Kein Rauswurf und kein Rücktritt. Hansi Flick bleibt Fußball-Bundestrainer. Foto: dpa/Boris Roessler Foto:  

Der 57-Jährige hat trotz der WM-Blamage das Vertrauen der DFB-Führung und soll bei der Heim-EM für ein Sommermärchen 2.0 sorgen.

Irgendwann im Laufe des Tages war die Geheimhaltungsstufe, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) für den Mittwoch angesetzt hatte, nicht mehr ganz so hoch. Zunächst sickerte der mysteriöse Ort des Gipfeltreffens durch, bei dem der Bundestrainer Hansi Flick den DFB-Präsidenten Bernd Neuendorf und dessen Stellvertreter, den Vizepräsidenten und Liga-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke treffen sollte. Gegen 14.30 Uhr trudelte mit Flick der letzte der drei Teilnehmer ein – an einem ganz und gar nicht mysteriösen Ort: dem Fünfsternehotel Kempinski Gravenbruch zu Neu-Isenburg.

Dort, vor den Toren Frankfurts also, wo Flick die Nationalmannschaft schon ein paar Mal versammelt hatte, kam es nun in vertrauten Räumlichkeiten zum mit Spannung erwarteten Krisengipfel nach dem blamablen WM-Aus in Katar. Die Konstellation vor dem Gespräch glich dabei ja der gängigen Ausgangslage vor einem Fußballspiel: Man weiß nicht, wie es ausgeht.

Mimik war mürrisch

Um 18.25 Uhr wurde dann vom DFB das Ergebnis präsentiert – via Pressemitteilung: Hansi Flick bleibt Bundestrainer.

Zwischendurch hatte der Coach um 17 Uhr das Luxushotel verlassen und fuhr in seinem dunklen DFB-Dienstwagen von der Tiefgarage aus davon. Wortlos, grußlos. Seine Mimik war eher mürrisch, es gab kein Handzeichen oder Ähnliches in Richtung der Medienvertreter, die im Nieselregen und umgeben von pompöser Außen-Weihnachtsbeleuchtung ausharrten. Wer Flicks freudlose Abfahrt deuten wollte, der musste in diesen Minuten eher davon ausgehen, dass seine Lichter beim DFB vorher im Hotel ausgegangen waren.

Große Fragen stehen im Raum

Ein Hotelgast bewies ein paar Minuten nach Flicks Abfahrt Humor, als er nach draußen kam: „Ich bin nicht schuld“, sagte er mit Blick auf das WM-Desaster in Richtung der Medienvertreter. Ein anderes Gästepaar wollte eine Viertelstunde später mit dem Hund raus – als es draußen von einem TV-Team von den prominenten Gästen in ihrem Hotel erfuhr, musste der arme Dackel warten. Nix wie rein: Watzke und Neuendorf suchen, die noch drinnen waren: Das war jetzt angesagt.

In einem angemieteten Konferenzraum des Hotels war es für die DFB-Chefs vorher um die großen Fragen rund um Flick und die DFB-Elf gegangen: Wirft der Bundestrainer also aus Enttäuschung über das Aus seines Vertrauten Oliver Bierhoff noch vor dem Vertragsende 2024 hin? Oder hat er andersherum gedacht nach dem WM-Aus das Vertrauen von Neuendorf und Watzke selbst verloren?

Volles Vertrauen in Flick

Nun lässt sich seit Mittwochabend sagen: Keines dieser beiden Szenarien ist eingetreten. Flick bleibt. In der Pressemitteilung ließ er sich so zitieren: „Mein Trainerteam und ich blicken optimistisch auf die EM 2024 im eigenen Land. Wir als Mannschaft können viel mehr erreichen, als wir in Katar gezeigt haben.“ Und weiter: „Daraus werden wir unsere Lehren ziehen.“ Präsident Neuendorf ergänzte: „Wir haben volles Vertrauen in Hansi Flick, dass er diese Herausforderung gemeinsam mit seinem Team meistern wird.“

Zu diesem Team gehört ja jener Mann nicht mehr, der sich mit dem DFB auf die Auflösung des Vertrags geeinigt hatte. Geschäftsführer Oliver Bierhoff war der engste Vertraute Flicks, der Coach beklagte nach Bierhoffs Demission wortreich den Verlust seines Verbündeten. Weshalb es bis zum Mittwochabend als nicht unwahrscheinlich galt, dass auch Flick hinwirft.

Keine Position der Stärke

Der Coach aber wollte weitermachen – und wusste offenbar, dass er aufgrund des krachenden Scheiterns bei der WM nicht aus einer Position der Stärke heraus zum Gespräch in Neu-Isenburg erscheinen konnte. Watzke und Neuendorf wiederum waren sich einig, dass Flick einen neuen starken Mann als Manager der DFB-Elf an seiner Seite akzeptieren muss.

Eine der großen Fragen des Mittwochs war ja mit Blick auf Flicks Vita diese: Neigt der Heidelberger wieder einmal zu einem ähnlichem Handeln wie bei seinen Demissionen als Sportdirektor des DFB im Januar 2017, als Geschäftsführer bei der TSG Hoffenheim im Februar 2018 und als Trainer des FC Bayern 2021? Da stieg er jedes Mal aus freien Stücken trotz laufenden Vertrags aus.

Wohlfühloase nötig

Manche Beobachter bewerteten Flicks Handeln nach jeweiligen Dissonanzen mit maßgeblichen Mitarbeitern hinterher als aufrecht, charakterstark und konsequent. Nicht wenige sprachen dagegen davon, dass Flick eine viel zu geringe Konfliktbereitschaft mitbringe und zu stur sei.

Fakt ist: Flick braucht Vertrauen und vertraute Menschen um sich herum, um arbeiten zu können und zu wollen. Er braucht eine Wohlfühloase, in der es vor Verbündeten nur so sprudelt. Das ist Quell seiner Kraft, denn nur dann blüht er auf. Flick betonte nun in der DFB-Mitteilung sinnigerweise, dass er „Vertrauen in den verabredeten, gemeinsamen Weg mit Bernd Neuendorf und Aki Watzke“ habe.

Wie groß dieses Vertrauen wirklich ist, wird die Zukunft zeigen.