Hofstetten hat erste freundschaftliche Bande mit Trostjanez geknüpft. Nun bangt die Gemeinde um die Freunde im Westen der Ukraine. Foto: Geitlinger

Der Schock sitzt tief: Russland ist in die Ukraine einmarschiert. Hofstettens Bürgermeister Martin Aßmuth wartet auf Nachricht aus Trostjanez im Osten des Landes.

Hofstetten/Trostjanez - Es hatte vielversprechend angefangen: 2019 hatte Hofstetten erste Bande mit Trostjanez geknüpft. Im Rahmen der Initiative "Engagement Global" hatte sich eine Delegation aus der Schwarzwaldgemeinde mit dem Ort im Osten der Ukraine ausgetauscht. Man strebte möglicherweise eine Städtepartnerschaft an. Das wäre die erste Verbindung dieser Art zwischen einer Ortenauer und einer ukrainischen Gemeinde gewesen. Dann bremste zunächst Corona die weitere Entwicklung aus.

Und jetzt ein Krieg. Trostjanez liegt im Westen der Ukraine, in der Nähe von Lwiw (Lemberg). Gemäß einer Karte, die der "Spiegel" im Rahmen seiner Berichterstattung auf der Internetseite veröffentlichte, sind auch aus der Region Lwiw bereits russische Angriffe gemeldet worden.

Hofstettens Bürgermeister "sitzt auf heißen Kohlen"

Aus Trostjanez hat Hofstettens Bürgermeister Martin Aßmuth bisher noch nichts gehört. Natürlich habe er sich nach dem Wohlergehen seiner Ansprechpartner erkundigt. "Die Nachrichten sind zugestellt, jetzt warte ich auf Antwort. Ich sitze auf heißen Kohlen", sagt er am Donnerstagnachmittag im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Bilder aus der Region seien erschütternd. Eines habe er gesehen, das eine Lokalität zeige, die er selbst besucht hatte – jetzt ist sie ein Unterschlupf für Schutzsuchende. "Das fühlt sich sehr merkwürdig an", sagt Aßmuth.

Im vergangenen Jahr hatten sich die Partner aus der Ukraine noch mit den Hofstettern und dem SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Fechner ausgetauscht. Schon damals hätten sie ihre Angst vor Vladimir Putin ausgedrückt. Schon damals hätten die Freunde aus der Ukraine verdeutlicht, sie befürchteten, Putin wolle nach dem gesamten Land greifen und nicht nur nach den prorussischen Gebieten im Osten. "Ich hätte nie im Leben gedacht, dass er so handelt", blickt Aßmuth zurück.

Aßmuth sieht großes Gefahrenpotenzial für ganz Europa

Und jetzt? "Ich traue Putin inzwischen alles zu", sagt Aßmuth. "Das birgt ein großes Gefahrenpotenzial für ganz Europa." Von daher sei auch "berechtigt" ein klares Bekenntnis Deutschlands für die Ukraine gefordert worden. Auf dem Papier sei es nichts wert und ob die Lieferung von 5000 Helmen ausreichen sei, wolle er dahingestellt lassen. Aus seiner Sicht seien "schärfste Sanktionen" gegen Russland nötig: "Dinge, die richtig weh tun, um Putin zum Einlenken zu bringen." Ansonsten stehe die Frage im Raum: "Was kommt da noch?".

Für den Moment hofft Aßmuth, dass er bald von seinem Bürgermeisterkollegen und auch der Ansprechpartnerin für Partnerschaftskoordination hört. Er hoffe, dass es allen den Umständen entsprechend gut gehe.

Erschütterung auch bei den evangelischen Kirchengemeinden

"Ich bin erschüttert von den aktuellen Vorgängen", beantwortet Dominik Wille die Anfrage unserer Zeitung. Der Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinden Hausach und Gutach bekennt, er sei "an ein gewisses Säbelrasseln" gewohnt gewesen. "Dass Russland nun den Krieg beginnt, war für mich quasi undenkbar."

Sein erster Dienst am Donnerstagmorgen sei das Gebet um Frieden und Verständigung zwischen den Völkern und Staaten gewesen. "Ich habe Gott darum gebeten, uns Menschen andere Wege als Krieg zur Konfliktbewältigung zu schenken. Ich habe ihn um Bewahrung aller Betroffenen gebeten, egal ob Zivilbevölkerung oder Soldaten. Gebe Gott, dass morgen wieder Frieden herrsche!", so Wille.

Vor einigen Jahren habe ihn ein Schüler gefragt, ob er sich vorstellen könne, dass es "bei uns einmal wieder Krieg geben könnte. Damals habe ich verneint – heute schaue ich besorgt auf den Osten Europas und kann nur traurig den Kopf schütteln. Warum haben wir Menschen offensichtlich nichts aus der Geschichte gelernt?", fragt Wille abschließend.

Auch Christian Meyer, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Haslach, ist erschüttert. "Mit Bestürzung, aber auch traurig und verärgert, sehe ich seit heute morgen die furchtbaren Fernsehbilder aus der Ukraine", beantwortet er unsere Anfrage. "Immer wieder haben wir in den vergangenen Wochen mit Millionen Menschen, Christen und anderen, für Frieden gebetet: Gegen Waffengewalt, für Gespräche und Diplomatie. Ich persönlich betete, dass Russland sein viel kleineres und viel schwächeres Nachbarland Ukraine nicht angreift", so Meyer.

Im Geist der Ökumene habe die Gemeinde auch dafür gebetet, dass Menschen, die beispielsweise durch den Glauben oder ihre Kultur oder Sprache verbunden sind, nicht aufeinander schießen müssen. "Genau das zeigen aber die Bilder aus der Ukraine. Das macht mich bestürzt und traurig", so Meyer. "Aber auch, wenn jetzt Krieg ist, beten wir weiter für Frieden."

Das ist die Gemeinde

Die Landgemeinde Trostjanez ist erst 2015 gegründet worden und selbst ein Pilotprojekt in der Ukraine: Nach der Maidan-Revolution sollte die kommunale Selbstverwaltung im Land gestärkt werden. "Trostjanez ist sozusagen das Versuchslabor", hatte Hofstettens Bürgermeister Martin Aßmuth 2019 im Pressegespräch zur Aufnahme der Beziehungen mit der Gemeinde erklärt. In der Landgemeinde, die aus 17 Dörfern besteht, lebten demnach rund 8500 Einwohner.