Streit zwischen Grünen und SPD um Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen geht weiter.
Stuttgart - Der Streit zwischen Grünen und SPD um ein begrenztes Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen ist noch nicht ausgestanden. Das liegt vor allem daran, dass Grünen-Landeschef Chris Kühn anders als die Fraktion eine Verschärfung des Polizeigesetzes erstmal nicht mittragen will.
Die SPD um Innenminister Reinhold Gall (SPD) drückt dagegen aufs Tempo. Eine Neuregelung im Polizeigesetz könne mit Hilfe der Grünen-Fraktion womöglich schon im kommenden Frühjahr greifen, sagte Gall am Montag in Stuttgart.
Grünen-Landeschef Kühn will nicht
Kühn sagte dagegen der Ulmer „Südwest Presse“: „Ohne einen neuen Beschluss der Partei wird es kein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen geben.“ Wenn die Koalition einen Pakt gegen exzessiven Alkoholkonsum unter Jugendlichen schließen wolle, seien die Grünen dafür grundsätzlich offen. „Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich aber keinen Grund, von der bisherigen Beschlusslage unserer Partei abzurücken.“ Die Grünen hatten im Wahlprogramm ein solches Trinkverbot klar abgelehnt.
Nach den Vorstellungen der SPD soll die Polizei zum Beispiel zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr morgens ein Verbot verhängen können, wenn es an bestimmten Orten nach Saufgelagen regelmäßig zu Gewalt kommt. Die Fraktionen von Grünen und SPD hatten erklärt, sie wollten den Städten keinen Freibrief für ein Verbot geben, sondern es an weitere Auflagen knüpfen.
Der SPD-Innenexperte Nikolaos Sakellariou sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Es muss schon zu erheblichen Strafaten aus größeren Gruppen auf öffentlichen Plätzen gekommen sein.“ Zudem wolle man die Kommunen in die Pflicht nehmen, zunächst Präventionsangebote auszuschöpfen, bevor sie zum Alkoholkonsumverbot schreiten können. Die Grünen erklärten, ein Verbot komme nur für zehn bis 15 Südwest-Kommunen infrage, die Probleme mit Saufgelagen und Gewaltexzessen auf Plätzen hätten.
Kritik von der Grünen Jugend, Lob von der Opposition
Die Grüne Jugend reagierte entsetzt. „Alkoholverbote sind ein schwerwiegender Eingriff in die persönliche Freiheit. Wir wehren uns massiv gegen solche Überlegungen der grünen Fraktion“, sagte der Landessprecher Marcel Emmerich. Damit werde der Rahmen des Koalitionsvertrages verlassen. „Vielleicht ist dies ja ein verfrühtes Nikolausgeschenk für die Polizei.“ Schon jetzt hätten die Behörden die Möglichkeit etwa mit Platzverweisen für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
Dagegen begrüßte die CDU-Fraktion, „dass sich die Grünen offensichtlich eines Besseren sukzessive besinnen“. Grün-Rot springe aber zu kurz, wenn nur Großstädte ein Alkoholverbot verhängen könnten. „Wir halten das noch nicht für ausreichend“, sagte CDU-Fraktionschef Peter Hauk. Auch kleinere Kommunen hätten Probleme mit Saufgelagen an sozialen Brennpunkten.
Palmer, Salomon und Frank drängen auf Umdenken
Der Sinneswandel der Grünen-Fraktion ist auf das Drängen der drei Oberbürgermeister Boris Palmer (Tübingen), Dieter Salomon (Freiburg) und Horst Frank (Konstanz) zurückzuführen. Die drei hatten schon im Sommer einen Brief an Fraktionschefin Edith Sitzmann geschrieben. Daraufhin hatte es im Oktober ein Gespräch gegeben. Zuletzt hat Salomon noch an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) geschrieben. Darin heißt es: „Ich würde mich freuen, wenn mit der Änderung des Polizeigesetzes ein wichtiger Schritt zur Eindämmung von Gewalttaten und der notwendige Handlungsspielraum für die Kommunen geschaffen wird.“
Freiburgs Alkoholverbot wurde gekippt
Freiburg hatte vor über drei Jahren bereits ein Alkoholverbot erlassen, um den öffentlichen Besäufnissen in einem Stadtviertel Herr zu werden, das intern als Bermuda-Dreieck bezeichnet wird. Allerdings klagte ein Student dagegen und gewann vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Seit Mitte 2009 ist der öffentliche Griff zur Flasche damit wieder erlaubt. Aber auch in anderen Städten ist das Problem virulent. Schon vor der Landtagswahl hatten etwa 30 Städte Alarm geschlagen.
Die Liberalen reagierten mit Spott auf den Schwenk der Grünen-Fraktion. „Nachdem die Grünen jetzt den Bahnhof räumen, sammeln sie auch ihre sonstigen Positionen ein“, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Auch Landeschefin Birgit Homburger sagte: „Die Grünen laufen mit diesem populistischen und unpraktikablen Vorschlag blind einer alten Forderung der CDU hinterher.“ Die FDP hatte in der Zeit der schwarz-gelben Regierung die CDU-Pläne für eine Gesetzesverschärfung ausgebremst.