorwirft, pariert Stoch schon einmal souverän: Seine Kinder seien eingeschult worden, als in Baden-Württemberg noch nach schwarz-gelben Vorgaben sortiert worden sei, sagt er. Die Waldorfschulen hätten vorgemacht, wie längeres gemeinsames Lernen funktioniere.

Was soll der künftige Kultusminister Andreas Stoch anders machen? Welche Baustellen in der Bildungspolitik muss er anpacken? Schreiben Sie uns Ihre Meinung!