Im russischsprachigen Osten der Ukraine entgleitet der neuen proeuropäischen Zentralregierung zunehmend die Kontrolle. Foto: dpa

Der Westen blickt besorgt auf die Entwicklung in der Ostukraine. Dort proben Separatisten knapp sieben Wochen vor der Präsidentenwahl den Aufstand. Washington und Moskau vereinbarten einen neuen Anlauf für eine diplomatische Lösung.

Der Westen blickt besorgt auf die Entwicklung in der Ostukraine. Dort proben Separatisten knapp sieben Wochen vor der Präsidentenwahl den Aufstand. Washington und Moskau vereinbarten einen neuen Anlauf für eine diplomatische Lösung.

Donezk/Washington - Nach dem Sturm prorussischer Kräfte auf öffentliche Gebäude in der Ostukraine hat die prowestliche Zentralregierung Spezialeinheiten in die Region geschickt. Interimspräsident Alexander Turtschinow leite den Einsatz, bestätigte die Vizevorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates, Viktoria Sjumar. Die Truppen räumten am Montagabend in der Millionenstadt Donezk ein kurz zuvor von moskautreuen Kräften besetztes Geheimdienstgebäude. In der zweitgrößten Stadt Charkow kam es zu Zusammenstößen. Die USA und Russland vereinbarten angesichts der aufgeheizten Lage einen neuen Anlauf für eine diplomatische Lösung der Krise. Außenminister Frank-Walter Steinmeiner (SPD) mahnte zu Besonnenheit.

In Donezk hatten die Besatzer des Gebäudes der Gebietsverwaltung am Montag eine souveräne Volksrepublik ausgerufen. Sie kündigten spätestens für den 11. Mai ein Referendum über einen Anschluss an Russland an - nach dem Vorbild der Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Zudem forderten die Protestierer Kremlchef Wladimir Putin auf, "Friedenssoldaten" zu entsenden. Auch in Charkow verkündeten prorussische Kräfte eine autonome Republik. Aus Lugansk und Nikolajew wurden ebenfalls Auseinandersetzungen gemeldet.

Anders als auf der Krim gibt es in den ostukrainischen Gebieten an der Grenze zu Russland aber keine Mehrheit für einen Beitritt zur Russischen Föderation. Zudem hat Moskau die selbst ernannte Vertretungen bisher nicht anerkannt und hat auch - im Gegensatz zur Schwarzmeerflotte auf der Krim - keine Truppen dort stationiert.

Nach Angaben des US-Außenministeriums drängte Ressortchef John Kerry seinen russischen Kollegen Sergej Lawrow bei einem Telefonat, sich von den "Separatisten, Saboteuren und Provokateuren" zu distanzieren. Die Aktionen seien anscheinend keine "spontane Reihe von Ereignissen", sondern eine "orchestrierte Kampagne mit russischer Unterstützung". Jeder weitere Versuch Moskaus, die Ex-Sowjetrepublik zu destabilisieren, werde "weitere Kosten" nach sich ziehen. Beide Politiker vereinbarten direkte Gespräche binnen zehn Tagen. Daran sollten auch Vertreter der Europäischen Union und der Ukraine teilnehmen, teilte das US-Außenministerium weiter mit.

Moskau weist Verantwortung zurück

Der Sprecher von US-Präsident Barack Obama sprach von "starken Hinweisen", dass zumindest einige der prorussischen Kräfte bezahlt worden seien. Eine offene oder heimliche Intervention in der Ostukraine bedeute eine "ernsthafte Eskalation", sagte Jay Carney.

Moskau wies jede Verantwortung zurück. "Genug der Anschuldigungen gegen Russland, das für alle aktuellen Probleme der Ukraine verantwortlich gemacht wird", teilte das russische Außenministerium mit. Auf dessen Facebookseite hieß es, auch gewaltbereite nationalistische Gruppen sowie 150 Spezialisten einer privaten US-Militärfirma seien in der Ostukraine aktiv.

"Wir fordern, alle militärischen Vorbereitungen unverzüglich einzustellen, die einen Bürgerkrieg nach sich ziehen können", teilte das Außenamt bei Facebook mit. "Die Organisatoren und Teilnehmer dieser Provokation sind verantwortlich für eine riesige Bedrohung der Rechte und Freiheiten sowie des Lebens unschuldiger Bürger der Ukraine und für die Stabilität des ukrainischen Staates." Moskau hatte stets betont, notfalls seine Bürger im Nachbarland auch militärisch zu schützen. Präsident Putin will sich am 17. April im Staatsfernsehen zu dem Konflikt äußern.

Die Bundesregierung zeigte sich besorgt. "Tägliche Meldungen von Erhöhungen des wirtschaftlichen Drucks durch Russland und die Besetzung öffentlicher Gebäude führen zu neuen Verhärtungen", sagte Außenminister Steinmeier der "Bild"-Zeitung (Dienstag). "Unsere Aufforderung geht an alle, Nerven zu bewahren und jetzt nicht noch Öl ins Feuer zu gießen."

Das Auswärtige Amt will vorerst keine deutschen Diplomaten mehr auf die Krim reisen lassen. Hintergrund ist die Sorge, dass dies als völkerrechtliche Anerkennung der Annexion durch Russland verstanden werden könnte. Die Nato schränkte die Bewegungsfreiheit der 70 russischen Diplomaten innerhalb der Zentrale der Allianz in Brüssel ein. Künftig dürfen sich nur noch der Botschafter, sein Stellvertreter und zwei Mitarbeiter frei im Gebäude bewegen.