Ein prorussischer Aktivist salutiert mit einer Fahne der ehemaligen Sowjetunion Foto: dpa

Michael Harms, Chef der Auslandshandelskammer in Russland, spricht über die Auswirkungen der Krim-Krise auf die deutschen Firmen in Russland.

Herr Harms, wie nervös sind die deutschen Unternehmen in Russland?
Die Firmen sind sehr verunsichert. Wir bekommen ständig Anrufe von besorgten Unternehmern. Der Aufklärungsbedarf ist sehr hoch, weil sich die Lage plötzlich so zugespitzt hat und mit jedem Tag unübersichtlicher wird.
Wie reagieren die Firmen?
Einige Unternehmen sagen Projekte, die einen langfristigen Investitionsbedarf haben, ab oder verschieben sie. Jedes Unternehmen, das eine größere Investition geplant hat, passt seinen Businessplan gerade den politischen Unsicherheiten an. Außerdem entwerfen die Firmen bereits Krisenszenarien, in denen sie verschiedene Eskalationsstufen durchspielen.
Die EU hat Einreiseverbote gegen 21 Personen verhängt und plant, deren Konten zu sperren. Was bringt so was?
Wir sind grundsätzlich skeptisch im Hinblick auf Sanktionen. Aber das ist natürlich ein Primat der Politik, dem wir uns unterordnen müssen.
Befürchten Sie, dass nun eine Sanktionsspirale einsetzt?
Das hoffe ich nicht. Ich halte echte Wirtschaftssanktionen für sehr schädlich für beide Seiten und für relativ wirkungslos. Wenn Deutschland ein Exportverbot für bestimmte Warengruppen verhängen würde, dann würden sich die Russen die Güter einfach aus Asien besorgen. Die Sanktion hätte für Russland also kaum Auswirkungen, für die deutsche Wirtschaft würde ein Exportverbot aber herbe Einbußen bedeuten.
Welche Branchen wären davon besonders stark betroffen?
Der Maschinen- und Anlagenbau, die Autoindustrie und die Elektrotechnik – also all jene Branchen, in denen Deutschland viel exportiert. Ich will aber keine Horrorszenarien heraufbeschwören. Denn im Grunde ist die russische Führung schon jetzt mehr gestraft, als es Sanktionen je könnten.
Wodurch?
Das Vertrauen der internationalen Investoren in Russland ist beschädigt. Das wirkt sich wirtschaftlich negativ aus. Die Kurse an den Börsen brechen ein, und der Rubel fällt weiter. Das ist auch für die deutschen Unternehmen ein Problem, weil durch einen schwachen Rubel alle Exporte nach Russland deutlich teurer werden. Diese Preiserhöhungen müssen an die Kunden weitergegeben werden. Die importierten deutschen Produkte werden für die Russen immer teurer – und dadurch unattraktiver.
Inwiefern hat sich die Zusammenarbeit mit den russischen Partnern vor Ort verändert?
Es gibt natürlich unterschiedliche Interpretationen der politischen Lage. Grundsätzlich sind die Beziehungen zu den russischen Geschäftspartnern aber so eng verflochten, dass sich das nicht von einem Tag auf den anderen ändert. Wir sind einfach aufeinander angewiesen.