Luis (Name von der Redaktion geändert) spricht mit Redakteur Guy Simon über seine Heimat Kuba – und wie der lange Arm des Staates bis nach Deutschland wirkt. Foto: Simon

In Kuba gehen die Menschen auf die Straße und protestieren gegen die Regierung. Kritiker, so berichtet ein Kubaner in Deutschland, werden sogar im Ausland verfolgt und bespitzelt.

Donaueschingen - Luis (Name von der Redaktion geändert) lebt mit seiner Familie in Donaueschingen. Mit seiner deutschen Partnerin hat er ein Kind. In seinem Heimatland Kuba hat er als Neuro-Reha-Therapeut in einem medizinischen Zentrum gearbeitet. In Deutschland will er diese Arbeit wieder aufgreifen.

Seine Ausbildung wird, sofern die letzte bestandene Sprachprüfung vorliegt, hier auch anerkannt. Was Luis jedoch Sorgen bereitet, das sind die aktuellen Entwicklungen in Kuba, die er auch hier zu spüren bekommt. Im Juli ist es auf Kuba zu Demonstrationen gegen die Regierung gekommen. Mit dabei waren auch Freunde von Luis. "Ein Kumpel aus Dänemark wurde dabei festgenommen", sagt er.

Probleme für die Mutter

Luis ist in Kuba aufgewachsen, war traurig, als Fidel Castro gestorben ist – und kennt die Situation in seinem Heimatland. Dennoch habe sich in der vergangenen Zeit etwas verdächtig verändert: "Es ist auffällig, wie die ganze Familie plötzlich spricht: Alles ist toll hier, man gehöre zu den wahren Revolutionären. Wieso mache ich mir dann einen Kopf, wie ich zur Unterstützung Geld und Waren nach Kuba schicke, wenn alles so gut ist?" Was wohl hinter der neuen Begeisterung für das kubanische System steckt?

Denn, dass nicht alles gut ist, das zeigt Luis auch in den sozialen Medien. Er markiert Artikel, die kritisch mit der Regierung ins Gericht gehen, teilt Inhalte, die man in Kuba sicher nicht gerne sieht – zumindest aus Sicht der Regierung. Und das hat auch in Deutschland Konsequenzen: "Meine Mutter hat mich gebeten, nichts mehr zu teilen oder zu markieren", sagt Luis. Er und seine Frau gehen davon aus, dass die Mutter deshalb bei der Arbeit Probleme bekommt. Man wisse, dass auf so etwas geachtet werde, und der Geheimdienst sei manchmal mit bestimmten Autokennzeichen unterwegs, die man entsprechend einordnen könne.

Schließlich klingelt nachts in Donaueschingen Luis’ Mobiltelefon. Eine unbekannte Nummer aus Kuba. Luis geht lieber nicht ran. Das Signal solcher Anrufe ist sowieso klar: Du stehst unter Beobachtung. Zwei kubanische Freunde aus Schwenningen erhalten auch ebensolche Anrufe. Es gebe öfter das Phänomen, dass regierungstreue Nachbarn und Bekannte solche Anrufe machen, um staatliche Repressionen zu unterstützen, sagt Gabriele Stein von der Kuba-Koordinationsgruppe der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.

Ein anderer Freund lebt in Kroatien. "Sein Vater arbeitet in einer Schulbehörde. Er hat den Sohn in Kroatien angerufen und ihm gesagt, dass die Leute in Kuba Ärger bekommen, wenn die im Ausland Lebenden solche Sachen teilen." Das Internet und die sozialen Medien seien ein großes Problem für die kubanische Regierung. "Da wird auch teilweise das Internet ausgeschaltet", erklärt Luis. "Hauptgegner sind die sozialen Medien. Da kann die Regierung schlecht Gegenpropaganda machen." Musiker und Künstler positionieren sich entsprechend, "die Partei sagt, das sei alles vom Klassenfeind gefälscht".

