Der Iran will Rache üben für die Ermordung des Hamas-Führers Hanija. Möglicherweise kommt es zu einem Drei-Fronten-Angriff auf Israel.
Er sei stolz darauf, das Netzwerk des Mossad im Iran zerstört zu haben, sagte Irans Geheimdienstchef Ismail Khatib vor wenigen Tagen einem Fernsehreporter. Kurz darauf schoss Israel eine Rakete in ein staatlich geschütztes Gästehaus in Teheran und tötete Hamas-Chef Ismail Hanija. Die Unterwanderung des iranischen Sicherheitsapparats durch den israelischen Geheimdienst ist nicht nur peinlich für das Regime in Teheran, sie entscheidet auch mit darüber, wie der Iran auf Hanijehs Tod reagieren soll.
Revolutionsführer Ali Chamenei betete am Donnerstag mit tausenden Iranern in Teheran an Hanijas Sarg. Der Hamas-Chef soll an diesem Freitag in Katar beigesetzt werden. „Es ist unsere Pflicht, Rache zu üben“, sagte Chamenei, der das letzte Wort bei allen wichtigen Entscheidungen im Iran hat. Offenbar befürchtete das Regime neue Angriffe Israels: Während der Trauerfeier galt ein Flugverbot über Teheran. Videos im Internet zeigten, wie Chamenei bei der Feier mehrmals zum Himmel schaute.
Hunderte Raketen und Drohen im April
Der Revolutionsführer ordnete nach einem Bericht der „New York Times“ als Vergeltung für Hanijas Tod iranische Militärschläge auf israelisches Territorium an. Die iranische Revolutionsgarde hat tausende Raketen mit der nötigen Reichweite. Im April hatte Teheran mit hunderten Raketen und Drohnen auf Israel geschossen, nachdem Israel in der syrischen Hauptstadt Damaskus iranische Generäle getötet hatte.
Allerdings blieben die Raketenangriffe vom April wirkungslos. Das lag zum einen an der israelischen Luftabwehr und den USA, die Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in der Region stationiert hat und zusammen mit Partnern wie Jordanien half, den iranischen Angriff abzuwehren. Zum anderen hatte Chamenei den damaligen Luftschlag tagelang vorher angekündigt – absichtlich, denn der Iran wollte keinen Krieg mit Israel und signalisierte dem Gegner deshalb vorher, was er zu erwarten hatte.
Die Israelis waren bestens informiert
Nicht, dass Israel solche öffentlichen Hinweise der Iraner braucht. Der Mossad wusste so genau über Hanijas Domizil in Teheran Bescheid, dass die israelische Rakete nach Hamas-Angaben präzise in dem Zimmer einschlug, in dem der 62-Jährige schlief. „Bevor der Iran irgendetwas zur Vergeltung unternimmt, muss das Land erst einmal eine zentrale Frage beantworten: Wie tief hat Israel die iranischen Geheimdienst- und Sicherheitsapparate infiltriert?“, sagt Alex Vatanka, Iran-Experte beim Nahost-Institut in Washington. Bei der Vorbereitung des iranischen Gegenschlages muss das Regime einkalkulieren, dass Israel auch von den Vergeltungsplänen vorab erfährt.
Vor der Beisetzung von Hanija an diesem Freitag ist ein Angriff auf Israel unwahrscheinlich. Iranische Planer brauchen ohnehin Zeit, um den Angriff auf Israel und die Reaktion auf einen möglichen Gegenschlag von Israel oder USA zu organisieren. Israel und die USA werden versuchen, diese Zeit zu nutzen, um ein ähnliches Luft-Abwehrschild aufzubauen wie im April.
Die Schmach des Attentats
Eine bloße Wiederholung der iranischen Reaktion vom April dürfte es nicht geben. Chamenei muss den verunsicherten iranischen Verbündeten in der Region nach der Schmach des Attentats auf Hanija mehr bieten als einen rein symbolischen Beschuss auf Israel. Anders als im April dürften nach Einschätzung von Vatanka beim neuen Vergeltungsschlag gegen Israel nicht nur die iranischen Streitkräfte eingesetzt werden, sondern auch iranische Verbündete in der Region. Die Frage sei, ob jetzt der Moment für den Iran gekommen sei, „alles auf Israel zu werfen, was er hat“, sagte Vatanka.
Deshalb könnte es nun einen Drei-Fronten-Angriff der Iraner und ihrer Hilfstruppen in Nahost auf Israel geben: von den jemenitischen Huthi-Rebellen im Süden, der Hisbollah im Libanon von Norden und pro-iranischen Milizen im Irak und dem Iran selbst von Osten. Ein Massenbeschuss mit Raketen und Drohnen könnte selbst das moderne israelische Abwehrsystem überfordern.