Landrat Helmut Riegger (von links), KSK-Kommandeur Brigadegeneral Ansgar Meyer und Oberbürgermeister Florian Kling bei der Unterzeichnung der Patenschaftsvereinbarung Foto: Bundeswehr/KSK

Es ist besiegelt: In dieser Woche haben Stadt und Kreis Calw die Patenschaft mit dem Kommando Spezialkräfte unterschrieben. Dem zunächst rein formalen Akt der Freundschafts- und Verbundenheitsbekundung könnten konkretere Projekte folgen.

Calw - Geht es um den Platz des Kommando Spezialkräfte (KSK) in der Gesellschaft, scheinen in der öffentlichen Wahrnehmung Extreme aufeinander zu prallen.

Auf der einen Seite die drastischen Vorwürfe der vergangenen Jahre zu vereinzelten Extremisten in den eigenen Reihen oder fehlender Munition, die mehr als ein Jahr lang sogar den Fortbestand der in Calw stationierten Einheit infrage stellten. Auf der anderen Seite der vorbildliche Einsatz der Truppe gerade während der Pandemie – in Landratsamt, Krankenhaus oder Impfzentrum – der deutlich zeigte, dass die Soldaten wohl schon immer mitten in der Gesellschaft standen.

60 Reformmaßnahmen

Rund ein Jahr ist es her, dass der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, einen Abschlussbericht zum Reformpaket vorgelegt hatte, das die Auflösung der Einheit abwenden sollte. Fehlentwicklungen und Missstände seien aufgearbeitet worden, hieß es darin. Von 60 Reformmaßnahmen waren schon damals mehr als 90 Prozent bereits umgesetzt.

Doch auch in der schwersten Zeit des Verbandes, als die Existenz auf der Kippe stand, kam moralische Rückendeckung aus der Heimat. Erst mit einer Plakataktion im Sommer 2020, mit der die Stadt ihre Verbundenheit zur Eliteeinheit ausdrückte, vor rund einem Jahr der nicht zuletzt vom Gemeinderat Calw gefasste Beschluss, auch in Kooperation mit dem Landkreis, eine Patenschaft mit dem KSK einzugehen. Das Ziel: Freundschaft, Verbundenheit, Dankbarkeit und Anerkennung ausdrücken sowie Austausch fördern.

Enge Beziehungen

In dieser Woche kamen nun Landrat Helmut Riegger, Oberbürgermeister Florian Kling und der KSK-Kommandeur Brigadegeneral Ansgar Meyer vor einer illustren Gästeschar aus Soldaten, Bürgermeistern, Kreis- und Gemeinderäten sowie Abgeordneten zusammen, um die Patenschaftsvereinbarung zu unterzeichnen.

"Eigentlich besiegelt der formale Akt eine lang bestehende und stetig weiterentwickelte Partnerschaft hier am Rande des Nordschwarzwalds", unterstrich Kommandeur Meyer. Die engen Beziehungen seien über die Jahre gewachsen, sowohl zivile als auch militärische Angehörige des KSK hätten in der Region ihre Heimat, die Kinder gingen hier in Schule und Kindergarten, Partner arbeiteten in heimischen Betrieben. "Gelebte Integration", wie Meyer es auf den Punkt brachte.

Krieg in der Ukraine zeigte die Bedeutung

Gerade diese Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft sei elementar und "sinnstiftend für den Willen zur Verteidigung unserer Werte", zur Verteidigung der Demokratie. Dass dies nicht nur theoretisch eine Bedeutung hat, und "wie wichtig einsatzbereite und fest integrierte Streitkräfte für einen Staat sind, zeigt uns seit fünf Monaten der Krieg in Europa, quasi vor unserer Haustür, der Krieg in der Ukraine", bekräftigte Meyer. Nicht zuletzt der dortige Zusammenhalt von Militär und Gesellschaft habe bis heute erfolgreich verhindert, dass der weit überlegene Angreifer Russland seine Ziele nicht erreichen konnte.

Dass es in Calw nicht schon längst zu einem Austausch von Patenschaftsurkunden gekommen sei, begründete der Kommandeur mit dem besonderen Persönlichkeitsschutz der Soldaten sowie den hohen Anforderungen an die Geheimhaltung, die eine größere Beziehung im öffentlichen Raum verhindere. Dass die Verbundenheit dennoch so stark sei, wertete er als Beweis für die gelungene Integration – selbst wenn es ungemütlich wird. "Erst Krise und harte Zeiten zeigen dir deine wahren Freunde", zitierte Meyer eine Lebensweisheit.