Razzien und Festnahmen

Generell sei besorgniserregend, dass die Regierung "die wahren Revolutionäre dazu aufgerufen hat, die Proteste niederzuschlagen. Polizei und Geheimdienst sind in zivil bei den Demos dabei", erklärt Luis. Ein Freund in Santiago sei seit den Protesten im Gefängnis, "wegen Störung des öffentlichen Friedens". Es gebe Razzien und Leute verschwänden. Warum die Situation in Deutschland nicht so wahrgenommen werde? "Das ist ein kleiner Inselstaat in der Karibik. Da interessiert sich meistens hier keiner so wirklich."

Dennoch wollen Luis und seine Familie auf die Situation aufmerksam machen: "Jemand sollte sich auch hier dafür aussprechen, dass eine friedliche Lösung gefunden wird." Sie haben sich auch schon an den CDU-Bundestagsabgeordneten Thorsten Frei gewandt: "Er sagte, die Vernetzung sei hier zu gering, um etwas zu erreichen." Früher hatte der Osten eine besondere Beziehung zu Kuba.

Woran liegt es, dass die Situation derzeit so eskaliert? "Viele sagen, das Embargo der USA sei schuld. Aber das gibt es schon lange", erklärt Luis. Im Endeffekt ist es eine Vielzahl von Dingen, zu denen eben auch das Embargo zählt. Allerdings auch die Corona-Krise. "Die Regierung hat Läden hochgezogen, in denen man nur mit einer Kreditkarte aus dem Ausland zahlen konnte." Mittlerweile habe sich die Versorgungssituation verschärft: "Grundlegendes Essen ist Reis mit Bohnen. Lange gab es kein Mehl, keine Seife, keine Medikamente. Aufgrund der Fehlwirtschaft bleiben auch die Touristen aus."

Luis ist dabei nicht illegal nach Deutschland ausgereist. Allerdings musste er dafür bezahlen: "Wenn jemand das legal machen will, dann kostet das. Um seine Papiere anerkennen zu lassen, zahlt man um die 1500 Dollar. Klar, sie wollen nicht, dass die Leute, die in Kuba ausgebildet werden, ihr Können im Ausland einsetzen." Besonders im medizinischen Sektor genießt Kuba einen sehr guten Ruf in der Welt.

Luis weiß nicht, ob er jemals wieder in Kuba arbeiten könnte: "Sobald sich jemand öffentlich positioniert, wird das schwierig." Aber bald wird er gezwungen sein, wieder nach Kuba zu gehen. 2023 muss er seinen Pass erneuern lassen. Ansonsten verliert er ihn und muss eine horrende Strafe zahlen. "Es ist gut, wenn die Menschen davon erfahren", ist der gebürtige Kubaner überzeugt.

n Die Proteste: Die aktuellen Proteste seien sehr stark von der San-Isidro-Bewegung getrieben, erklärt Gabriele Stein von der Kuba-Koordinationsgruppe der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. "Seit letztem Herbst gehen die Künstler zusammen gegen ein Gesetz vor. Alle brauchen eine Genehmigung, bevor sie etwas machen", erklärt Stein. In Kombination mit der wirtschaftlichen Situation und der Pandemie seien große Proteste entstanden. Kuba sei kein demokratisches Land. "Es verletzt die Menschenrechte durch viele Nadelstiche", beschreibt Stein.

n Im Ausland: "Die Regierung macht sich eigentlich nicht die Mühe, Leute im Ausland zu verfolgen", erklärt Stein. Allerdings gebe es ein gutes Netz an Informanten. Wenn negative Äußerungen fallen, dann kann das die Kündigung des Jobs bedeuten. "Besonders wenn die Eltern im staatlichen Umfeld arbeiten, werden sie misstrauisch beobachtet. Es gibt sicher wen, der die Situation beobachtet. Der Staat findet eine gewisse Bespitzelung gut."

n Das Internet: Hier sorge die Regierung für schlechte Verbindungen, sagt Stein. Kritische Beiträge werden dann auch mal entsprechend manipuliert: "Der Beitrag einer Bloggerin etwa führte dann zu einer staatlichen Homepage."