SPD-Innenminister Reinhold Gall verteidigt seine Polizeireform im Landtag. Foto: dpa

Im Landtag muss sich Innenminister Gall (SPD) heftiger Kritik stellen. Die Opposition bemängelt das Bewerbungsverfahren für die Chefposten. Es geht auch um eine brisante E-Mail.

Stuttgart - Als Innenminister Reinhold Gall (SPD) am Donnerstag ans Rednerpult im Landtag trat, konnte er seinen Ärger über die Opposition nicht mehr verbergen. „Wenn Sie behaupten, wir würden den gleichen Fehler noch einmal machen, ist das schlicht und ergreifend grottenfalsch“, wetterte Gall und verteidigte damit das laufende Bewerbungsverfahren für die Präsidenten- und Vizepräsidentenposten.

Der FDP-Justizexperte Ulrich Goll hatte zuvor von einem „abgekarteten Verfahren“ gesprochen. Thomas Blenke, CDU-Innenexperte, von einem „Verfahren, umgeben vom beißenden Geruch der Rechtswidrigkeit“, das dazu führe, dass„die Funktionsfähigkeit der Polizei gefährdet“ sei.

Im Detail drehte sich die aktuelle Debatte um einen Begriff, der kürzlich noch einmal wie Öl ins Feuer der Polizeireform-Kritiker gewirkt hatte. Laut Medienberichten soll der Inspekteur der Polizei, Detlef Werner, in einer internen Mail dazu geraten haben, im Bewerbungsverfahren auf das Kriterium „Einsatzerfahrung“ zu verzichten. Ansonsten würden bestimmte Bewerber schon vorab ausgeschlossen.

Kritiker werfen dem Innenminister Mauschelei vor

Das Innenministerium sieht sich somit immer stärker dem Vorwurf von Liberalen und Christdemokraten ausgesetzt, nur bestimmte Wunschkandidaten an die Spitze der Polizeipräsidien setzen und Beamte belohnen zu wollen. Kritiker fühlen sich durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts in Karlsruhe aus dem Januar bestätigt.

Nach einer Klage des Bewerbers und Landeschefs der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lautensack, bezeichneten die Richter das erste Auswahlverfahren für die Spitzenpositionen als rechtswidrig. Das Ministerium wählte die infrage kommenden Beamten damals selbst aus und nahm eine Bestenauslese nach Eignung und Befähigung vor. Das Gericht urteilte aber, dass eine solche Leistungseinschätzung nach „Augenmaß“ nicht die dienstliche Beurteilung ersetzten könnte. Das Ministerium reagierte mit einer Ausschreibung der Stellen.

Streit entbrennt wegen des Begriffs „Einsatzerfahrung“

Doch auch das rief bei der Opposition Kritik hervor. Der CDU-Abgeordnete Thomas Blenke bemängelte, die Ausschreibungen seien so formuliert, das in der zweiten Bewerbung exakt die selben Personen für die Ämter infrage kämen wie in der ersten.

Die Mitglieder der Regierungsfraktion ihrerseits beschuldigten die Opposition, „falsche Tatsachenbehauptungen“ aufzustellen. Innenminister Gall verteidigte die Ausschreibungen, die so formuliert seien, dass die „Bewerberlage deutlich verbreitert“ werde. Die „Einsatzerfahrung“, beteuerte der SPD-Minister, sei ein Begriff, der rechtlich angreifbar sei und schwer abzugrenzen. Tatsächlich seien doppelt so viele Kandidaten nun in der Auswahl. „Ihre Ausführungen sind doch ein Einladung an alle, sich gegen das Verfahren zu wehren“, sagte Grünen-Innenexperte Uli Sckerl mit Blick auf mögliche Klagen von unterlegenen Bewerbern. „Ihre Politik trägt dazu bei, dass auch dieses Verfahren scheitern könnte“

Wenig Chancen misst der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, dem laufenden Bewerbungsverfahren bei. Er rechnet damit, dass Bewerber, die im zweiten Verfahren unterliegen, erneut vor dem Verwaltungsgericht klagen. Wendt wirft Gall handwerkliche Fehler vor und nennt die größte Strukturreform der Polizei Baden-Württembergs einen „untragbaren Zustand“ für die Behörden.