Fest in der Gesellschaft verankert

Auch Calws Oberbürgermeister erinnerte in seiner Ansprache daran, dass die Stadt die Spezialeinheit selbst an dunklen Tagen nicht im Stich gelassen, sondern Unterstützung zugesichert habe. Aus Klings Sicht geradezu selbstverständlich. Denn nur eine fest in der Gesellschaft verankerte Truppe, nur Soldaten, die sich als Staatsbürger in Uniform verstehen, könnten sich im Ernstfall bewähren, wenn es gelte, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu verteidigen. Hierbei trage auch die Zivilbevölkerung Verantwortung, um diesen Anspruch mit Leben zu füllen.

Gerade dieser Tage, da "viele unsere Demokratie und unsere freiheitlichen Werte nicht anerkennen oder für schwach halten", meinte Kling mit Blick auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin, sei es nur möglich, sich dem entgegenzustellen, wenn jene vermeintlichen Schwächen als Stärken vergegenwärtigt würden.

Während Pandemie tatkräftig geholfen

Landrat Riegger betonte, dass die Angehörigen des KSK natürlich Teil des gesellschaftlichen Lebens seien. Die Demokratie als Fundament zu sehen und dafür einzutreten, verbinde Militär und Gesellschaft. Gerade die Spezialeinheit sei aber ohnehin immer da, wenn sie gebraucht werde. Das habe sich nicht zuletzt während der Pandemie gezeigt, als die Soldaten nicht nur tatkräftig mit anpackten, sondern auch beispielsweise sofort Beatmungsgeräte zur Verfügung stellten, als sie benötigt wurden. Dazu habe es nur einen Anruf gebraucht. "Wir haben gewusst, auf wen wir uns verlassen können", betonte Riegger.

Weil die Zivilgesellschaft die Bundeswehr brauche, "um unsere Demokratie zu verteidigen", müsse erstere ebenso zu letzterer stehen. "Auch in schwierigen Zeiten – das sage ich Ihnen hiermit zu", so der Landrat.

Besucherzentrum öffnet am 20. September

Riegger begrüßte zudem das neue Besucherzentrum, das am 20. September eröffnet werden soll. Es zeige, dass Probleme der Vergangenheit angegangen würden und eine Öffnung nach außen erfolge. Jenes Besucherzentrum, so verdeutlichte Kommandeur Meyer später im Gespräch, sei auf Anregung von Oberbürgermeister Kling entstanden – und zudem der letzte Punkt des 60-Punkte-Reformplans. Dort könnten auch öffentliche Veranstaltungen abgehalten werden. Ob oder wie, sei derzeit aber noch Zukunftsmusik.

Echte musikalische Untermalung steuerte indes die Musikschule Calw zur Veranstaltung bei – ein weiterer Beleg für die enge Verbindung.

Und ein neuer Baustein kam erst dieser Tage hinzu. Wie OB Kling im Gespräch verriet, habe die Stadt jüngst einen Vertrag mit dem Bundeswehr-Dienstleistungszentrum geschlossen. Der Inhalt: Die Calwer Feuerwehr darf künftig den Standortübungsplatz des KSK für ihr Training nutzen – beispielsweise, um dort Brände zu simulieren und natürlich zu löschen.

Info: Wortlaut der Vereinbarung

Die freundschaftliche Verbindung zwischen dem Landkreis, der Garnisonsstadt Calw und dem Kommando Spezialkräfte soll durch die Übernahme dieser gemeinsamen Patenschaft herausgestellt und besiegelt werden. Damit kommt die gegenseitige, tiefe Verbundenheit zwischen den Soldatinnen und Soldaten und den zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kommando Spezialkräfte und dem Landkreis und der Garnisonsstadt, wie auch der Zivilbevölkerung zum Ausdruck. Sie ist aber auch Zeichen der Dankbarkeit und Anerkennung für unsere Bürgerinnen und Bürger in Uniform für deren Dienste und fördert den gegenseitigen Dialog und Austausch. Möge diese Patenschaft die Verbundenheit stärken und pflegen sowie ein partnerschaftliches Miteinander in vielfältiger Weise fördern und verstärken.