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Der Bund hat für acht Millionen Euro 5250  abhörsichere Handys beschafft. Eins ist für Angela Merkel.

Berlin - Angela Merkel auf der Flucht. Sie ist die Dame des Hauses und doch nur eine Verfolgte im Amt. Zwischen zwei Terminen steht sie auf dem Flur vor einer der unzähligen Garderobenleisten in ihrem vom Waschbeton verschandelten Kanzleramt und kann so schnell nicht weg. Dabei hat sie Wichtiges zu regeln. Stattdessen nun hält ihre rechte Hand das Mobiltelefon am Ohr, ihre linke verdeckt Mund und Sprechmuschel. Kanzlerin - oder Agentin undercover? Merkels Augen schweifen umher, ihr Blick tastet Gänge, Flure und Treppen ab nach möglichen Mithörern; sie will ungestört sein, unbehelligt reden. Worte ungeteilter Macht.

Kaum entdeckt Merkel ihre Beobachter, wendet sie sich ab, macht sich davon. Gehetzt, genervt vermutlich. Sie ist der Boss, keine Frage. Zugleich ist die Regierungschefin eine BOS, was im Verwaltungskauderwelsch für "Behörde oder Organisation mit Sicherheitsaufgaben" steht. Und Boss wie BOS müssen sicher sein können, beim Telefonieren nicht abgehört zu werden, von niemandem.

5250 Krypto-Handys für acht Millionen Euro

Im vergangenen Juli hatte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Alarm geschlagen: Das Risiko, beim Mobiltelefonieren belauscht zu werden, nehme permanent zu. Die Sicherheitswarnung des BSI richtet sich sehr konkret auch an die Bundesregierung: Die Kommunikation mit den marktüblichen GSM-Mobiltelefonen gelte ohne hinreichende Sicherheitsmaßnahmen als unsicher.

Nun also bekommt Angela Merkel ein neues Mobiltelefon. Für acht Millionen Euro beschafft die Bundesverwaltung rund 5250 sogenannte Krypto-Handys. Mit diesem neuen Gerät kann die Kanzlerin verschlüsselt kommunizieren - dafür muss sie weder eine Geheimsprache lernen noch so reden, dass nur noch Eingeweihte sie verstehen. Vielmehr funktioniert das abhörsichere Telefonieren über einen Verschlüsselungsalgorithmus, der in der Speicherkarte des Handys steckt. Anspruch haben alle BOSler, also Regierende, Politiker, deren Mitarbeiter oder Angehörige von Sicherheitsbehörden, die über Dinge sprechen, die im Jargon "als Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch" (VS-NfD) eingestuft sind.

Um geschützt und vertraulich miteinander telefonieren zu können, müssen beide Gesprächspartner Zugriff auf die Verschlüsselungsprogramme ihrer Handys haben. Dann loten die Telefone aus, ob sie einander als abhörsicher identifizieren und senden schließlich einen Code aus, mit dessen Hilfe die Geheimnisträger drei Sekunden später miteinander plaudern können.

Ortung nur bei Gefahr in Verzug

 Angela Merkel mag künftig abhörsicher reden, regieren und sich räuspern können - allein ist sie damit aber nicht. Stolze 5250 Geheimnisträger nämlich haben Kanzleramt, Ministerien und Sicherheitsbehörden ausgemacht, die sich künftig zwingend mit diesen teuren Telefonen durch die Berliner Republik wählen können sollen.

Bezahlt wird der Stückpreis in Höhe von 1523 Euro aus dem IT-Investitionsprogramm im Rahmen des Paktes für Beschäftigung und Stabilität in Deutschland (Konjunkturpaket II). So hilft die Regierung also dem Land, indem sie die eigene Technik aufrüstet - und kann anschließend ungestört dank diesem gelungenen Coup telefonieren.

Ortung nur bei Gefahr in Verzug

Wer in den Genuss der abhörsicheren Technik kommt, entscheiden Kanzleramt, Ministerien und Behörden für sich. Nur so lässt sich auch die auffallend große Zahl der Bedarfsträger erklären. "Die Ressorts und Behörden ermitteln den Bedarf eigenständig und verteilen die Geräte auch eigenständig", bekräftigt das zuständige Bundesinnenministerium. Es bestehe die Notwendigkeit, "sensible mobile Sprachkommunikation hinreichend abzusichern".

Keine Ausnahmen gibt es bei der allgemeinen Sicherheit. So werden die Verbindungsdaten dieser Krypto-Handys ebenso für die Dauer von sechs Monaten gespeichert wie alle anderen mobilen, Internet- oder Telefonkontakte auch; das sieht die sogenannte Vorratsdatenspeicherung vor, die im Rahmen der Anti-Terror-Gesetze eingeführt wurde.

Ob die teuren Telefone auch dazu taugen, einen Geheimnisträger zu orten, sollte der entführt werden oder im Berliner PolitikPanoptikum verloren gehen? Bekommen die Deutschen also die Kanzlerin wieder, sollte sie je unfreiwillig von der Bildfläche verschwinden? Ja, bei Gefahr im Verzug. In allen anderen Fällen muss auch die regierende Angela Merkel erst per SMS zustimmen, ob sie geortet werden will. Hier, auf dem Flur im eigenen Kanzleramt, will sie das nicht - jedenfalls nicht von jedem.