„Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat mit Wirkung vom heutigen Tag die rockerähnliche Gruppierung ‚United Tribuns’ verboten“ – die Schlagzeile ging am 14. September 2022 durch die Republik. Anhänger ziehen dagegen vor Gericht.
Der Gesamtverein sowie seine 13 Chapter wurde aufgelöst, das Vermögen beschlagnahmt, die United Tribuns sollten Geschichte werden.
Das aber wollen einige von Bokis Jungs nicht hinnehmen. Sie ziehen vor Gericht, genauer: vor das Bundesverwaltungsgericht. Denn das Verbot der Bundesinnenministerin wollen sie nicht hinnehmen.
Ihre Wiege steht in Villingen-Schwenningen
Ihre Wiege stand in Villingen-Schwenningen – 2004 von ihm gegründet, war der Rotlichtkönig aus VS und Ex-Boxer Armin Culum bis zuletzt auch der Welt-Präsident der Gruppierung. Seit rund 15 Jahren ist er, geflüchtet vor einer Razzia, untergetaucht und für die deutsche Justiz unerreichbar. Sein Bruder Nermin sitzt zwar im Knast, und dass es in Bokis Gang um Zwangsprostitution, Menschenhandel, Drogen und ganz viel Gewalt ging, ist hinlänglich bekannt. Eine gerade einmal 15-Jährige, die für Boki in Villingen einst anschaffen musste, lieferte Bokis Bruder ans Messer. Reihenweise pikante, teils schockierende Details sickerten durch. Und – trotzdem stagniert die gerichtliche Aufarbeitung in dem Fall Culum international seit Jahren.
Einen Gerichtsprozess rund um die United Tribuns gab es jetzt aber doch: Am Mittwoch, 24. Juli, in Leipzig.
Es war um 10 Uhr, als dort die mündliche Verhandlung beginnen sollte.
Verboten wegen schwerster Straftaten
Für Bundesinnenministerin Faeser war es klar: Wegen krimineller Machenschaften hat sie die Gruppierung verboten. Voraus gingen dem Verbot unter anderem mehrere Razzien in neun Bundesländern. „Schwerste Straftaten“ wurden der Vereinigung zur Last gelegt. Sexualstraftaten, Menschenhandel, sogar versuchte Tötungsdelikte waren darunter. „Wir müssen als Rechtsstaat sehr deutlich zeigen, dass wir Gruppierungen, von denen so schwere Straftaten ausgehen, nicht dulden“, sagte Faeser mit Blick auf Bokis Organisation.
Ein etwas anderes Belohnungssystem
Aus Berichten des Ministeriums ging hervor, dass Straftaten wie diese nicht nur geduldet, sondern sogar gefördert und belohnt worden seien. Ein besonders prägnantes Beispiel dafür: Wer Straftaten im Sinne des Vereins verübt habe, soll dafür Aufnäher für seine Rockerjacke erhalten habe. Und derer gab es viele: Die Bekanntmachung des Bundesanzeigers des Justizministeriums vom August 2022 ist voll von Kennzeichen und Symbolen der United Tribuns, die fortan weder verbreitet, noch veröffentlicht werden durften.
Da gab es zum Beispiel den Schriftzug „United Tribuns“ im weißen, halbrunden Bogen und das wohl typischste Symbol: zwei ineinander verschränkte mit Muskeln bepackte Arme – als hätten als Vorlage die Arme des Bodybuilding-affinen Boxers selbst gedient. Und dann war da noch dieses rautenförmige Abzeichen mit der unscheinbaren „1%ER“-Inschrift – „das Kennzeichen soll die Mitglieder der Gruppierung ‚United Tribuns’ als das eine Prozent der Motorradfahrer bezeichnen, welches sich an keine Regeln hält und nach eigenen Gesetzen lebt“, erläutert das Ministerium. „Redlight“, „Fighter“, „Elite Crew“ oder „Expect no mercy“, zu Deutsch: Erwarte keine Gnade – zur Schau getragene Härte und Kampfeslust.
Das ist die Strategie der Kläger
Doch ein Chapter, die Gruppierung„United Tribuns Northside“, beurteilt all das offenbar anders. Es klagte gegen die Verbotsverfügung – offenbar wollte man das Verbot nicht auf das eigene Chapter bezogen wissen, obgleich es auch in Leipzig alles andere als friedlich zugegangen ist um die United Tribuns. Im Gegenteil: 2016 eskalierte dort sogar ein Konflikt der United Tribuns mit den Hells Angels mit Schüssen derart, dass laut Medienberichten ein 27-jähriger Türke der Tribuns dabei gestorben und zwei weitere Mitglieder lebensbedrohlich verletzt worden seien.
Das damalige Chapter „United Tribuns Iron City Leipzig“ soll sich zwar schon vor dem Verbot zurückgezogen haben, danach aber gab es das erwähnte „Northside“-Chapter.
Diese Teilorganisation, so die Kläger, sei dem Hauptverein – wenn es einen solchen gäbe – gar nicht weisungsgebunden untergeben. Und somit könnten ihm auch nicht die im Zuge des Verbots geäußerten Vorwürfe zugerechnet werden.
Die Entscheidung des Gerichts
Weiterhin verboten, ja oder nein – nun tagte in dieser Frage in erster und gleichzeitig letzter Instanz das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Am Abend gab es schließlich die Entscheidung bekannt: In der sächsischen Stadt bestätigt man das Tribuns-Verbot, auch für das betroffene Chapter.
Denn auch als „gebietliche Teilorganisation“ sei sie von dem Verbot verfasst, „allein auf Grund ihrer Identität mit dem Gesamtverein“, wie es in der Begründung heißt. Die Eigenschaft der United Tribuns als Verein habe das Bundesverwaltungsgericht laut Pressemitteilung bejaht.
Boki als „World President“ an der Spitze
Und dieser weise „streng hierarchische Strukturen“ auf, an der Spitze der VS-Rotlichtkönig. „Zentrale Entscheidungs- und Steuerungsinstanz sind der ‚World President‘ (‚Boki‘) sowie der Vorstand, dem alle grundsätzlichen Entscheidungen innerhalb der ‚United Tribuns‘ obliegen“, heißt es wörtlich in der Pressemitteilung. Zudem sei Boki auch in einzelne Aktivitäten der Chapter eingebunden.
Und diese laufen „den Strafgesetzen zuwider“. Denn der Zweck der United Tribuns sei nicht zu leugnen: Herrschaftsansprüche auch mit Gewalt geltend machen sowie Einnahmenerzielungen im Rotlicht- und Türstehermilieu, die „in den Bereich der Kriminalität hineinreicht“. Und genau von diesen „strafgesetzwidrigen Zwecken“ habe man sich auch in Leipzig nicht distanziert. Deshalb gebe es für das Gericht keinen Grund, das Chapter vom Verbot auszunehmen.